Waffen, Sanktionen oder Diplomatie?

Wege zur Deeskalation des Konflikts in der Ostukraine

Datum
27 Februar 2015
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Die Nichtregierungsorganisation European Exchange organisierte die Veranstaltung in Kooperation mit dem Robert Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien der DGAP. Als Hauptredner konnten Johannes Regenbrecht, Leiter des Arbeitsstabs Ukraine im Auswärtigen Amt, und Olena Zerkal, stellvertretende Ministerin für Auswärtige Angelegenheiten der Ukraine, gewonnen werden. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Stefanie Schiffer, Geschäftsführerin des European Exchange, Dr. Stefan Meister, Programmleiter Osteuropa, Russland und Zentralasien im Robert Bosch-Zentrum der DGAP, und Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland. Weiteren inhaltlichen Input lieferten zahlreiche hochrangige deutsche und ukrainische Vertreter aus Politik, Think-Tanks, Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft. Dazu zählten beispielsweise Dr. Gernot Erler, Russlandbeauftragter der Bundesregierung, Elmar Brok, MdEP und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, sowie Oksana Syroid, stellvertretende Sprecherin der Werchowna Rada in Kiew.

Neben den Vorträgen der Hauptredner teilte sich die Veranstaltung auf in zwei Panels unter den Titeln „Weltkrieg oder Weltfrieden? – Krisenmanagement im Ukrainekonflikt“ und „Die Rolle von Medien und Zivilgesellschaft bei der Konfliktlösung“. Im Zentrum standen dabei unter anderem die Frage nach möglichen Waffenlieferungen an die Ukraine, die Rolle der OSZE in der Konfliktregion, Russlands mögliche Ziele und Intentionen in Bezug auf die von den Separatisten beanspruchten Gebiete, die Handlungsoptionen der westlichen Staatengemeinschaft zur Unterstützung der ukrainischen Staatsführung sowie eben auch die Frage nach der medialen und zivilgesellschaftlichen Verantwortung zur Beilegung der Krise.

Während der Diskussionen wurde mehrfach deutlich gemacht, dass der Erfolg der innenpolitischen Reformen der Schlüssel für die Stabilisierung der Ukraine ist. Die ökonomische, soziale und politische Stabilisierung des Landes müsse daher das oberste Ziel aller an einer friedlichen Lösung des Konfliktes interessierten Parteien sein.

In Bezug auf die Minsker Verhandlungen wurde unterstrichen, dass es Moskau nicht gelungen sei, ein Gespräch mit der Ukraine in eine Verhandlung über die Ukraine zu verwandeln. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung sei das Umsetzungspaket dabei nicht „Minsk 2“, sondern lediglich die Implementierung der Minsker Vereinbarungen vom 5. September 2014. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sei in der belarussischen Hauptstadt klar gemacht worden, dass dies die letzte Möglichkeit für eine diplomatische und friedliche Lösung sei.

Gleichwohl seien Waffenlieferungen an die Ukraine aus deutscher Perspektive weiterhin keine Option. Sollte sich dennoch ein westlicher Staat für die Lieferung von Verteidigungswaffen entscheiden, könnte dies auch ein Instrument sein, um die Opfer und damit die Kosten des russischen Agierens in der Ostukraine in die Höhe zu treiben. Mehrfach wurde dafür plädiert, den Waffenbegriff breiter zu verstehen und auch moderne Technologien, bessere Schutzmethoden und die Schulung von Soldaten mit einzuschließen. Generell wurde angemahnt, die Waffenlieferungsdebatte differenzierter zu führen.

Im Hinblick auf die Intentionen Russlands wurde die These vorgebracht, dass die von den Separatisten besetzten Gebiete nur Mittel für weitergehende strategische Ziele seien, die letztlich in einer Revision des Systems der Weltordnung nach 1991 münden sollten. Die Ukraine solle dabei aus russischer Sicht in einen mehr oder weniger funktionierenden, aber nicht souveränen Staat umgewandelt werden. Das Ziel der russischen Staatsführung sei es, zum System der beschränkten Souveränität der Nachbarländer zurückzukehren. In diesem Zusammenhang wurde auch von einer „Transnistrisierung“ des Konflikts gesprochen.

Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die OSZE-Mission im Osten der Ukraine vor großen Problemen stehe, da die Rolle der Organisation vor Ort oft missverstanden werde. So sei es nicht an der OSZE, die Vereinbarungen von Minsk umzusetzen; sie solle die Umsetzungen nur beobachten und gegebenenfalls verifizieren. Aber selbst dazu sei die Organisation oftmals nicht in der Lage, weil die Konfliktparteien nicht angemessen kooperierten beziehungsweise keine genauen Standortangaben für Waffen übermittelten.

Als Reaktion auf die von russischer Seite vielfältig eingesetzten Propagandainstrumente solle der Versuch unternommen werden, eine Begrenzung ihrer Wirkung durch Fakten zu erreichen. In keinem Fall solle man zu Gegenpropaganda greifen. Es sei zwar schwierig, sich in die innerrussische Diskussion einzumischen; die Zivilgesellschaft sei aber dennoch in der Lage, der Propaganda der russischen Regierung etwas entgegenzusetzen. Es wurden auch Vorschläge zur Einrichtung von westeuropäischen Fernsehsendern in russischer Sprache vorgebracht, etwa als Gegenpol zu Russia Today. Teilnehmer hoben die hohe technische Qualität und Quantität der russischen Medien hervor. Es wurde aber auch darüber diskutiert, inwieweit die Vertreter der russischen Staatsmedien den inhaltlichen Standards angemessener journalistischer Berichterstattung genügen.

Konrad Schuller, Osteuropa-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, und Juri Durkot, Journalist und Übersetzer aus Kiew leiteten und moderierten die beiden Panels.