Die wissenschaftliche Evidenz für den Zusammenhang von Klimafolgen und Migration hat in den letzten Jahren stark zugenommen, doch entwicklungs- und außenpolitische Maßnahmen fallen hinter dem Erkenntnisstand zurück. |
|
|
|
Dieser Artikel enthält keine Fußnoten. Um diese zu sehen öffnen Sie bitte die PDF-Version hier.
Klimaaußenpolitik-Strategie Deutschlands: Antworten auf Migration unverzichtbar
Migration, Flucht und Umsiedlungen in Folge des Klimawandels sind keine fernen Zukunftsszenarien, sondern materialisieren sich mittlerweile entlang immer gravierenderer Extremereignisse und schleichender Degradation. Angesichts der fortschreitenden globalen Erwärmung und der Gefahr des Überschreitens von Kipppunkten im Erdsystem sollten vorausschauende Klimaaußenpolitik und Entwicklungspolitik vermehrt auch schwerwiegende Klimafolgen in den Blick nehmen. Denn die Bedeutung von Klimaschutz, Anpassung, sowie der Prävention und der Umgang mit klimabedingten Krisen wird in den kommenden Jahren noch zunehmen – alle Szenarien des „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC) gehen mit ihren besten Schätzungen für die Temperaturentwicklung in der nahen Zukunft bis 2040 von einer weiteren Erwärmung auf mindestens 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau aus. Die damit einhergehenden Verschiebungen von Klimazonen haben unweigerlich Auswirkungen auf die Bevölkerungsverteilung. Höhere Erwärmungsgrade könnten die Grenzen der Anpassung weit überschreiten.
Daraus ergibt sich ein akuter Handlungsbedarf für die deutsche Klima-, Innen- und Außenpolitik. Deutschland hat ein strategisches Interesse, Klimamigration stärker in den Fokus zu rücken und Allianzen für die Unterstützung von Binnenvertriebenen zu schließen, sodass humanitäre Notlagen nicht in sicherheitspolitische Krisen eskalieren.
Die im ersten Halbjahr 2023 geplante Veröffentlichung der Klimaaußenpolitik-Strategie (KAPS) der Bundesregierung bietet eine Chance, umfassende Lösungsansätze für die wesentlichen klimapolitischen Handlungsfelder zu entwickeln. Die Tragweite des Themas Klimamigration reicht weit über traditionelle Ressortgrenzen hinaus und die KAPS bietet die Möglichkeit, ressortgemeinsame Ansätze zu definieren. Dabei muss das Thema ganzheitlich über den gesamten Migrationszyklus hinweg betrachtet werden, von der Prävention von Zwangsmigration durch landwirtschaftliche Anpassung bis hin zur Ermöglichung von Migration zum Schutz des Lebens. 2023 werden weitere richtungsweisende Dokumente beschlossen, die ebenfalls von Bedeutung sind. So die im März veröffentlichten Leitlinien für eine feministische Entwicklungs- und Außenpolitik, die den Blick weiten für ein umfassendes, intersektionales Verständnis von menschlicher Sicherheit, sowie die Nationale Sicherheitsstrategie, die sich derzeit in der Abstimmung befindet.
Internationale Klimadiplomatie rückt Klimamigration ebenfalls verstärkt in den Fokus, wie etwa durch den bei den Klimaschutzverhandlungen in Sharm El Sheikh im Jahr 2022 beschlossenen Fonds zur Finanzierung klimabedingter Schäden und Verluste. Die Ausgestaltung des Fonds wird derzeit von einem Übergangskommittee diskutiert, an dem auch Deutschland teilhat. Die Schaffung des Fonds benennt als Lücke im Finanzierungssystem auch Vertreibung, Umsiedlungen und Migration. Die wachsende Bedeutung von Klimamigration spiegelte sich auf der COP 27 im ersten Pavillon zu menschlicher Mobilität („Climate Mobility Pavilion“) wider. Auch internationalen Organisationen, wie dem UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR oder der Internationalen Organisation für Migration (IOM) beschäftigen sich verstärkt mit dem Thema genauso wie Staaten etwa die USA, die 2021 den „White House Report on the Impact of Climate Change on Migration“ veröffentlichten.
Klimakrise und Vertreibung werden zur Jahrhundertaufgabe
Klimabedingte Mobilität ist schon jetzt Realität. Insbesondere bei höheren Erwärmungsgraden – die angesichts schleppender Maßnahmen zur Emissionsminderung immer wahrscheinlicher werden – würden unweigerlich größere Gebiete unbewohnbar, die heute teils dicht besiedelt sind.
Unterschiedliche Terminologie und Definitionen von Klimamigration führen allerdings zu unterschiedlichen Messungen und Vorhersagen zukünftiger Migrationsmuster. Dies schränkt ihre Vergleichbarkeit ein, ermöglicht aber gleichzeitig, verschiedene Dynamiken zu betrachten. Die Belastbarkeit vieler Prognosen wird limitiert durch die begrenzte Datenverfügbarkeit in der Migrationsforschung sowie in der Klimafolgenforschung in besonders exponierten Regionen mit großen vulnerablen Bevölkerungen. Ebenfalls stehen viele Forscher:innen vor der Frage, wann Menschen, die mit großen Krisen konfrontiert sind, migrieren und wann sie bleiben. Diese vielschichtige Abwägung hat nicht nur ökonomische Dimensionen, sondern bezieht sich auch auf kulturelle, familiäre Faktoren und andere Aspekte, von Ortsbindung, wie etwa ortsspezifische ökonomische Aktivitäten.
Allein im Jahr 2021 gab es 22,3 Millionen neue Binnenvertreibungen aufgrund von wetterbedingten Naturkatastrophen. Zwar sind diese nicht umfänglich der bisherigen anthropogenen Erwärmung zuzuordnen, doch zeigt die Klimawissenschaft auf, dass diese Art von Extremereignissen in Häufigkeit und Intensität zunehmen wird. Auch die Bevölkerung in betroffenen Gebieten wächst.
Die Weltbank projiziert unter Annahme eines pessimistischen Szenarios im Groundswell-Bericht eine zusätzliche Binnenmigration von 170 Millionen Menschen in sechs Weltregionen durch langsame Klimaveränderungen schon bis Mitte des Jahrhunderts (siehe Grafik 1). In diesem Szenario würden sich hohe Emissionen fortsetzen und eine ungleiche Entwicklung stattfinden. Bei einem ambitionierten Klimaschutzszenario könnte sich diese Zahl mehr als halbieren auf etwa 78 Millionen Vertriebene bis 2050. Noch gravierender sind die Annahmen bei einem Hochemissionsszenario bis Ende des Jahrhunderts. Demnach könnten bis zum Jahr 2100 ein bis drei Milliarden Menschen außerhalb der menschlichen Klimaniche leben, also dem Temperaturkorridor von 11-15 °C jährlicher Mitteltemperatur, der die menschliche Entwicklung begünstigte. Während derzeit nur 0,8 Prozent der Landfläche der Erde eine jährliche Mitteltemperatur von über 29 °C hat, könnte zukünftig ein Drittel der Menschheit unter diesen Extremen leben, die derzeit etwa in Teilen der Sahara präsent sind. Es ist schwer vorstellbar, dass diese extremen klimatischen Konditionen selbst bei fortschreitender Entwicklung die Versorgung solch großer Bevölkerungszahlen zulassen würden, zumal viele Länder betroffen wären, die heute von großer Armut geprägt sind. Große Migrationsbewegungen ohne Präzedenzfall und humanitäre Notlagen wären die Folge.
Auch wenn bei ambitioniertem Klimaschutz nach aktueller Erkenntnislage die meiste klimabedingte Migration innerhalb von Ländern stattfinden wird, ist es wahrscheinlich, dass auch der Drang nach grenzüberschreitender Migration zunehmen wird. Beeinflusst wird dies auch durch sich wiederholende Extremereignissen, die in den betroffenen Ländern die Resilienz in Zufluchtsorten erodiert lassen. Insbesondere in Ländern wie den Kleininselstaaten, deren gesamtes Staatsgebiet von Klimafolgen bedroht ist, könnte Migration der letzte Ausweg sein, um Menschen zu schützen. Gleichwohl wollen viele Menschen ihre Heimat nicht verlassen. Eine Umfrage auf dem afrikanischen Kontinent weist darauf hin, dass die Mehrzahl der bereits vom Klimawandel betroffenen Bevölkerung nicht migrieren will. Klimafolgen können auch die Möglichkeit von Migration einschränken, weil die finanziellen Voraussetzungen für Mobilität durch Wohlstandsverluste verschwinden. Insofern ist nur schwerlich abzusehen, wann Klimaextreme in Abwanderung und wann in eine lokale humanitäre Krise führen.
Rezeption von Klimamigration im IPCC und COP-Prozess
Wissenschaftliche Erkenntnisse zur klimabedingten Migration wurden bereits in den 1990er Jahren im IPCC aufgegriffen und als potenziell schwerwiegendster Effekt des Klimawandels erkannt. Die Integration des Themas im COP-Prozess erfolgte jedoch nur langsam (siehe Grafik 2). Erst 2010 wurde es durch das Cancún Adaptation Framework (COP16) formell in die UN-Klimarahmenkonvention integriert.
Die wissenschaftliche Fortentwicklung im IPCC, der zunehmend Migration nicht nur als Folge der Klimakrise, sondern auch als eine Form der Anpassung identifizierte, legte die konzeptionelle Grundlage, die zwischen Migration, Vertreibung und geplanter Umsiedlung unterscheidet auf der COP16. Dies spiegelte das wachsende Bewusstsein für die Komplexität der Klimamigration wider, wie sie im 4. IPCC-Sachstandsbericht reflektiert wurde. Bei der COP19 im Jahr 2013 wurde der Warschauer Mechanismus für Schäden und Verluste eingerichtet, der auch einen Arbeitsbereich „menschliche Mobilität“ umfasste. Im Rahmen dieses Mechanismus wurde 2015 auf der COP21 eine Task Force on Displacement gegründet. Vertreibungsdynamiken wurden somit als klimabedingte Schäden und Verluste begriffen. In der Cover Decision der COP27, dem „Sharm El Sheikh Implementation Plan“, wurde erstmals menschliche Mobilität jenseits der Präambel, in der neu eingeführten Sektion zu Schäden und Verlusten benannt. Die Auswirkungen dieser Verbindung könnten sich bei den weiteren Verhandlungen um den Fonds für Schäden und Verluste niederschlagen, in dem etwa zukünftig mehr Mittel für Klimavertriebene bereitgestellt werden.
Flucht im Kontext des Klimawandels fällt durch das Raster des Völkerrechts
Die zentralen völkerrechtlichen Verträge zum internationalen Schutz von Geflüchteten – die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) von 1951 und deren Zusatzprotokoll (ZP) von 1967 – stammen noch aus einer Zeit vor der wissenschaftlichen Erforschung des Klimawandels. In diesen beiden völkerrechtlichen Verträgen werden bis heute die Rechte und der Schutz von Geflüchteten geregelt – geknüpft an den in Art. 1 Abs. 2 GFK definierten „Flüchtlingsbegriff“. Das völkerrechtliche Verständnis von Geflüchteten ist daher wesentlich geprägt von den Verfolgungen und Fluchtdynamiken des Zweiten Weltkriegs und der faschistischen Diktaturen in Europa.
Ein „Flüchtling“ ist demnach eine Person, die sich erstens außerhalb des Staates befindet, in dem sie ihren regelmäßigen Aufenthaltsort hat und zweitens aufgrund von begründeter Furcht vor Verfolgung nicht willens oder in der Lage ist, in diesen Staat zurückzukehren. Die GFK erkennt als Verfolgungsgründe lediglich „Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder (…) politische Überzeugung“ an. Bei klimabedingter Migration ist die zweite Voraussetzung häufig nicht unmittelbar erfüllt, sodass Klimageflüchtete in aller Regel nicht als Geflüchtete im Sinne des Völkerrechts gelten und ihnen ein adäquater Schutz und legale Fluchtmöglichkeiten meist verwehrt bleiben.
Definitionen
- Klimamigration
-
Die Bewegung von Personen oder Personengruppe innerhalb eines Staates oder über internationale Grenzen hinweg, die überwiegend aus Gründen einer plötzlichen oder fortschreitenden Veränderung der Umwelt durch den Klimawandel gezwungen sind, ihren Aufenthaltsort vorübergehend oder dauerhaft zu verlassen, oder sich freiwillig dazu entschließen. […]
- Katrastrophenvertreibung
-
Die Bewegung von Personen, die gezwungen oder verpflichtet wurden, ihre Heimat oder ihren Wohnsitz infolge einer Naturkatastrophe zu verlassen, oder um einer unmittelbaren Bedrohung durch eine Naturkatastrophe zu entkommen.
- Geplante Umsiedlung
-
Umsiedlungen im Kontext von Katastrophen oder Umweltzerstörung, auch aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels, bei denen ein geplanter Prozess stattfindet, an dem Personen oder Personengruppen beteiligt sind, die ihre Wohnung oder ihren vorübergehenden Aufenthaltsort verlassen oder dabei unterstützt werden, an einem neuen Ort angesiedelt zu werden und die Voraussetzungen für einen Wiederaufbau erhalten.
- Unfreiwillige Immobilität (“Trapped Populations”)
-
Bevölkerungsgruppen, die nicht migrieren, aber sich in bedrohten Regionen aufhalten und dem Risiko ausgesetzt sind, von dort nicht mehr wegkommen zu können, mit wachsender Vulnerabilität gegenüber Umweltschocks und Armut.
- Menschliche Mobilität
-
Ein generischer Begriff, der alle unterschiedlichen Formen der Bewegungen von Menschen umfasst.
Quelle: In diesem Policy Brief werden die in der IOM Institutional Strategy on Migration, Environment and Climate Change 2021–2030 aufgeführten Definitionen verwendet. Die Definitionen sind frei ins Deutsche übersetzt.
Das völkerrechtliche „Non-Refoulement-Prinzip“, also das Nichtzurückweisungsprinzip, verbietet die Zurückweisung von Geflüchteten in Staaten oder Regionen, in denen sie aufgrund von Verfolgung der Gefahr schwerer Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Bisher haben nationale und internationale Gerichte dieses Prinzip nicht auf Klimageflüchtete angewandt. Dies könnte sich jedoch womöglich bald ändern: Das UN Human Rights Committee stellte in seinem ersten Urteil zu einem Fall einer aus Kiribati vor Klimafolgen nach Neuseeland geflüchteten Person fest, dass eine Zurückweisung künftig rechtswidrig wäre, wenn Klimafolgen das Recht auf Leben des Klimageflüchteten im Heimatland gefährdeten.
Der internationale Schutz von Klimavertriebenen – ein Soft law-Flickenteppich
2016 erkannte die UN-Generalversammlung in der New Yorker Erklärung erstmals explizit den Zusammenhang zwischen Klimafolgen und Migration an. In einem zweijährigen Prozess wurden daraufhin zwei Rahmenwerke zum gesteigerten Schutz von Geflüchteten erarbeitet: Der „Global Compact on Refugees“ (GCR) und der „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“ (GCM).
Der GCM bietet insbesondere Ansätze zur rechtlichen Verbesserung der Situation von Klimageflüchteten. Seine 23 nicht-bindende Rahmenbedingungen sollen eine sichere und geordnete Migration ermöglichen. In Ziel 5(h) plädieren die Staaten für eine Verbesserung der Verfügbarkeit und Flexibilität der Wege für eine reguläre Migration, wobei ausdrücklich auch klimabezogene Migration mit einbezogen wird. Da die Rahmenwerke rechtlich nicht bindend sind, dienen sie vielmehr als Wegweiser, wie Staaten eine sichere und gerechte Migration regeln sollten.
Auch in die Definition von Binnenvertriebenen der UN Guiding Principles on Internal Displacement fallen Menschen, die aufgrund von Naturkatastrophen oder Klimafolgen geflüchtet sind. Dieses 1998 veröffentlichte Dokument ist jedoch lediglich nicht-verbindliches Soft Law, welches bisher nur von den Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union (AU) in der Kampala-Konvention verbindlich umgesetzt wurde. Juristisch wäre es ohne Weiteres möglich, auf dieser Grundlage legale und sichere Fluchtwege zu schaffen, jedoch fehlte bisher der politische Wille. Die EU bewies zuletzt für Geflüchtete aus der Ukraine, dass eine temporäre Schutzregelung schnell möglich ist. Am 4. März 2022 wurde erstmals der in der sogenannten EU-Massenzustromsrichtlinie (EU-TPD) seit 2001 vorgesehene Schutzmechanismus mithilfe der notwendigen einstimmigen Entscheidung des Europäischen Rates aktiviert. Betroffene konnten auf dieser Grundlage sofort und kollektiv – also ohne langwierige Einzelverfahren – aus der Ukraine temporären Schutz in den EU-Mitgliedstaaten suchen. Dasselbe Vorgehen stand zuletzt für Betroffene der verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien in der Diskussion. Eine Entscheidung für Betroffene geophysischer Naturkatastrophen könnte wegweisend für wetterbedingte Extreme werden.
Die Perspektive der feministischen Außenpolitik
Feministische Perspektiven fordern einen Perspektivwechsel, der menschliche Sicherheit intersektional betrachtet und Klimagerechtigkeit berücksichtigt. Denn Vertreibung durch den Klimawandel ist Konsequenz einer Übernutzung natürlicher Ressourcen vorwiegend in Industriestaaten zugunsten von oft nicht marginalisierten, teils weißen Personen, die insbesondere zu Lasten von BIPOC (Black, Indigenous, and People of Color) in Entwicklungsländern geht.
Die von der Bundesregierung gesetzte feministische Außen- und Entwicklungspolitik hat somit Konsequenzen für den Umgang mit klimabedingter Migration. Politische Entscheidungsprozesse sollten demnach die Bedürfnisse vulnerabler Gruppen berücksichtigen, die von klimatischen Veränderungen besonders betroffen sind. Mit der Initiative des „Global Shields“, dem globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken, hat die Bundesregierung einen wichtigen Vorstoß gemacht, der weiter ausgestaltet werden muss. Eine intersektional verstandene menschliche Sicherheit setzt voraus, dass in der Projektplanung und -durchführung insbesondere Personen konsultiert werden, die marginalisiert werden, etwa Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, Kinder, LGBTQI+-Personen, Frauen und gerade Personen, die multiple Diskriminierungen erfahren.
Empfehlungen für die deutsche Klimaaußenpolitik
Zusammenfassend ist es entscheidend, den Schutz von Klimageflüchteten zu stärken und ihre Situation rechtlich zu verbessern. Politik und Fachleute sollten sowohl auf internationaler Ebene als auch innerhalb der EU den politischen Willen aufbringen, sichere und gerechte Migrationsregelungen zu schaffen. Eine intersektional verstandene menschliche Sicherheit sollte dabei im Vordergrund stehen, um die Bedürfnisse marginalisierter Gruppen in den Fokus zu rücken und somit einen inklusiven und gerechten Ansatz in der Bewältigung klimabedingter Migration zu gewährleisten. Die folgenden Empfehlungen dienen zur Umsetzung.
1. Verschiedene Finanzierungsinstrumente nutzen und gezielt für vulnerable Gruppen einsetzen
Die Bundesregierung sollte sich für die Schließung der steigenden weltweiten Finanzierungslücke von Anpassungsmaßnahmen an die wachsenden Folgen des Klimawandels einsetzen. Neben Optionen vor Ort sollte menschliche Mobilität im Kontext des Klimawandels auch als eine Anpassungsstrategie verstanden und unterstützt werden. Dies sollte auch im Rahmen des „Global Shields“ Beachtung finden, etwa durch flexible Versicherungslösungen für Personen, die nicht mehr in den betroffenen Gebieten bleiben können. Initiativen wie die „Platform on Disaster Displacement“, das „Global Centre for Climate Mobility“ und das „Internal Displacement Monitoring Centre“ können hierbei wichtige Expertise zu Guten Praktiken und Standards beitragen, um entsprechende Programmlinien zu entwickeln.
Die Finanzierung der Anpassung in Städten an der Schnittstelle von Klima und Migration ist begrenzt und sollte ausgebaut werden. Ein Großteil der weltweiten Binnenvertriebenen leben schon jetzt in Städten. Migration im Kontext des Klimawandels wird zum Bevölkerungswachstum in vielen Städten in den am wenigsten entwickelten Ländern beitragen. Mechanismen, mit denen auf die spezifischen Bedarfe von Städten und ihren vulnerablen Bevölkerungsgruppen reagiert werden kann, wie der vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützte „City Climate Finance Gap Fund“, oder der „Global Cities Fund on Inclusive Climate Action“ des Mayors Migration Council, sollten deshalb ausgebaut werden.
Wo die Grenzen der Anpassung erreicht werden, braucht es Unterstützung der gefährdeten Bevölkerung bei geplanter Umsiedlung oder Migration. Das Wissen über die Risiken und Folgen des Klimawandels, sollte gefördert und Betroffenen zugänglich gemacht werden, damit diese informierte Anpassungsentscheidungen treffen können. Eine frühzeitig geplante Umsiedlung kann Schäden und Verluste verringern. Es bedarf eines Zusammenspiels verschiedener Finanzierungsmechanismen – von humanitärer Hilfe über Treuhandfonds für einzelne Regionen oder Länder bis hin zu Anleihen oder Sonderziehungsrechten beim Internationalen Währungsfonds (IWF) – um Länder und Betroffene dabei zu unterstützen, erlittene Schäden und Verluste zu adressieren.
2. Klima- und Arbeitsmigration zusammendenken
Arbeitsmigration sollte als pragmatischer Schritt hin zu regulären, sicheren und geordneten Migrationswegen besonders vom Klimawandel betroffenen Menschen ermöglicht werden. Eine Komponente zu Ausbildung und Mobilität von Arbeitskräften könnte ebenso in den entstehenden „Just Energy Transition Partnerships“ aufgenommen werden.
Klimaaußenpolitik als ressortübergreifende Aufgabe sollte daher auch die außenpolitische Dimension der Migrationspolitik einschließen, die der neue Sonderbevollmächtige der Bundesregierung für Migration vorantreiben kann.
3. Bestehende Schutzlücken schließen und Datenbasis stärken
Kurzfristig:
Temporären Schutz durch humanitäre Visa gewähren
Die Bundesregierung sollte denjenigen, die aufgrund von klimawandelbedingten Naturkatastrophen oder Klimafolgen ihren aktuellen Wohnort kurzfristig verlassen müssen, unbürokratisch Möglichkeiten zur Evakuierung und humanitäre Visa auf Kontingentbasis anbieten.
Innerhalb der EU sollte sich die Bundesregierung für eine Verbesserung des Schutzmechanismus der EU-TPD einsetzen und darauf hinwirken, dass keine einstimmige Entscheidung des Europäischen Rates mehr zur Aktivierung des Schutzmechanismus notwendig ist, sondern ein niedrigschwelliges Prozedere.
Mittelfristig:
Multilaterale Foren nutzen, Migrationspartnerschaften anstreben und Datenbasis verbessern
Die Bundesregierung sollte sich für eine Stärkung der Nansen-Agenda einsetzen. Die „Platform on Disaster Displacement“ sollte durch ihr Steering Committee mit einem Umsetzungsbericht der Nansen Protection Agenda von 2015 beauftragt werden. Bis 2025 sollten der Stand der bisherigen Maßnahmen zur Umsetzung analysiert und gegebenenfalls weiterführende Handlungsempfehlungen formuliert werden, die etwa auch die Behandlung von Binnenvertreibung im Kontext des Klimawandels umfassen.
Mehr operative Zusammenarbeit und Koordination auf regionaler Ebene ist nötig. Die regionalen „Initiativen Africa Climate Mobility Initiative“, „Greater Caribbean Climate Mobility Initiative“ und „Rising Nations Initiative“, tragen dazu bei, diese Lücke zu füllen. Multi-Stakeholder Partnerschaften erlauben auf regionaler Ebene zu einer gemeinsamen strategischen Ausrichtung von Aktivitäten und Prioritäten für Finanzierung zu gelangen, wenn Funktionen und Aktivitäten zwischen Institutionen zerstreut sind. Grundlage sollten sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse als auch zivilgesellschaftliche Perspektiven bilden.
Daten zur Klimamigration systematisch verbessern. Da die Datenerfassung in den einzelnen Ländern unterschiedlich gehandhabt wird, sind vergleichende und zusammenfassende Studien schwierig. Datenerhebung sowie -analyse sollten durch internationale Standards stärker vereinheitlicht werden. Das „International Forum on Migration Statistics", oder das in Berlin ansässige Global Data Institute der IOM könnten genutzt werden, um Richtlinien für die Erfassung von Klimamigration zu erarbeiten, damit langfristig Dateninfrastrukturen gestärkt und somit Grundlagen für eine verbesserte Zusammenarbeit in diesem Themenbereich gelegt werden.
Langfristig:
Einsatz für sichere und legale Migrationswege – innerhalb von Staaten und über Staatsgrenzen hinaus
Die Bundesregierung sollte sich langfristig auf der Grundlage der Nansen-Agenda für einen völkerrechtlichen Schutzanspruch von Klimavertriebenen innerhalb von Staaten und über Staatsgrenzen hinaus einsetzen. Der GCM mit seinem International Migration Review Forum bietet die Möglichkeit, globale Fortschritte bei der Ermöglichung regulärer Wege der Migration, insbesondere auch bei klimabedingter Migration, zu diskutieren und nachzuhalten. Deutschland sollte sich für die Umsetzung der Nansen-Agenda hier und in anderen Foren, wie dem „Global Refugee Forum" oder dem Khartoum Process einsetzen. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, Fortschritte bei der Eröffnung regulärer Migrationswege, insbesondere auch bei klimabedingter Migration, zu diskutieren und nachzuhalten.