Die EU als Vermittler in ihrer südlichen Nachbarschaft

Brussels Briefing mit Franziska Brantner, Pol Morillas und Dina Fakoussa

Datum
11 Mai 2015
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Dr. Franziska Brantner, Mitglied des Deutschen Bundestags und Vorsitzende des Unterausschusses für Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln, zweifelte an der Fähigkeit der Europäischen Union, in Nordafrika zu vermitteln. Hinsichtlich der Aktivitäten der EU infolge des Arabischen Frühlings in Libyen, Ägypten und Tunesien erklärte sie, dass es der EU schwerfalle, als glaubwürdiger und neutraler Akteur aufzutreten, der keine Interessen abseits der Konfliktlösung verfolge. So unterstütze die EU zwar zahlreiche NGOs und Projekte zur Dialogförderung im Süden Libyens; das zugrundeliegende Interesse, den Flüchtlingsstrom durch die Schließung der libyschen Grenzen zu reduzieren, könne jedoch jegliche positiven Mediationsbemühungen überschatten. Darüber hinaus erklärte Brantner, dass viele Konfliktparteien in Ägypten – insbesondere die Muslimbruderschaft – die EU nicht als glaubwürdigen Mittler ansähen. Grund dafür sei die anfänglich eher zurückhaltende Haltung der EU gegenüber der Militärregierung von Präsident Abdel Fattah al-Sissi.

Abgesehen von solch länderspezifischen und kontextuellen Schwierigkeiten würden die EU-eigenen Strukturen und langfristig festgelegte Budgets die zügige und flexible Bereitstellung von Finanzmitteln für Mediationsvorhaben erschweren. Zurzeit fehle es am nötigen politischen Willen, diese strukturellen Probleme anzugehen. Unabhängige Organisationen wie das Europäische Friedensinstitut seien daher von großer Bedeutung, erklärte Brantner.

Pol Morillas, Research Fellow am Barcelona Center for International Affairs, begründete das verstärkte EU-Engagement für Konfliktlösungen im südlichen Mittelmeerraum mit der  ursprünglichen Kritik an den ersten Reaktionen der EU auf den Arabischen Frühling. Diese seien zu technokratisch gewesen und es habe an politischer Orientierung und strategischer Reichweite gefehlt. Gleichzeitig habe der Vertrag von Lissabon generell die zivile Komponente des Krisenmanagements gestärkt und institutionelle Mediationskapazitäten weiter ausgebaut, so Morillas. Dennoch stoße die EU als Mediator auf eine Reihe interner und externer Herausforderungen. Zunächst sei die Situation in der Region höchst komplex: Konfliktlinien verliefen sowohl zwischen alten und neuen als auch zwischen säkularen und islamistischen Mächten. Durch Zusammenarbeit mit Staaten und Gemeinschaften in unmittelbarer Nähe zu den Konflikten könne die EU ihre Mediationsbemühungen zwar womöglich besser zuschneiden – das Gebot der Neutralität erfordere jedoch Distanz zu lokalen Akteuren. Ferner erklärte Morillas, dass mehrere Staaten, wie etwa Ägypten, Einmischung von außen ablehnten, um ihren Status einer einflussreichen Regionalmacht aufrechtzuerhalten. Weitere Hindernisse für erfolgreiche EU-Mediation seien die interne Spaltung und Partikularinteressen von Mitgliedstaaten. Der Evaluationsprozess der Europäischen Sicherheitsstrategie könne jedoch dabei helfen, die notwendigen Schlüsse aus diesen Problemen zu ziehen und Mediation als ein Instrument europäischer Außenpolitik zu etablieren.

Dina Fakoussa, Leiterin des DGAP-Programms Naher Osten und Nordafrika, beschrieb die EU als ungeeigneten Mediator. Die langjährigen Beziehungen der EU und einzelner Mitgliedstaaten zu verschiedenen lokalen Mächten und Regierungen in der Region erschwerten es, das Bild der Unparteilichkeit aufrechtzuerhalten. Die politischen und wirtschaftlichen Eigeninteressen der EU seien schlichtweg unvereinbar mit der Rolle eines Vermittlers. Die Beispiele Syrien, Libyen und Jemen, wo teils Konflikte Dritter ausgetragen würden, zeigten, dass eine „Track-A-Mediation“ auch Hauptakteure wie Saudi-Arabien, Katar, Türkei und Iran einbeziehen müsse. Problematisch sei hier jedoch, dass die EU und westliche Staaten grundsätzlich nicht über ausreichend Einfluss auf diese Akteure verfügten und diese die EU nicht als schlagkräftige und maßgebende Einheit ansähen. Zudem dürfe sich ein umfassender Mediationsprozess in der arabischen Region nicht nur auf die gemäßigten und friedlichen Akteure beschränken, sondern müsse auch den Dialog mit militanten islamistischen Gruppen suchen. Es sei sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass sich Verhandlungen mit all diesen Akteuren erfahrungsgemäß als äußerst kompliziert gestalten, so Fakoussa. Sie kritisierte aber auch, dass es der EU an politischem Willen fehle, entschieden als Mittler aufzutreten und wirkliche Anreize zu bieten, um die Konfliktdynamiken zu ändern. Fakoussa schlug Migrationsabkommen mit den nordafrikanischen Staaten vor, durch die es die EU der jungen arabischen Generation ermöglichen könnte, in Europa zu arbeiten oder zu studieren. Anstatt die Finanzmittel zur Terrorbekämpfung kontinuierlich zu erhöhen, wäre es weitaus sinnvoller, den Jugendlichen Perspektiven zu bieten, ehe sie sich radikalisieren.

Die Referenten folgten einer Einladung des Alfred von Oppenheim-Zentrums für Europäische Zukunftsfragen der DGAP im Rahmen der Reihe Brussels Briefing. Julian Rappold, kommissarischer Programmleiter des Oppenheim-Zentrums, moderierte die Veranstaltung. 

 

Referenten:

Dr. Franziska Brantner, MdB
Vorsitzende des Unterausschusses für Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln

Pol Morillas
Research Fellow, Barcelona Centre for International Affairs (CIDOB), Barcelona

Dina Fakoussa
Programmleiterin, Naher Osten und Nordafrika, DGAP