Die Aktivitäten der arabischen Golfstaaten in Ägypten und Tunesien – Gründe und Auswirkungen

Expertenkonferenz

Datum
26 Mai 2015
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Was bestimmt die Außenpolitik der Golfstaaten? Mit welchen Mitteln und in welchen Bereichen beteiligen sie sich in Ägypten und Tunesien? Was sind ihre Aussichten für die Zukunft? Was bedeutet dies für die Deutsche/Europäische Außenpolitik in der Region? Besteht die Möglichkeit einer Kooperation zwischen Deutschland/der EU und den Golfstaaten? Dies waren einige der Fragen, die während einer vom DGAP-Programm Naher Osten und Nordafrika und dem Auswärtigen Amt organisierten Konferenz besprochen wurden.

Während die zukünftigen Wege Tunesiens und Ägyptens in erster Linie noch immer von einheimischen Akteuren, gesellschaftlichen Dynamiken und länderspezifischen Machtstrukturen bestimmt werden, spielen nun auch externe Akteure eine immer wichtigere Rolle in der Gestaltung der Politik und der Entwicklungen dieser beiden Länder. Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind in Ägypten und Tunesien sowohl durch ausgedehnte finanzielle Investitionen in wirtschaftliche Entwicklungs- und Stabilisierungsprogramme als auch durch direkte und indirekte finanzielle und politische Unterstützung verschiedener politischer Kräfte zu einflussreichen Akteuren geworden. Die Konferenz war in vier Podien unterteilt und so zur Untersuchung spezifischer Strategien und Interessen der Außenpolitik von Saudi-Arabien, den VAE und Katar ausgelegt. Die Ziele waren unter anderem die Identifizierung der wesentlichen Sektoren und Bereiche der Beteiligung in Ägypten und Tunesien, die Analyse der politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Bestrebungen und Projekte, und die Beurteilung des Potenzials für eine Zusammenarbeit zwischen Partnern aus der Golfregion und Deutschland/der EU. Zusätzlich zu deutschen Experten gaben Spezialisten aus den Golfstaaten sowie Ägypten und Tunesien einen Einblick in die Entwicklungen in der Region.

Das erste Podium konzentrierte sich auf die Hauptfaktoren der Außen- und Regionalpolitik Saudi-Arabiens, der VAE und Katar. Die außenpolitischen Richtlinien aller drei Länder bezüglich der nordafrikanischen Länder sind maßgeblich von ihren eigenen innerstaatlichen Bedingungen und regionalen Rivalitäten bestimmt und spielen eine zentrale Rolle in der Vermarktung des eigenen Landes. Ein wesentlicher Grund zur Besorgnis war die zunehmende Militarisierung der Politik im Golf, vor allem mit Blick auf den aktuellen Konflikt im Jemen. Diese Militarisierung wurde sowohl als ein Resultat der Wahrnehmung zunehmender Bedrohungen rund um die Arabische Halbinsel aus Sicht der Golfstaaten als auch als Folge der nachlassenden Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft zu einem militärischen Einsatz in der Region angesehen.

Das zweite Podium befasste sich mit den wichtigsten von den Golfstaaten unterstützten Projekten und Sektoren in Ägypten und deren Auswirkung auf die politischen und wirtschaftlichen Abläufe des Landes. Während ein großer Teil der finanziellen Unterstützung der Golfstaaten Subventionen und Darlehen umfasst, welche in der ägyptischen Zentralbank hinterlegt wurden, um die Insolvenz des Landes zu verhindern, gab es einen großen Konsens darüber, dass Golf-Investitionen nicht zu einem Trickle-Down-Effekt führen werden. Darüber hinaus waren sich die Teilnehmer einig, dass diese Investitionen nicht nur auf die wirtschaftliche Stabilisierung Ägyptens und die Sicherung von Golf-Geschäften ausgerichtet sind, sondern auch auf einen Einfluss in der lokalen Politik abzielen. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die tatsächliche Einhaltung vieler Versprechen an Ägypten nie beabsichtigt war, und dass es für langfristige und nachhaltige Entwicklungen entscheidend sei, Zugang zu Ägyptens großem informellen Wirtschaftssektor zu schaffen und ihn für langfristige und nachhaltige Entwicklungen zu integrieren. Es wird erwartet, dass die VAE ihre Unterstützung für Ägypten fortführen und gleichzeitig auch zu politischen Reformen drängen werden, die sich direkt auf ihre Investitionen und Geschäfte im Land auswirken. Währenddessen wird Saudi-Arabien mit seinen eigenen internen Beschränkungen konfrontiert. Es wird erwartet, dass es mit dem Fall der Ölpreise seine Unterstützung reduzieren und sich an Stelle der bisher bereitgestellten großzügigen Subventionen und Darlehen mehr auf projektbezogene Hilfe konzentrieren wird. Im Großen und Ganzen konzentrieren sich Golf-Investitionen vor allem auf Immobilien, Tourismus, Energie, Landwirtschaft und Agrarindustrie sowie den Transportsektor.

Das dritte Podium beschäftigte sich mit der Golf-Beteiligung in Tunesien und ihrer Auswirkung auf die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen des Landes. Im Allgemeinen ist das Investitionsvolumen der Golfstaaten in Tunesien aufgrund seiner geringeren Bedeutung wesentlich kleiner als in Ägypten. Trotz einiger Projekte waren Golf-Investitionen in Tunesien bis jetzt mehrheitlich erfolglos. Man kam unter anderem zum Ergebnis, dass Ennahda und ihre Rolle in Tunesiens politischer Zukunft weniger besorgniserregend für die VAE und Saudi-Arabien ist als die Rolle der Muslimbruderschaft in Ägypten. Es war nie anzunehmen, dass die Ennahda-Partei eine transnationale Agenda verfolgt. Zudem hat sie Bereitschaft gezeigt, mit anderen tunesischen politischen Akteuren und Bewegungen im Übergangsprozess zu kooperieren. Wirtschaftlich hatten die Golfstaaten weniger Bedenken um Tunesiens wirtschaftliche Stabilität als im Fall von Ägypten, da sie in Tunesien relativ wenige Investitionen getätigt hatten. Trotzdem haben tunesische Vertreter Interesse daran, Investitionen aus dem Golf anzulocken. Jedoch sind sie nicht bereit, ihnen dafür eine bevorzugte Behandlung zu versprechen, wie es in Ägypten und dem Libanon zum Beispiel der Fall ist. Dies wurde als große Hürde für eine zukünftige Zusammenarbeit gewertet.

Im vierten und letzten Podium wurden Vorschläge und Aussichten für eine deutsche und europäische Mitwirkung und eine mögliche Zusammenarbeit mit den Golfstaaten debattiert. Während es Diskussionen über die Mängel der Deauville-Partnerschaft gab, herrschte allerdings Einigkeit darüber, dass eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem Golf und deutschen/europäischen Partnern wünschenswert ist, und dass der politische Dialog mit den Golfstaaten vertieft werden muss, um ihre Interessen und Bedürfnisse stärker ins Bewusstsein zu rücken, überschneidende Interessensgebiete zu identifizieren, und Maßnahmen besser abzustimmen.

Etwa 50 Gäste nahmen an der Veranstaltung teil, die auf Englisch und unter Einhaltung der Chatham-House-Regel moderiert wurde. Die Konferenz ist Teil eines Projekts, das sich mit den Tätigkeiten des Golfs in den beiden nordafrikanischen Ländern befasst und vom Auswärtigen Amt unterstützt wird.

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