Der Gazprom-Vorstandsvorsitzende Alexei Miller und der russische Energieminister Alexander Nowak zum europäischen Energiemarkt
Auf der Konferenz sprachen führende russische und europäische Energieexperten sowie Politiker und Vertreter internationaler Energieunternehmen: Der Gazprom-Vorstandsvorsitzende Alexei Miller kündigte eine neue Energiestrategie Russlands gegenüber der EU an; der russische Energieminister Alexander Nowak betonte die Veränderungen durch die Ukrainekrise. Es wurde deutlich, dass die russische Seite dem EU-Markt weiterhin eine große Bedeutung für den Export von Gas und Öl beimisst, aber auch infolge der aktuellen Krise versucht, sich bei ihren Exporten stärker in Richtung Asien zu diversifizieren.
Ziel der Veranstaltung war, dem Dialog zwischen Russland und der EU im Energiebereich wieder neue Impulse zu geben. Eines der Hauptthemen war die EU-Strategie zur Energiediversifizierung. Das dritte Energiepaket der EU soll zu einer Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte innerhalb der Union führen und die Verbraucherrechte stärken, was direkte Auswirkungen auf die Nachfrage und somit auch auf die Preise von Energieträgern auf dem europäischen Markt hätte. Außerdem erlaubt der Import von Flüssiggas (LNG), Energieträger flexibel einzukaufen und ohne die üblichen Gasleitungssysteme an die Orte zu liefern, an denen sie benötigt werden. Durch diese Flexibilität wird langfristig mit einem erhöhten LNG-Anteil am europäischen Energiemarkt gerechnet; die Bedeutung von Pipelines, insbesondere aus Russland, wird somit sinken.
Natürlich hat seit dem Beginn der Ukrainekrise die politisch angespannte Situation zwischen Russland und der Europäischen Union sich auch auf die Kooperation im Energiesektor ausgewirkt, vor allem aufgrund des Gastransports durch die Ukraine und der Sanktionen gegenüber Russland. Als Reaktion auf diese Entwicklung äußern nun Produzenten wie Gazprom, sie würden ihre Strategie mehr in Richtung der eurasischen und asiatischen Märkte auslegen, wo sie langfristig größere Gewinne und höhere Preise erwarten. Alexei Miller kritisierte die europäische Handlungsweise gegenüber Russland und die Auflösung des bestehenden Modells der Energiebeziehungen. Er warf den europäischen Partnern vor, Energie als ein politisches Instrument zu missbrauchen und dabei alle Risiken – wie Förderung, Vertrieb und Transport – auf die russischen Partner abzuwälzen und sich nicht an Investitionsprojekten zu beteiligen. Diese Investitionslücke werde zwar von Gazprom gefüllt, so Miller, jedoch sei dies für die russische Seite langfristig keine akzeptable Lösung. Deshalb werde sich der Konzern darauf konzentrieren, zukünftig an der Grenze zur EU Knotenpunkte („hubs“) zu bauen und die Verantwortung für den Weitertransport den EU-Mitgliedstaaten und Unternehmen überlassen. Miller forderte langfristige Verträge mit einem gesicherten Absatz auf dem europäischen Markt, da sonst der Vektor des eurasischen Marktes stärker verfolgt werden würde. Außerdem kritisierte er den EU-Ansatz, bilaterale Preisverhandlungen im Rahmen einer Energieunion zwischen Russland und der EU aufbauen zu wollen, wodurch ein gleicher Preis für alle EU-Mitglieder ausgehandelt und die Verhandlungsposition kleinerer Länder verbessert werden solle. Miller sagte, dass ein so ausgehandelter Preis höher sein würde als etwa der, den die deutsche Wirtschaft derzeit zahlt; Gazprom würde einem niedrigeren Preis nicht zustimmen.
Alexander Nowak äußerte sich zur gleichberechtigten Beachtung der Interessen der Produzenten und Konsumenten von Energieressourcen: Russische Partner fühlten sich auf dem europäischen Energiemarkt durch die EU-Entscheidungsträger benachteiligt, da diese keine gleichwertigen Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer schüfen. Er sprach sich für eine Entpolitisierung der Energiebeziehungen zwischen der EU und Russland aus.
Europäische Wirtschaftsvertreter verwiesen wiederum auf die Vertrauenskrise im Verhältnis zu Russland, die viele Investitionsprojekte erschwere beziehungsweise komplett unrentabel werden ließe. Der Auslöser für diesen Vertrauensverlust sei die russische Außenpolitik; diese müsse sich ändern, wenn ausländische Investoren sich in Zukunft stärker am eurasischen Energiemarkt beteiligen sollten. Russland brauche internationale Investitionen und Technologien internationaler Konzerne, um neue Ressourcen zu erschließen und seine LNG-Kapazitäten auszubauen. Die Wirtschaft brauche seitens Russlands positive Signale für langfristige Kooperationen. Desweiteren wurde Kritik an der eurasischen Neuausrichtung der Gazprom-Führung angemerkt. Die Neuorientierung fordere hohe Investitionen, welche jedoch durch Sanktionen gegenüber Russland maßgeblich beschränkt würden. Gazprom brauche eine Diversifizierung seiner Exporte, dafür aber auch Partner; diese würde der Konzern nicht nur in Asien finden.
Die Konferenz wurde durch den Valdai Discussion Club und das Robert Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien der DGAP organisiert.