Policy Brief

03. März 2025

Deutsch-französische Führung für ein souveränes Europa

Die Deutsch-Französische Brigade kann zeigen, ob der politische Willen dafür reicht
Deutsch-französische Brigade
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Seit Donald Trumps Rückkehr ist klar: Das europäische Einigungsprojekt ist existenziell gefährdet. Gelingt es den Europäern angesichts des anhaltenden Krieges in der Ukraine und schwindenden US-Sicherheitsgarantien nicht, verteidigungspolitisch souverän zu werden, werden die Integrationsbereitschaft im Inneren und die Attraktivität der EU nach außen weiter erodieren. Deutschland und Frankreich können das verhindern. Ob der politische Wille dafür reicht, lässt sich am Umgang mit der Deutsch-Französischen (DF) Brigade ablesen.

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Der Gründungskontext der Brigade, am Ende des Kalten Krieges, ist mit der aktuellen Situation vergleichbar und zeigt: Die Europäer haben mehr als dreißig Jahre Zeit zur Stärkung ihrer Sicherheit verloren.
Die Bundesregierung muss einen strategischen Dialog zur Sicherheit Europas beginnen, erst mit Frankreich, dann mit weiteren EU-Partnern. 
Seit Trumps Wahlsieg ist wieder von einer „EU-Armee“ die Rede. Die ist derzeit völlig unrealistisch. Die DF-Brigade wird zeigen, wie europäische Verteidigung langfristig integriert werden kann – und die NATO europäisiert.
Der Verband ist prädestiniert, in Osteuropa deutsch-französische Führung zu demonstrieren – eingebettet in NATO-Strukturen und in enger Abstimmung mit Partnerstaaten vor Ort. 

Drei verlorene Jahrzehnte für Europas Sicherheit


Die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz hat die schlimmsten Befürchtungen der Europäer bestätigt. Kurz vor der Konferenz stellte der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth klar: Die USA werden zukünftig „nicht in erster Linie auf die Sicherheit Europas fokussiert sein“. Auch US-Vizepräsident JD Vance bekräftigte in einer kontroversen Rede in München: „In den kommenden Jahren ist es wichtig, dass Europa sich in großem Umfang für seine eigene Verteidigung einsetzt“. Er warf europäischen Regierungen mangelndes Demokratieverständnis vor und befand, Europas Sicherheit werde nicht zuerst von Russland oder China bedroht, sondern von innen heraus. Präsident Trump sei überzeugt, dass die Europäer „eine größere Rolle für die Zukunft des Kontinents spielen müssen“, während Amerika sich auf Regionen der Welt konzentriere, „die in großer Gefahr seien“.

Nach dem Schock könnte Druck aus den USA die EU-Integration und die Europäisierung der NATO vorantreiben. Friedrich Merz, der wahrscheinlich künftige Bundeskanzler, sagte noch am Wahlabend, es sei nun absolute Priorität, Einigkeit herzustellen und Europa so zu stärken, „dass wir Schritt für Schritt Unabhängigkeit erreichen von den USA“. An der DF-Brigade – einem 1987 beschlossenen und 1989 aufgestellten deutsch-französischen Verband – wird sich ablesen lassen, ob die Politik diesmal wirklich bereit ist, Europas Souveränität zu stärken. Die aktuelle Situation ist mit der Gründungszeit der Brigade, am Ende des Kalten Krieges, durchaus vergleichbar. Denn dass Ende der 1980er Jahre eine verteidigungspolitische Annäherung zwischen Berlin und Paris gelang, hing mit Sorgen vor der Schwächung der US-Sicherheitsgarantien zusammen. 

Die Wiederwahl Trumps und Drohungen aus Washington, die US-Präsenz in Europa zu reduzieren, lösen heute vergleichbare Ängste aus. Ein Rückblick macht deutlich, dass die Europäer mehr als dreißig Jahre verloren haben. 1983 hatte der französische Präsident François Mitterrand anlässlich des Jubiläums des Élysée-Vertrags mehr Zusammenarbeit gefordert. Vier Jahre später demonstrierten im Rahmen der Übung „Kecker Spatz“ 20.000 französische Soldaten mit 55.000 Bundeswehrsoldaten Einsatzbereitschaft – außerhalb der NATO-Kommandostrukturen. Mitterrand nutzte einen Besuch der Übung mit Helmut Kohl, um die Gründung eines deutsch-französischen Verteidigungsrats vorzuschlagen. Kohl stimmte zu. Der Kanzler war aber bemüht, Sorgen der NATO-Partner und besonders der USA zu zerstreuen, es würden europäisch-autonome Wege eingeschlagen.
Ähnliche Bedenken haben deutsche Politiker vor der zurückliegenden US-Wahl erneut davon abgehalten, mit Paris einen Dialog zur Stärkung der europäischen Sicherheit zu beginnen. Dort hatten Politiker in Erwartung der möglichen Rückkehr Trumps vergeblich darauf gedrängt, Alternativen zu US-Garantien zu diskutieren – konventionell und nuklear. 1989 ließ sich das Zögern in Berlin mit Reflexen aus dem Kalten Krieg erklären. Heute ist es unzeitgemäß, verkennt Veränderungen der internationalen Politik und gefährdet Europas Sicherheit. Kaum ein US-Politiker stört sich noch an Debatten zur Souveränität Europas. Im Gegenteil: JD Vance forderte sie auf der Münchner Sicherheitskonferenz schon 2024.

Politische Symbole endlich nutzen

Für die Stärkung der europäischen Souveränität bleiben deutsch-französische Initiativen unersetzlich. Grundlage müssen die Institutionen sein, die im Kalten Krieg geschaffen, seitdem aber nie genutzt wurden: Erstens der Deutsch-Französische Sicherheits- und Verteidigungsrat (DFSVR), 1988 über ein Zusatzprotokoll zum Elysée-Vertrag begründet. Zweitens die DF-Brigade, ein Jahr später der erste binationale Großverband Europas. Die beiden Regierungen seien „überzeugt, dass die europäische Einigung nicht vollständig sein wird, solange sie nicht […] Sicherheit und Verteidigung einschließt,“ hieß es 1988 in der Präambel des DFSVR-Protokolls. 

Passiert ist seither wenig. Vor dem Hintergrund der Rückkehr Trumps könnten der DFSVR und die DF-Brigade heute große Bedeutung haben. Da sie aber nie ihrer Gründungsidee als „europäischer Pfeiler“ der NATO entsprechend weiterentwickelt wurden, spielen sie keine Rolle. Die Brigade steht symbolisch für die gescheiterte Integration europäischer Verteidigungspolitik. Zwar schätzen die Generalstäbe sie als militärisch sehr wertvoll ein. Tausende deutsche und französische Brigadesoldaten wurden in Einsätze geschickt. Doch gemeinsam wurde der Verband nie eingesetzt, wirklich integriert sind nur die Stäbe. 

Wie durch ein Brennglas lässt sich an diesem Verband die Zukunft europäischer Verteidigungspolitik ablesen.

Wie durch ein Brennglas lässt sich an diesem Verband deshalb die Zukunft europäischer Verteidigungspolitik ablesen: Erfolgt in Zukunft eine Nutzung mit militärischem Mehrwert, könnte ein neues Kapitel aufgeschlagen werden. Die Brigade hätte damit das Potenzial, Speerspitze einer Erneuerung der deutsch-französischen Beziehung und langfristig der europäischen Integration zu sein. Stellt sich jedoch heraus, dass sie keinen militärischen Wert hat, sollte sie als politisches Symbol aufgelöst werden. Im Umgang mit dem Verband werden sich also im Kleinen Rückschlüsse auf die Frage ziehen lassen, wie die souveräne Verteidigung Europas zukünftig aussehen könnte.

Gestern wie heute: Drei Kernfunktionen der Brigade

Mit der Brigade waren bei der Aufstellung drei Erwartungen verbunden, die heute aktueller sind denn je.  Sie war erstens eine binationale operative Einheit, zweitens ein deutsch-französisches Symbol, ausdrücklich in die Zukunft gerichtet und schließlich, drittens, ein Testfeld für die Zusammenarbeit europäischer Streitkräfte. 

1. Binationaler Verband mit militärischem Wert 

Neben der politischen Symbolik verbanden sich auch konkrete militärische Ziele mit der Brigade. Deutsche und französische Regierungen haben seit der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags 1963 betont, Doktrinen annähern und gemeinsam Strategien entwickeln zu wollen. Austauschprogramme für Soldaten und Beamte existieren seit Jahrzehnten. Die DF-Brigade schien diese Ziele neu zu bündeln. Anlässlich eines Besuchs erinnerte der deutsche Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg 1990 daran, dass die Brigade neben der politischen Symbolik auch einen „konkreten militärischen Auftrag“ habe. 

Die Episode ruft die Daseinsberechtigung der Brigade in Erinnerung, abseits politischer Symbolik. Der Verband blickt heute auf eine lange Einsatzgeschichte zurück. Einheiten wurden in mehrere Missionen der Friedenssicherung entsandt: Mit der UN-Stabilisation Force (SFOR) 1996 und 2002 in Bosnien, im Rahmen der Kosovo-Truppe (KFOR), 1999, 2000 und 2009. Es folgten Einsätze zur Stabilisierung und Ausbildung verbündeter Kräfte in Afghanistan, 2004, 2005 und 2009. Statt Annäherung zu bringen, zeigten die Einsätze aber vor allem Unterschiede der strategischen Kulturen Frankreichs und Deutschlands. Zuletzt zeigten die sich zwischen 2014 und 2020 in Mali: Während Franzosen im Rahmen der Mission Barkhane Terroristen bekämpften, leiteten Deutsche Kontingente der EU-Trainingsmission EUTM und UN-Stabilisierungsmission MINUSMA. Auf dem Papier war die DF-Brigade in Mali im Einsatz. Auf Wunsch der Politik waren die Soldaten aber „fein separiert […] mit sehr unterschiedlichen Aufgaben“. 

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine soll die Brigade verstärkt an der Ostflanke der NATO präsent sein. Schon 2018 stellte das deutsche Jägerbataillon 292 im Rahmen der NATO-enhanced Forward Presence (eFP) den Kern der Battlegroup in Litauen. Die DF-Brigade vereint alle Fähigkeiten für Kampfeinsätze. Infanterie- und Kavallerieregimenter werden von Artillerie-Einheiten, Pionieren und einem deutsch-französischen Regiment für Logistik unterstützt. Im Kalten Krieg wurde der Verband als strategische Reserve der NATO-Heeresgruppe Mitte konzipiert. Heute könnte er Missionen zur Flankensicherung oder Sicherung des Rückraums an der Ostflanke übernehmen. Was aber weiterhin fehlt, ist eine gemeinsame Definition militärischer Ziele und der Einsatzszenarien.

2. Symbol der strategischen Annäherung 

Neben ihrem militärischen Wert hatte die Aufstellung der DF-Brigade in der Endphase des Kalten Krieges auch eine Signalwirkung. Bonn wagte erste Schritte hin zu europäischen Fähigkeiten außerhalb der NATO und entsprach damit alten französischen Forderungen. Für Paris signalisierte die Aufstellung der Brigade 1989 die deutsche Bereitschaft, nach Jahrzehnten des Systemkonflikts und der Abhängigkeit von US-Garantien nun europäische Souveränität zu erreichen. Die Rückkehr Trumps wiederholt nun diese Dynamik. Die Antwort des deutschen Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage aus dem Bundestag von 1988 könnte kaum aktueller sein: „Deutsche und Franzosen haben sich darauf verständigt […], den europäischen Pfeiler des atlantischen Bündnisses zu stärken und zugleich dem europäischen Einigungsprozeß als Motor zu dienen“. 

Dass den Worten nie Taten folgten, lag an einem Missverständnis, das nie ausgeräumt wurde. In Paris rechneten viele Politiker 1989 mit dem Ende der NATO. Claude Martin, Botschafter in Deutschland a.D., schreibt in seinen Memoiren, die Allianz, als Reaktion auf die sowjetische Bedrohung geschaffen, hätte mit ihr „verschwinden müssen“. Paris sah den Moment gekommen, der US-Hegemonie zu entkommen und eine souveräne EU-Verteidigung aufzubauen. Historiker bestätigen, dass die französische Regierung die DF-Brigade als „klare Botschaft an Washington“ sah, die von „deutschen Verantwortlichen […] als solche verstanden wurde“. Doch Berlin verfolgte völlig andere Ziele: Mit seiner Zustimmung wollte Kohl die französischen Streitkräfte, die bisher nicht in die NATO-Vorneverteidigung eingebunden waren, näher an eine potenzielle Front bringen. 

3. Testfeld europäischer Streitkräfte-Kooperation der Zukunft

Die Erwartungen an die Brigade als Ausgangspunkt europäischen Integration waren also von Beginn an verfehlt. Mitterrand und Kohl hatten den Verband 1989 zwar als „Embryo“ europäischer Kooperation bezeichnet. Grundsätzliche Differenzen im Verhältnis zu den USA wurden aber seither nie ausgeräumt. Heute gibt es zwar viele Beispiele für andere bi- und multinationale Zusammenarbeit in Europa – das deutsch-niederländische Korps, Kooperationen des belgischen und französischen Heeres. Die Geschichte europäischer Integration legt aber nahe, dass die verteidigungspolitische Souveränität Europas ohne eine Einigung Deutschlands und Frankreichs nicht gelingen wird.

Diese Einigung scheiterte bereits 1952. Deutschland hatte mit Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) gründen wollen. Doch französische Abgeordnete verhinderten die Gründung, weil sie die nationale Souveränität Frankreichs bedroht sahen. Vierzig Jahre später wurde mit dem Eurokorps erneut versucht, europäische Fähigkeiten zu stärken. Aufbauend auf der DF-Brigade, ist der Stab als NATO-Krisenreaktionskorps zertifiziert, könnte im Kriegsfall bis zu 60000 Soldaten kommandieren. Doch wieder waren die Motive fast gegensätzlich: Während man das Korps in Berlin 1992 als Signal für die Wiederannäherung Frankreichs an die NATO begriff (Paris trat dem militärischen Kommando des Bündnisses erst 2009 wieder bei), symbolisierte es für Paris einen weiteren Schritt hin zur souveränen, von den USA unabhängigen Verteidigung. 

2025 sollte endlich entschieden werden, ob bi- und multilaterale militärische Zusammenarbeit auf der Brigadeebene eine Zukunft hat.

Nun lebt seit Trumps Wahlsieg die Idee einer EU-Armee wieder auf. Experten warnen aber, dass sie im aktuellen Umfeld völlig unrealistisch sei, eher „Zwietracht und Verhärtungen hervorrufen“ dürfte. Gleichzeitig besteht die DF-Brigade als binationaler Großverband fort, bleibt ein Labor für bi- und multilaterale Zusammenarbeit. Solange sie existiert, lebt auch ihr Gründungsgedanke als Keimzelle einer europäischen Armee weiter. 2025 sollte endlich entschieden werden, ob bi- und multilaterale militärische Zusammenarbeit auf der Brigadeebene eine Zukunft hat – oder angesichts der dramatischen Sicherheitslage in Europa als Symbolpolitik eingestellt werden muss.

„Strategische Solidarität“ bleibt unklar

Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine wurde in Berlin und Paris wiederholt betont, der Brigade eine operative Rolle zuweisen zu wollen. Der Verband wird als Werkzeug für die Projektion „deutsch-französischer Solidarität“ beschrieben. Eine Ministerratserklärung von 2023 verwies auf die Erfüllung nationaler Zusagen in EU und NATO. Nach üblichen Phrasen zur „Stärkung der europäischen strategischen Kultur“, der „Unterstützung des europäischen Pfeilers der NATO“ und einer „Zusammenarbeit zwischen EU und NATO“ folgte die Ankündigung, Brigadeeinheiten nach Litauen und Rumänien entsenden zu wollen, wo Deutschland und Frankreich als NATO-Rahmennationen aktiv sind. Die nationalen Ansätze unterscheiden sich aber massiv: Berlin setzt in Litauen auf die Anbindung an die USA, Paris sieht seine Präsenz in Rumänien als Test für die Europäisierung der NATO. 

Die Rolle der DF-Brigade bliebe damit wieder unklar. Im Mai 2024 wurde ihr Kommando nach Litauen verlegt. Die Schlussfolgerungen des parallel stattfindenden letzten DFVSR-Treffens erwähnen den Verband, ohne aber präzise militärische Aufgaben zu definieren. Im Januar 2025 unterzeichneten die Verteidigungsminister bei einem Treffen in Paris eine Absichtserklärung, die die Brigade befristet dem NATO-Kommando unterstellt. Neben national geleisteten Beiträgen im Rahmen der eFP soll gemeinsam Präsenz an der NATO-Ostflanke gezeigt werden. 

Der Schritt entspricht zwar strategisch-politischen Zielen, die seit Aufstellung der Brigade regelmäßig formuliert wurden. Mit der Unterstellung französischer Einheiten unter NATO-Kommando kommen die Verbündeten in Paris den historischen Erwartungen ihrer Partner in Berlin entgegen. Gleichzeitig wird sie französischen Wünschen gerecht, die DF-Brigade als Labor für europäische Souveränität zu nutzen. Wieder werden jedoch keine Einsatzszenarien definiert. Der Verband wird weiter politisch genutzt, nicht jedoch für die militärische Abschreckung Russlands. 

Die Integration der Brigade in NATO-Strukturen ist zu Beginn der zweiten Amtszeit Trumps ein politisches Signal.

Empfehlungen

Die Integration der Brigade in NATO-Strukturen ist zu Beginn der zweiten Amtszeit Trumps ein politisches Signal. Dass sie im „geschützten Raum“ des Bündnisses an der Ostflanke bald dem Kommando eines polnischen Generals unterstellt sein könnte, entspricht den politischen Bestrebungen, das Weimarer Dreieck als Impulsgeber zu positionieren. Der Verband hat das Potenzial, den historischen Erwartungen als Kristallisierungspunkt des europäischen Pfeilers der NATO gerecht zu werden. 
Meint es die nächste Bundesregierung ernst mit europäischer Souveränität, sollte sie:

1. Einen strategischen Dialog mit Frankreich beginnen

Die Einbindung der DF-Brigade in die zukünftigen europäischen Sicherheitsgarantien für die Ukraine könnte als militärischer Impuls eine Chance für die Integration Europas sein. Bisher blickten französische Militärs angesichts der Anforderungen an eigene Streitkräfte misstrauisch auf die Brigade, kritisierten, sie „weise mit ihrer starken Heereskomponente zurück in die Zeit des Kalten Krieges“. Nun ist dieses Profil Maßstab der Modernisierung, vor allem im Heer. Thierry Burkhard, aktuell Generalstabschef, kündigte als Heereschef 2019 an, dessen Struktur völlig zu überdenken. 2020 forderte er, „wieder zu lernen, große Einheiten vom Typ Brigade und Division zusammen manövrieren zu lassen“. Burkhard hat zuletzt angekündigt, verstärkt Soldaten in NATO-Verwendungen einzusetzen. 
Diese Impulse müssen dringend von einem politischen Dialog auf höchster politischer Ebene begleitet werden. Emmanuel Macron hat mit der Rede auf der Globsec-Konferenz in Bratislava einen französischen „Pivot nach Europa“ eingeleitet. Statt „strategischer Autonomie“ rückt der „europäische Pfeiler in der NATO“ in den Vordergrund, Diplomaten sprechen von der „Bratislava-Agenda“. Die Notwendigkeit einer französischen Wende – weg von Auslandseinsätzen, hin zur Verteidigung Europas – haben viele Politiker und Teile der Verwaltung erkannt. Abgeordnete fordern stärkeres Engagement in der NATO, der Rechnungshof rief 2023 die Ministerien auf, zivile und militärische Karrieren in der Allianz zu fördern.  
Aus deutscher Sicht hat sich damit ein historisches Fenster geöffnet. Frankreich könnte an die NATO herangeführt und stärker in einem kollektiven Westen verankert werden, der durch die US-Drohungen geschwächt scheint. Dass in Paris eine historische militärische und politische Wende im Raum steht, wurde in Berlin bisher nicht ausreichend erkannt. Ihre Nachhaltigkeit ist jedoch keinesfalls sicher und es liegt im strategischen Interesse Deutschlands, sie zu fördern und zu verstetigen. Die nächste Bundesregierung muss so schnell wie möglich einen strategischen Dialog mit Paris beginnen. Als Plattform für Gespräche auf Ministerebene drängt sich der DFSVR auf. 

2. E5-Gespräche verstetigen und Angebote machen

Die Annäherung der strategischen Ausrichtung Deutschlands und Frankreichs wurde seit 1963 regelmäßig gefordert, aber nie konsequent umgesetzt. Angesichts der Reduzierung der US-Sicherheitsgarantien in Europa und der prekären Lage der Ukraine hängt heute die Sicherheit Europas davon ab. Im November 2024 trafen sich auf deutsch-französische Initiative hin Vertreter der Verteidigungsministerien fünf europäischer Staaten: Italien, Polen, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Vielstimmig wurde zuletzt der Aufbau eines „sicherheitspolitischen Kerneuropas“ gefordert. Europa ist vor dem Hintergrund russisch-amerikanischer Verhandlungen in Riad gezwungen, Sicherheitsgarantien für die Ukraine und eine effektive Abschreckung gegen Russland nach der möglichen Waffenrufe zu planen. Europäische Bodentruppen werden von den europäischen Nuklearmächten Großbritannien und Frankreich nicht mehr ausgeschlossen.

Die nächste Bundesregierung wird gemeinsam mit Frankreich und weiteren Partnern ein Angebot formulieren müssen, das die ukrainische Sicherheit stärkt und den US-Rückzug aus Europa moderiert. Die DF-Brigade könnte Teil dieses Angebots sein – allerdings nur, wenn sie echten militärischen Mehrwehrt generiert und sich nicht in politischen Signalen erschöpft. Die Zeit der Symbolpolitik ist definitiv vorbei: Wenn die Erfahrung der Brigade zeigt, dass europäische Streitkräftekooperation nur auf Divisions- bzw. Korps-Ebene Sinn macht, wie Experten zu bedenken geben, sollten Strukturen der D-F Brigade aufgelöst und der binationale Stab entsprechend weiterentwickelt werden.
Die Bundespolitik muss beweisen, dass sie, anders als Ende der 1980er Jahre, tatsächlich das Ziel verfolgt, europäisch souverän zu werden – die französischen Partner drängen seit Jahrzehnten darauf. Und anders als im Kalten Krieg scheint diese Entwicklung im Umgang mit der Trump-Administration der vielversprechendste Weg, um die Reduzierung der US-Sicherheitsgarantien zu bremsen und Zeit zu gewinnen.


Dieser Policy Brief beruht in Teilen auf den Diskussionen, die im Rahmen eines Kolloquiums im Mai 2024 in Straßburg stattgefunden haben. Organisiert wurde es gemeinsam von der DGAP und dem Comité d’études des relations franco-allemandes (CERFA) des Institut Français des Relations Internationales (IFRI).

 

 

 

 

Bibliografische Angaben

Ross, Jacob, and Nicolas Téterchen. “Deutsch-französische Führung für ein souveränes Europa.” German Council on Foreign Relations. March 2025.

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