Diskussion mit Vertretern US-amerikanischer Think-Tanks in der DGAP
Werden Militäreinsätze in Zukunft nur noch mit Zustimmung der Bevölkerung durchgeführt, und nur, falls ein Konflikt eigene Interessen unmittelbar berührt? Vielleicht steht die Syrien-Krise für eine neue Kultur der Zurückhaltung beim internationalen Krisenmanagement, oder gar für einen „neuen Westen“, wie es einige Diskussionsteilnehmer formulierten.
Die aktuelle Lage in Syrien blieb nicht etwa außen vor, als Amerikaner und Deutsche in der DGAP über die Herausforderungen und Perspektiven der transatlantischen Beziehungen diskutierten.
Die transatlantischen Beziehungen sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs der Kern dessen, was in der internationalen Politik als der Westen bezeichnet wird. Das Verteidigungsbündnis NATO stellt dessen übergeordnete institutionelle Klammer dar. Aber die machtpolitischen Verschiebungen der letzten zwei Jahrzehnte, vor allem der Aufstieg Asiens, und die sicherheitspolitische Schwäche Europas, stellen die Partnerschaft auf die Probe. Washington hat seinen strategischen Fokus auf Asien gerichtet, zahlreiche NATO-Mitglieder reduzieren seit Jahren ihre Verteidigungsbudgets.
Die Gastredner aus amerikanischen Think-Tanks gaben einen eher düsteren Ausblick auf die Zukunft der transatlantischen Zusammenarbeit. Für Daniel Kochis, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Heritage Foundation, steuert die NATO nach dem Abzug der Truppen aus Afghanistan geradewegs in eine Sinnkrise. Das Bündnis sei zwar weiterhin wichtig für die USA und müsse unter amerikanischer Führung weiterbestehen, doch sei dies nur möglich, wenn sowohl Amerikaner als auch Europäer die nötigen militärischen Ressourcen zur Verfügung stellten.
Die Gesprächspartner waren sich einig, dass es enormer Anstrengungen bedürfe, die Partnerschaft in ihrer gewohnten Intensität aufrecht zu erhalten. Elbridge Colby, Analyst am Center for Naval Analyses, unterstrich, dass es aus Sicht der USA Europas wichtigste Aufgabe sei, Washingtons Handlungen in der Welt politisch zu unterstützen.
Der pessimistischen Sichtweise der Amerikaner hielten einige Teilnehmer des Gesprächskreises entgegen, dass es um die transatlantischen Beziehungen gar nicht so schlecht bestellt sei: So ruhten diese weiterhin auf starken Trägern, wenn man sich die gemeinsame Geschichte und die kulturellen, politischen und ideologischen Gemeinsamkeiten vor Augen führe. Das Problem sei weniger eine Schwächung der transatlantischen Bindung als vielmehr ein Wandel des internationalen Umfelds, in dem sich diese Partnerschaft wiederfindet und neu definieren muss. Letztendlich waren sich alle Teilnehmer darin einig, dass das transatlantische Bündnis auch in Zukunft den wichtigsten außenpolitischen Pfeiler sowohl für die USA als auch für Europa darstellen wird.
Die Diskussion wurde moderiert von Dr. Henning Riecke, Leiter des Programms USA/Transatlantische Beziehungen der DGAP. Insgesamt vierzehn Vertreter verschiedener US-amerikanischer Think-Tanks besuchten im Rahmen einer einwöchigen Informationsreise durch Deutschland auch die DGAP in Berlin. Die Veranstaltung wurde unterstützt von der Fritz Thyssen Stiftung und der deutschen Botschaft in Washington D.C.