Welche Gründe hat dieser Vertrauensverlust und was sind seine Auswirkungen auf die EU? Dies ist das Thema einer kurzen Reihe von DGAP-Kompakt-Analysen, konzipiert von Claire Demesmay, Leiterin des Programms Frankreich/deutsch-französische Beziehungen und Jana Puglierin, Leiterin des Alfred von Oppenheim-Zentrums für Europäische Zukunftsfragen. Den Anfang macht dieser Beitrag von Julie Hamann.
Vor einem Jahrzehnt schien Europa so sicher, so wohlhabend, so frei wie nie zuvor. Heute sind genau diese Errungenschaften – Sicherheit, Wohlstand und Freiheit – bedroht. Für viele bietet die EU keine Lösungen für die Probleme unserer Zeit, sondern ist selbst zum Problem geworden.
In Zeiten der Verunsicherungen, wie die europäischen Staaten sie im Zuge der unterschiedlichen Krisen erleben, wird gern an Regeln appelliert. So wird in der Schuldenkrise gefordert, dass der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt eingehalten wird, genauso wie eine Verteilungsregel innerhalb der EU als Lösung für die Flüchtlingskrise eingeführt werden soll. Doch Regeln wirken nur, wenn es auch Vertrauen gibt und man sich dadurch auf offene Verhandlungen überhaupt erst einlassen kann.
„Vertrauen wird dadurch erschöpft, dass es in Anspruch genommen wird“, meinte schon Bertolt Brecht. Beim derzeitigen Vertrauensverlust in Europa geht es um ein vielfaches – und also auch um ein diffuses – Phänomen. Nicht nur EU-Mitgliedstaaten scheinen einander mit mehr Misstrauen als vor einigen Jahren zu begegnen; auch ein Teil der Bevölkerung schenkt seinen Regierenden kein Vertrauen mehr und sucht Zuflucht in radikalen Bewegungen. Auf einer abstrakteren Ebene ist das Vertrauen in die gemeinsame Währung beziehungsweise in die Zusammenarbeit innerhalb der Eurozone gesunken.
Der Vielfalt des Phänomens entsprechend beleuchtet die Reihe den Vertrauensverlust in Europa unter unterschiedlichen Aspekten. Die Autoren analysieren nicht nur die Gründe für den Verlust von Vertrauen, sondern gehen auch der Frage nach, ob es im untersuchten Politikfeld wiederhergestellt werden kann – und wenn ja, unter welchen Bedingungen.