Das fünfte Treffen des Transatlantischen Handels- und Technologierats, des „Trade and Technology Council“ (TTC), sollte Anfang Dezember in den USA stattfinden. Doch zu Beginn des Monats steht noch immer kein Datum fest; das Treffen wird nun in den Januar verschoben. Dies ist ein schlechtes Zeichen, denn die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen benötigen – nach den ungelösten Problemen in Bezug auf den „Inflation Reduction Act“ (IRA) oder auch die Stahl- und Aluminiumzölle – dringend einen positiven Impuls. Daneben muss der fünfte TTC Ergebnisse bringen, diese auch politisch tragen und größere Verbindlichkeiten schaffen.
Warum die transatlantischen Partner im TTC zukunftssichere Strukturen schaffen müssen
Die hochrangigen TTC-Treffen begannen im September 2021 mit einem Auftakt in Pittsburgh. Voraussichtlich wird es während der jetzigen Amtszeit von US-Präsident Joe Biden und der aktuellen Europäischen Kommission noch zwei weitere Gipfel geben, einen in den USA und einen unter der belgischen EU-Ratspräsidentschaft. 2024 schließt der Handels- und Technologierat dann seinen ersten Zyklus ab; vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen in der EU und in den USA bleibt seine Zukunft ungewiss.
Daher stellt sich die Frage: Wie kann der TTC – auch mit Blick auf eine mögliche zweite Amtszeit von Donald Trump – zukunftssicher gestaltet werden? Zwar werden auch ohne den TTC die transatlantischen Handels- und Investitionsbeziehungen weiterlaufen. Dennoch ist der Rat das verbindende politische Element, um Konflikte zu lösen, einen transatlantischen Marktplatz aufzubauen und idealerweise gemeinsame Standards auf globale Ebene zu heben.
Deutschland hat dabei ein besonderes wirtschaftliches und politisches Interesse, in die transatlantischen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen im Rahmen des TTC zu investieren und Konflikte zu lösen – abseits eines gemeinsamen Handelsabkommens wie TTIP. Laut Statistischem Bundesamt waren die USA von 2015 bis 2022 auf Platz eins der wichtigsten Absatzmärkte für deutsche Exporte. 2022 gab es eine Steigerungsrate von knapp 28 Prozent. Zudem sind die USA weiterhin das wichtigste Ziel für deutsche Direktinvestitionen. Die Bundesregierung ist daher sehr aktiv im TTC, um Handelskonflikte aus dem Weg zu räumen und durch gemeinsame Standards einen transatlantischen Wirtschaftsraum zu entwickeln, möglichst vor den US-Wahlen.
Ohne konkrete und verbindliche Abkommen bleibt der TTC ein reines Ad-hoc-Format, das, je nach politischer Lage, abgeschafft werden kann.
Ohne konkrete und verbindliche Abkommen bleibt der TTC jedoch ein reines Ad-hoc-Format, das, je nach politischer Lage, abgeschafft werden kann. Das Jahr 2024 muss daher dringend genutzt werden, um den Mehrwert des TTC für beide Seiten aufzuzeigen und um transatlantische Strukturen zu schaffen, die zukunftssicher sind.
Russland und Konvergenz bei China als verbindendes Element
Während die Diskussionen um den IRA oder auch die amerikanischen Stahl- und Aluminiumzölle die Stimmung in den transatlantischen Handelsbeziehungen trüben, gibt es zwei übergeordnete Themen, bei denen im TTC eine grundlegende Einigkeit unter den transatlantischen Partnern besteht, beziehungsweise bei denen sich die jeweiligen Risikoeinschätzungen annähern.
Das erste Thema betrifft Russland. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine treten die EU und USA geeint gegenüber Russland auf und haben ihre Sanktionen und Exportkontrollen eng miteinander abgestimmt. Die gemeinsame Haltung, die auch auf den TTC-Diskussionen beruht, hat zudem dazu geführt, dass die größere Gruppe der G7-Staaten global geschlossen aufgetreten ist – sehr zur Überraschung Russlands.
Das zweite große Thema wird insbesondere von den USA vorangetrieben und bezieht sich auf den Umgang mit Nichtmarktwirtschaften, vor allem mit China. Auch wenn die USA durch eine Reform ihrer Exportkontrollen und zahlreiche Präsidialerlasse, wie beispielsweise zur Prüfung von US-Investitionen im Ausland, häufig unilateral voranschreiten: Die regelmäßigen Diskussionen im TTC helfen, die Risikobewertungen anzunähern und gemeinsame Maßnahmen voranzubringen.
Im November 2024 steht in den USA die Präsidentschaftswahl an und im Juni findet die Europawahl statt. Es stellt sich die Frage, inwiefern die Gemeinsamkeiten auch eine mögliche zweite Amtszeit von Donald Trump überstehen können. Im Bereich der Russlandpolitik könnte es zu einer Kehrtwende in der US-Politik kommen, denn aus dem republikanischen Lager kommt immer wieder Kritik an der Unterstützung der Ukraine. Folglich wird sich die EU diesbezüglich möglicherweise stärker mit anderen Partnerstaaten der G7 abstimmen müssen. China dürfte hingegen auch unter Trump ein dominierendes Thema bleiben. Während seiner letzten Amtszeit verfolgte dieser einen aggressiven Unilateralismus, auch gegen die EU. Eine mögliche zweite Regierungszeit dürfte in dieser Hinsicht keine Besserung bringen und die Zusammenarbeit im TTC erschweren oder sogar vollständig beenden.
Erfolge im Technologieteil des TTC
Auch wenn die öffentliche Aufmerksamkeit vor allem auf dem Handelsteil des TTC liegt, wurden die großen Erfolge bisher im Technologieteil erzielt. Zwar ist man noch weit davon entfernt, einen transatlantischen Markt für Technologieprodukte zu schaffen, doch auf dem vierten TTC-Gipfel im schwedischen Luleå im Mai 2023 gab es bereits entscheidende Fortschritte, auf die nun aufgebaut werden kann.
Dazu zählt in erster Linie die Kooperation bei neuen Technologien. Hier geht es um einen gemeinsamen Fahrplan für vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz (KI) und Risikomanagement. Auf Ebene der EU gibt es bereits Fortschritte durch den europäischen KI-Act. Darüber hinaus hat Joe Biden kürzlich einen Präsidialerlass zur besseren KI-Regulierung unterzeichnet, in der Hoffnung, dass der Kongress nachzieht. Durch den TTC soll die transatlantische Perspektive gestärkt werden, um darauf aufbauend auch einen globalen Outreach zu betreiben. Die Fortschritte beim TTC haben bereits als Grundlage gedient, um auf Ebene der G7 einen freiwilligen Verhaltenskodex für KI-Entwicklung ins Leben zu rufen (Hiroshima Prozess). Einigkeit im TTC kann somit auch globale Standards setzen.
Weitere Fortschritte gibt es im Bereich der Halbleiter, bei der die transatlantischen Abstimmungen mittlerweile fest in den Arbeitsalltag integriert sind. Dies beinhaltet auch einen regelmäßigen Austausch zum US-amerikanischen und europäischen Chips Act. Eine Herausforderung stellen die bilateralen Vereinbarungen der USA mit einzelnen (auch europäischen) Staaten wie den Niederlanden zu Exportbeschränkungen bei Technologien zur Herstellung von Mikrochips dar. Eine stärkere Abstimmung zwischen der EU und den USA hierzu wäre eine wichtige Aufgabe für den TTC.
Im Hinblick auf digitale Infrastruktur wird die transatlantische Zusammenarbeit bei zukünftigen 6G-Telekommunikationsstandards intensiviert. Es gibt bereits einen Fahrplan mit der Industrie, um eine transatlantische Vision zu 6G zu schaffen.
Beim Thema „Platform governance“ arbeiten beide Seiten konstruktiv am Schutz von Minderjährigen. Darüber hinaus gibt es Fortschritte beim Schutz von Menschenrechtlerinnen und -rechtlern. Ein weiteres zentrales Thema ist die Ausweitung von neuen Konnektivitätsprojekten im Bereich „Trusted connectivity“. 2023 wurden bereits Partnerschaften mit Costa Rica und den Philippinen geschlossen. Ziel ist es nun, diese Projekte mit anderen Ländern auszuweiten.
Zukunftsthemen, die für beide Seiten auch über die Wahlen hinaus interessant sein könnten, betreffen die Schnittstelle von KI und öffentlichen Gütern: Wie kann KI – insbesondere in Ländern des Globalen Südens – konkrete Vorteile liefern? Dies bezieht sich beispielsweise auf Gesundheitssysteme, Landwirtschaft oder auch Energieeffizienz. Der zweite Bereich betrifft Quantencomputing und die Möglichkeit von transatlantischen Forschungskooperationen.
Im Bereich von Zukunftstechnologien arbeiten die EU und USA eng zusammen. Ohne Fortschritte bei den Konflikten im Handelsbereich ist es jedoch ungewiss, ob der TTC über die Wahlen hinaus Bestand haben wird.
Auch wenn es ungewiss ist, ob Trumps Ankündigungen bei seiner Wiederwahl umgesetzt werden können, würden raue Zeiten auf die transatlantischen Handelsbeziehungen zukommen.
Probleme im Handelsteil des TTC
Donald Trump hat angekündigt, bei seiner Wiederwahl zehn Prozent Zölle auf alle Importe zu verhängen, was auch die EU und Deutschland beträfe. Die EU und USA sind wichtige Handels- und Investitionspartner und die transatlantische Wirtschaftspartnerschaft ist eine wichtige Säule für das jeweilige Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Auch wenn es ungewiss ist, ob Trumps Ankündigungen bei seiner Wiederwahl umgesetzt werden können, würden raue Zeiten auf die transatlantischen Handelsbeziehungen zukommen.
Bereits jetzt ist die Liste der ungelösten Konflikte lang: Sie betreffen die nicht ausgehandelte „Globale Vereinbarung über nachhaltigen Stahl und Aluminium“(GASSA) sowie die damit zusammenhängenden Stahl- und Aluminiumzölle und das ebenfalls nicht abgeschlossene „Critical Minerals Agreement“ (CMA), um einige Probleme des IRA zu lösen. Auf dem EU-US-Gipfel Ende Oktober 2023 konnten sich die EU und die USA nicht auf einen Kompromiss einigen; die Frist für den Abschluss der Gespräche wurde daher zunächst bis Ende 2023 verlängert. Hier ist eine Lösung dringend notwendig.
Daneben stellt sich die Frage, welche positiven Projekte in der Waagschale liegen. Zum einen muss die erfolgreiche Abstimmung bei den Russlandsanktionen erwähnt werden. Dazu bietet der TTC ein Forum, über jetzige und zukünftige Konflikte zu sprechen. Dies beinhaltet bei aller Kritik auch die konstruktiven Diskussionen um den Umgang mit dem IRA.
Diese Themen reichen jedoch nicht aus, um zukunftsfähig zu bleiben. Zurzeit liegt der Schwerpunkt vor allem auf der gemeinsamen Förderung des „grünen Wandels“. Hier ist vor allem die transatlantische Nachhaltigkeitsinitiative, die „Transatlantic Initiative on Sustainable Trade“ (TIST), von entscheidender Bedeutung. Ihr Ziel ist es, einen stärker kreislauforientierten und nachhaltigen transatlantischen Wirtschaftsraum zu schaffen. Zurzeit ist dies eines der wenigen Projekte, das eine Art positive Handelsagenda schaffen kann. Es geht dabei um grüne Standards, die Förderung der Kreislaufwirtschaft, inklusive Handelspraktiken und globale Partnerschaften. Die EU hat zudem einen „grünen Korridor“ für Handel, Investitionen und Rohstoffe vorgeschlagen. TIST könnte ein zukunftssicheres politisches Zeichen setzen, das Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks fördert. Hier sind jedoch dringend konkrete Fortschritte nötig.
Ein weiteres wichtiges Element im Bereich des grünen Wandels betrifft ein mögliches gegenseitiges Anerkennungsabkommen, ein „Mutual Recognition Agreement“ (MRA), bei Konformitätsbewertungen für grüne Technologien. Auch ohne ein transatlantisches Handelsabkommen schaffen MRAs die Grundlage für einen engeren transatlantischen Wirtschaftsraum. Weitere Elemente, die beim nächsten Gipfel eine Rolle spielen, sind der Labor Dialogue und das Thema digitales Labeling, das für die Kreislaufwirtschaft wichtig ist.
Der zweite Fokus liegt auf wirtschaftlicher Sicherheit und bezieht sich vor allem auf ein gemeinsames Verständnis von Risiken und Schwächen. Themen betreffen den Handel und Investitionen bei Halbleitern, Outbound Investment Screening sowie die Rolle von Exportkontrollen bei kritischen Technologien.
Der TTC wird nur dann zukunftssicher sein, wenn er konkrete Ergebnisse vorweist und beide Seiten einen Nutzen daraus ziehen können.
Fazit
Der TTC bleibt in einigen zentralen Bereichen hinter den Erwartungen zurück, und das noch offene Datum für das nächste Treffen (im Januar) lässt nichts Gutes erahnen. Während der Technologiebereich Fortschritte aufweist, dominieren auf dem Gebiet der Handelspolitik weiter zahlreiche Konflikte. Umso wichtiger ist es, dass sich die EU und die USA auf eine positive Handelsagenda verständigen: Das Thema wirtschaftliche Sicherheit ist richtig gewählt, daneben sind jedoch feste Strukturen nötig, die die Wahlen überdauern können. Hier kommt die TIST ins Spiel, die nachhaltiges und faires transatlantisches Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze fördern kann.
Die Zukunft des TTC ist ungewiss. Um Voraussetzungen zu schaffen, die den TTC zukunftssicher machen, sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:
- Der TTC wird nur dann zukunftssicher sein, wenn er konkrete Ergebnisse vorweist und beide Seiten einen Nutzen daraus ziehen können. Das heißt: wenn er zu einem größeren Wirtschaftsraum führt, zu stärkerer Wettbewerbsfähigkeit, mehr Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen. All dies sind Vorteile, die besser und breiter kommuniziert werden müssen.
- Die langfristige Zusammenarbeit kann zudem nur dann gelingen, wenn bestehende Handelskonflikte gelöst werden, wie beispielsweise durch die Einigung zu GASSA. Solange der Konflikt über US-Stahl- und Aluminiumzölle nicht beigelegt ist, wird dieser weiter das Vertrauen im transatlantischen Verhältnis belasten. Beide Seiten müssen hier mehr Kompromissbereitschaft zeigen.
- Das Forum kann nur überleben, wenn es sich mit den großen geopolitischen Fragen im Umgang mit Russland (Sanktionen) und Nichtmarktwirtschaften wie China auseinandersetzt. Eine Reduzierung auf rein technische Fragen auf Arbeitsebene reicht nicht aus – wie das Beispiel des 2007 gegründeten „Transatlantic Economic Council“ (TEC) zeigt, der aufgrund von zahlreichen technischen Streitigkeiten am Ende die politische Unterstützung verlor.
- Eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump hätte sehr wahrscheinlich negative Folgen für die transatlantischen und insbesondere die deutsch-amerikanischen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. Nichtsdestotrotz – oder gerade deswegen – muss das Forum an Dynamik gewinnen und so viel Vertrauen und Verlässlichkeit wie möglich aufbauen.
- Schließlich spielen in diesem schwierigen Umfeld vor allem auch Stakeholder, etwa die europäische und amerikanische Industrie und die Zivilgesellschaft, eine wichtige Rolle. Wenn diese in der EU und vor allem auch in den USA langfristig den TTC und seine Arbeitsprogramme unterstützen, ist es schwieriger für politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, die Prozesse einfach zu beenden.