Die Ukrainekrise und die Zukunft der Energiebeziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union
Vor diesem Hintergrund fand in der DGAP ein Treffen des Gesprächskreises Russland und Östliche Partnerschaft statt. Als Diskutanten konnten Simon Pirani, Senior Research Fellow beim Oxford Institute for Energy Study, und Ilya Zaslavskiy, Robert Bosch Visiting Fellow im Programm für Russland und Eurasien bei Chatham House, gewonnen werden. Darüber hinaus lieferte Emily Olson, Vizepräsidentin für Kommunikation und außerbetriebliche Angelegenheiten bei BP Europa SE, Input aus unternehmerischer Perspektive. Im Zentrum der Ausführungen standen dabei die russische Energiepolitik im Zuge der gegenwärtigen geopolitischen Spannungen, die Umstände und Folgen der Abhängigkeit Europas und der Ukraine von russischem Gas sowie verschiedene Erdgaspipeline-Projekte, wie etwa der Southern Gas Corridor, South Stream und Turkish Stream.
Es wurde festgestellt, dass Importe aus anderen Staaten russische Gaslieferungen in die EU nur bedingt ersetzten können. Vor allem das Baltikum, Südosteuropa und die zentraleuropäischen Länder seien in hohem Maße abhängig vom Erdgas aus Russland. Als traditionelles Transitland nimmt die Ukraine dabei eine Sonderstellung ein, welche durch die aktuellen Entwicklungen im Osten des Landes vor zusätzliche Herausforderungen gestellt wird. So möchte der russische Gaslieferant Gazprom die Ukraine spätestens ab 2020 nicht mehr als Transitland nutzen. Gleichzeitig hat die Ukraine das Ziel, die russischen Gasimporte in den nächsten Jahren auf null zu reduzieren, was die Experten als unrealistisch einschätzten.
Weiter „bluffe“ Russland mit der Aussage, dass seine Energiewirtschaft auch ohne Nachfrage aus Europa überleben könne. So blicke es zwar zunehmend nach China; Gazprom habe aber eine nach wie vor vergleichsweise schwache Stellung auf dem asiatischen Markt. Auch sei es nicht möglich, die nötige Infrastruktur kurzfristig zu errichten.
In Bezug auf den Gashandel werde zwischen der EU und Russland mittel- bis langfristig eine gegenseitige Abhängigkeit bestehen bleiben. Diese werde gegenwärtig auf die Probe gestellt und von massiver Propaganda negativ beeinflusst. Generell könne es sich Russland nicht länger als wenige Wochen leisten, die Energieversorgung der Europäer zu kappen. Diese müssten sich dennoch auf kurzfristige Lieferstopps einstellen.
Die Gaspipeline-Projekte werden als sehr wichtig und notwendig eingeschätzt. Die Investitionen in die jeweils zahlreiche Länder durchquerenden Systeme bewegen sich dabei im mittleren zweistelligen Milliarden Dollar-Bereich. In jedem Transitland sei man vor spezifische Herausforderungen und Probleme gestellt. Es zeige sich aber, dass kleinere Länder grundsätzlich kooperativer seien als große Länder. Insgesamt könnten weitreichende Fortschritte bei der Installierung der Systeme verzeichnet werden. So sei beispielsweise der Southern Corridor nur der erste Schritt hin zu einer größeren Gasstrategie in Südosteuropa.
Manuel Sarrazin, MdB leitete und moderierte die Veranstaltung. Organisiert wurde das Treffen von Dr. Stefan Meister, Programmleiter Osteuropa, Russland und Zentralasien im Robert Bosch-Zentrum der DGAP.