Deconstructing Islamist Terrorism in Tunisia

25–27. Februar in Tunis

Datum
25 - 27 Februar 2016
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
Tunis, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Die Teilnehmenden diskutierten Fragen wie: Welche Faktoren bieten einen fruchtbaren Boden für extremistische Gruppen in Tunesien? Wer sind die Hauptakteure, welches Profil haben ihre Mitglieder und was ist ihre Agenda? Inwiefern sind die verschiedenen Gruppen miteinander verknüpft? Was macht diese Gruppen besonders für junge Menschen im postrevolutionären Tunesien attraktiv? Wie rekrutieren extremistische Organisationen neue Mitglieder? Welche Rolle spielen die Medien und Propaganda dabei? Welche Gegenmaßnahmen ergreift der tunesische Staat? Was kann die internationale Gemeinschaft zum Kampf gegen Terrorismus in Tunesien beitragen?

Die steigende Zahl an Terroranschlägen in Tunesien wirft Schatten auf die Entwicklung und den Fortschritt des Landes seit den Umbrüchen im Jahr 2011. Während sich terroristische Gruppen anfänglich auf Militärpersonal und Mitglieder der nationalen Sicherheitskräfte konzentrierten, haben jüngere Attacken auch Zivilisten, besonders in den touristischen Zentren, ins Auge gefasst. Zu den aktivsten Gruppen zählen Ansar al-Shari’a (AS-T) und Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM). Gleichzeitig weist Tunesien eine der höchsten Zahlen an Kämpfern des Islamischen Staates (IS) und an Rückkehrern auf. Die unruhige Lage in Libyen und Algerien destabilisiert die Sicherheitslage in Tunesien zusätzlich.

Im Workshop herrschte große Einigkeit, dass islamistischer Fundamentalismus in Tunesien schon lange vor dessen Wiederaufflammen nach den Umbrüchen von 2011 existierte. Es wurden vier Generationen von Dschihadisten identifiziert, aus denen sich die heutige dschihadistische Bewegung in Tunesien zusammensetzt. Die erste Generation umfasst diejenigen, die sich 2001 dem Krieg in Afghanistan anschlossen, gefolgt von der zweiten Generation, die nach der US-Invasion 2003 in Irak kämpfte. Die dritte Generation wurde in tunesischen Gefängnissen radikalisiert. Diejenigen, die sich nach 2011 anschlossen, bilden die vierte Generation.

Gleichzeitig wurde hervorgehoben, dass die dschihadistische Bewegung in Tunesien mit internen Spannungen zu kämpfen habe. Nachdem AS-T verboten wurde, schlossen sich viele ihrer Anhänger entweder dem IS oder Jabhat al-Nusra an, wodurch es zu einer Rivalität zwischen den verschiedenen Gruppierungen kam. Es wird erwartet, dass interne und externe Dynamiken diese Rivalität noch verstärken. Islamistische Organisationen kämpfen zunehmend um Territorien, Ressourcen und Einfluss.

Eine tiefgreifende Ablehnung des existierenden Systems, hervorgerufen durch eine gestörte oder Nicht-Identifikation mit dem tunesischen Staat, wurde als eine der Hauptursachen für die Radikalisierung junger Tunesier gesehen. In diesem Zusammenhang wurden zwei Kernaspekte hervorgehoben: die Existenz einer nationalen Identitätskrise und die Ausgrenzung großer Teile der Bevölkerung auf verschiedenen sozioökonomischen und politischen Ebenen. Es wurde argumentiert, dass extremistische Gruppen von dem Mangel einer glaubhaften identitätsstiftenden Narrative nach dem Ende des Ben Ali-Regimes profitierten. Im Gegensatz zu der neuen und schwachen Regierung präsentierten sich radikale Gruppen als einfacher und starker Gegenpol. Die Nutzung von sozialen Netzwerken vereinfacht die Verbreitung ihrer Narrativen und die Etablierung dschihadistischer „Markenzeichen“.

Während Uneinigkeit darüber herrschte, welche Strategien am effektivsten im Kampf gegen Terrorismus und Radikalisierung sind, gab es große Einigkeit, dass der Fokus des tunesischen Staates auf reine Sicherheitsmaßnahmen nicht ausreichend sei und den Demokratisierungsprozess des Landes negativ beeinflusse. Basierend auf den Erfahrungen einer tunesischen und einer deutschen NGO, die beide im Bereich der Deradikalisierung tätig sind, wurden Empfehlungen entwickelt.

Unter anderem wurde vorgeschlagen, die salafistische Bewegung in Tunesien in den politischen Prozess zu integrieren. Anstatt den religiösen Raum zu monopolisieren, sollte der tunesische Staat eine Umgebung fördern, die offene Diskussionen im Rahmen demokratischer und rechtlicher Grenzen ermöglicht. Es wurde betont, dass sich der Staat dem Demokratisierungsprozess und der Übergangsjustiz verschreiben müsse. Darüber hinaus wurde empfohlen, sich stärker auf die Inklusion ausgegrenzter Menschen und Regionen zu konzentrieren. Mit Blick auf die internationale Gemeinschaft wurde eine verstärkte regionale und internationale Kooperation im Maghreb befürwortet. Dies könne unter anderem die Einrichtung internationaler Polizeistationen an Grenzübergängen beinhalten sowie eine engere Kooperation zwischen internationalen und nationalen Organisationen, die im Deradikalisierungsbereich tätig sind.

Der Workshop fand unter der Chatham House-Regel statt.

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