Der amtierende ukrainische Außenminister Andrii Deshchytsia sprach in der DGAP über die außenpolitischen Ziele seines Landes
Deshchytsia betonte, dass der russisch-ukrainische Konflikt eine der größten Gefahren für die regionale, europäische und globale Sicherheit seit dem Ende des Kalten Krieges darstellt. Das Missachten des Budapester Memorandums von 1994 zur Anerkennung der Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine stelle einen gewaltsamen Bruch der internationalen Sicherheitsnormen dar.
Das Genfer Abkommen vom April diesen Jahres wurde in Kiew mit großen Hoffnungen verbunden: Die Ukraine, die USA, die EU und Russland einigten sich auf erste konkrete Schritte zur Deeskalation des Konflikts. Wo Kiew begonnen habe, die Genfer Erklärung umsetzen, kritisierte Deshchytsia, dass Russland sich nicht an seine Verpflichtungen halten und zur Deeskalation der Situation im Südosten beitragen würde.
Deshchytsia betonte, dass die ukrainische Regierung daran interessiert sei, gute nachbarschaftliche Beziehungen mit Russland zu unterhalten. Dies sei ein pragmatischer und ausgewogener Ansatz. Die Ukraine setzt hierbei auf eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen zwei Nachbarn, die eine gemeinsame Geschichte und gemeinsame europäische Werte teilen.
Um eine friedliche Lösung der bestehenden Krisensituation zu erreichen und gleichzeitig sicherzustellen, dass dabei alle ukrainischen Bürger miteinbezogen werden, initiierte die Regierung einen landesweiten Dialog der nationalen Einheit. Die ersten Runden Tische fanden bereits in Charkiw, Kiew und Nikolaew statt. Diese Dialogformate behandeln Themen wie eine Verfassungsreform, Dezentralisierung, lokale Selbstverwaltung, nationale Minderheiten, Justizreform und die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft. Der Prozess wird von zwei ukrainischen Ex-Präsidenten und dem Botschafter Wolfgang Ischinger unterstützt. Er ist offen für Vertreter politischer Parteien, lokaler Behörden, Zivilgesellschaft und Wissenschaft. In der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion wurde der weiterhin starke Einfluss der Oligarchen auf politische Entscheidungsprozesse kritisiert.
Deshchytsia sieht ein gutes Omen darin, dass die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine am gleichen Tag wie die EU-Wahlen stattfinden. Er setzt Hoffnung in die europäische Perspektive des Landes.
Die anschließende Diskussion wurde moderiert von Dr. Ewald Böhlke, Programmdirektor des Berthold-Beitz-Zentrums.