Memo

29. Jan. 2025

Internationale Klimafinanzierung ist Eigeninteresse

Chancen für die deutsche Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik
COP29

Ein geschätzter Wirtschaftsschaden von bis zu 900 Milliarden Euro, Tote und Vertriebene, Kriege und Konflikte: Die Folgen klimabedingter Schäden für Deutschlands Wirtschaft, nationale Sicherheit und Außenpolitik steigen. Klimafinanzierung dient somit nicht nur der Unterstützung von Entwicklungsländern, sondern im gleichen Maß strategischen wirtschafts-, außen- und sicherheitspolitischen Interessen von Industrieländern. Durch eine ambitionierte Klimafinanzierung kann Deutschland die Grundlagen für stabile Handelsbeziehungen legen, klimabedingte Sicherheitsrisiken begrenzen und internationales Ansehen gewinnen. Die nächste Bundesregierung sollte in Zusammenarbeit mit der EU und anderen Partnern gemäß den COP29-Zielen Klimafinanzierung bereitstellen, die sich innovative Instrumente, den Abbau klimaschädlicher Subventionen und die Einbeziehung des Privatsektors zunutze macht.

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Ziel

Der sicherheitspolitische Impetus, einen Beitrag zum internationalen Klimaschutz zu leisten, ist offenkundig: Um gefährliche Klimafolgen noch abzuwenden, ist ein beispielloses Maß an globaler Zusammenarbeit erforderlich. Dass Donald Trump als eine seiner ersten Amtshandlungen erneut den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen verkündet hat, erhöht den Druck auf die neue Bundesregierung, sich im Vorfeld der COP30-Verhandlungen frühzeitig und stark für den internationalen Klimaschutz zu positionieren. Auf dem Klimagipfel in Baku wurde 2024 ein neues globales Klimafinanzierungsziel beschlossen: Bis 2035 soll das jährliche Volumen auf 300 Milliarden Dollar anwachsen. Dabei sollte die Bereitstellung des deutschen Beitrags nicht nur als Belastung für den strapazierten Haushalt wahrgenommen werden, sondern als strategische Investition, nicht zuletzt, um wichtige Partnerschaften mit anderen Ländern zu stärken und für den Schutz der globalen Gemeingüter zu mobilisieren. Die Unterstützung vulnerabler Staaten stärkt die globale Stabilität, mildert die Auswirkungen von Extremwetterereignissen und dient somit den langfristigen wirtschaftlichen, außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands.

Ausgangslage: Gefahren und Chancen für die Wirtschaft

Der Klimawandel stellt eine erhebliche Bedrohung für die globale und deutsche Wirtschaft dar. Die Weltwirtschaft muss bis 2050 mit einem Einkommensverlust von 19% rechnen, selbst bei sofortiger Emissionsreduktion. Die prognostizierten Schäden übersteigen die Kosten für die Begrenzung der globalen Erderwärmung auf 2°C um das Sechsfache. Bis 2050 könnten die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels Deutschland bis zu 900 Milliarden Euro kosten, wobei die genauen Kosten schwer abzuschätzen sind und je nach Quelle variieren. Diese hängen von politischen Entscheidungen, geophysikalischen Gegebenheiten und sozialen Faktoren ab. Nicht zuletzt drohen hohe menschliche Verluste, wenn es zu Todesopfern durch Hitzewellen und Überflutungen kommt oder Kulturlandschaften verschwinden.

Bis 2050 könnten die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels Deutschland bis zu 900 Milliarden Euro kosten. 

Klimabedingte Extremwetterereignisse können wichtige Handelsrouten und Lieferketten unterbrechen, was sowohl deutsche Exporte als auch Importe erheblich beeinträchtigen würde. Eine sinkende Nachfrage aus klimavulnerablen Ländern könnte die exportorientierte deutsche Wirtschaft belasten, das Handelsvolumen reduzieren und die Exporterlöse mindern. Die Risiken für Importe nach Deutschland sind ebenfalls erheblich, da knapp ein Zehntel der Nahrungs- und Futtermittelimporte aus klimavulnerablen Ländern stammt. Steigende Importpreise für landwirtschaftliche Produkte sind bei wachsenden Klimaschäden zu erwarten. Proaktive Klimafinanzierung könnte die Stabilität von Handelsbeziehungen sichern und Kostensteigerungen bei Importen abmildern, was der deutschen Wirtschaft zugutekommt.

Deutschland kann wirtschaftlich von der klimaneutralen Transformation anderer Länder profitieren. Klimafinanzierung, die grüne Technologien und Infrastruktur fördert, eröffnet neue Geschäftsmöglichkeiten und kann Deutschlands Positionierung für saubere Energietechnologien stärken. Letzteres ist auch in Anbetracht des Wettbewerbs mit China von entscheidender Bedeutung.

Chancen für außenpolitische Interessen

Angesichts der aktuellen geopolitischen Veränderungen und anhaltenden Unsicherheiten stellt ein verstärktes Engagement Deutschlands in der internationalen Klimapolitik eine strategische Chance dar, das Vertrauen anderer Staaten in Multilateralismus und Völkerrecht zu stärken. Beiträge für die internationale Klimafinanzierung wirken sich auch positiv auf andere außen- und sicherheitspolitische Ziele Deutschlands aus, wie etwa auf die Bewerbung Deutschlands um einen nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat für 2027. Darüber hinaus können grüne Partnerschaften der energiepolitischen Abhängigkeiten Deutschlands entgegenwirken und Vertrauen zu Entwicklungsländern und aufstrebenden Mächten, etwa Brasilien und Indien, aufbauen.

Integrierte Sicherheit

Deutschlands Sicherheitsinteressen
sind eng mit regionaler und globaler Stabilität verwoben, wobei der Klimawandel in vielen Regionen eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Der Klimawandel birgt nicht nur unmittelbare Risiken für menschliche Gesundheit und kritische Infrastrukturen, sondern trägt auch zur Zunahme von Armut, unfreiwilliger Migration, sozialen Spannungen und gewaltsamen Konflikten im Ausland bei, die sich durch Spillover-Effekte auch auf die nationale Sicherheit Deutschlands auswirken können. Darüber hinaus stellen geopolitische Entwicklungen, die zum Teil durch den Klimawandel geprägt sind, neue Herausforderungen in Form von zwischenstaatlicher Konkurrenz dar, zum Beispiel um Fischerei, die Arktis (Rohstoffgewinnung und neue Seetransportrouten) und kritische Rohstoffe. Durch ambitionierte Klimafinanzierung könnten diese sicherheitspolitischen Risiken verringert und mit Partnerstaaten Kooperationen für ihre Bewältigung gefestigt werden.

Aus oben genannten Gründen ist Klimafinanzierung somit zentral für die deutsche Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik. Neben den notwendigen inländischen Investitionen im Bereich der Nachhaltigkeitstransformation braucht Deutschland Partner, um Klimaschäden vorzubeugen. Aber auch die Ermöglichung einer Anpassung an den Klimawandel ist wichtig für die internationalen Lieferketten. 2023 leistete Deutschland einen Beitrag von 5,7 Milliarden Euro aus öffentlichen Mitteln, wozu sowohl Zuschüsse als auch Kredite zählen. Im Jahr 2023 waren in der bilateralen Klimafinanzierung Deutschlands weniger als die Hälfte (42%) Zuschüsse. Zudem könnte die Bundesregierung ihr Ziel verfehlen, ab 2025 mindestens 6 Milliarden Euro bereitzustellen.

Nächste Schritte

1. Klimafinanzierung: Ziel einhalten und schrittweise erhöhen

Deutschland sollte sein Ziel von 6 Milliarden Euro für die Klimafinanzierung im Jahr 2025 einhalten und eine langfristige Verpflichtung zur Steigerung auf 10 Milliarden Euro bis 2030 eingehen, um so seine Verhandlungsposition für die COP30 zu stärken und ein klares Engagement für die Erreichung der „Sustainable Development Goals“ zu signalisieren. Zudem sollten durch das Bereitstellen von wirtschaftlichen Anreizen wie Garantien private Investitionen weiter gefördert werden. Dies ist auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Priorisierung von Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit wichtig, denn Klimafinanzierung fördert ebendiese.

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2. Abbau klimaschädlicher Subventionen und Steuervorteile

Zur Haushaltsentlastung ist der Abbau klimaschädlicher Subventionen und Steuererleichterungen erforderlich – Deutschland hatte sich bereits im Rahmen der G7 dazu verpflichtet, fossile Subventionen bis 2025 abzubauen. Das sollte eingehalten werden. Die neue Bundesregierung sollte zudem neue Einnahmequellen prüfen und sich zum Beispiel für die Einführung einer harmonisierten Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent auf EU-Ebene einsetzen. Diese könnte im Zuge der bestehenden „verstärkten Zusammenarbeit“ unter 10 Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, vorangetrieben werden.

3. Mittel gezielter nach Klimavulnerabilität & strategischen Interessen priorisieren

Die begrenzten Finanzmittel der deutschen internationalen Klimafinanzierung sollten, neben der Förderung multilateraler Institutionen und Kooperationen wie den Just Energy Transition Partnerships (JETPs), in der bilateralen Zusammenarbeit gezielt eingesetzt werden. Dabei müssen die Klimavulnerabilität und die entsprechenden Bedürfnisse der Staaten einerseits und Deutschlands strategische Prioritäten andererseits berücksichtigt werden. Fragile Staaten mit besonderer Klimavulnerabilität und geopolitischer Bedeutung, wie beispielsweise der Sahel, sollten daher vorrangig berücksichtigt werden.

4. Klimapartnerschaften mit anderen Ländern vorantreiben

Deutschland könnte gemeinsam mit staatlichen und nichtstaatlichen Partnern seine Bemühungen in der Anpassungsfinanzierung ausweiten, indem es in besonders von Klimafolgen und Fragilität betroffenen, ähnlich gesinnten Staaten und schwachen Demokratien „Climate Security Partnerships“ aufbaut und so die Grundlage für Stabilität stärkt. Erste Lernerfahrungen aus den JETPs sollten dabei einbezogen werden.

5. Klimarisikoversicherung in vulnerablen Regionen fördern

Ähnlich zu den Vorhaben zur Einführung einer privaten Klimarisikoversicherung auf nationaler Ebene sollte Deutschland als Mitinitiator sein Engagement im Rahmen des „Global Shield against Climate Risks“ fortsetzen und insbesondere die Einführung einer Klimarisikoversicherung für Kleinbauern in klimavulnerablen Regionen fördern.

Bibliografische Angaben

Fahimi, Abdullah, Sima Bulut, Anna Sperber, and Kira Vinke. “Internationale Klimafinanzierung ist Eigeninteresse.” DGAP Memo 9 (2025). German Council on Foreign Relations. January 2025.

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