Ägypten und Tunesien im Umbruch

16. EUMEF-Sommerschule zum Thema „Transforming to Where? The Cases of Egypt and Tunisia“

Datum
27 August - 07 September 2012
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

Share

Etwa 50 Teilnehmer und Referenten aus über zehn Ländern versammelt das EU-Middle East Forum der DGAP für zwei Wochen in Berlin. Vom 27. August bis zum 7. September 2012 befasst sich die Sommerschule mit den Chancen und Problemen, die sich aus der Transformation in Tunesien und Ägypten ergeben. Für beide Länder ist die Vertreibung ihrer Autokraten ein Wendepunkt. Nach relativ freien Wahlen stehen die Akteure vor gewaltigen Aufgaben: Die politische Macht wird neu verteilt, verfassunggebende Versammlungen sind am Werk. Es braucht wirtschaftliches Wachstum, um die soziale Schieflage zu überwinden.

Transformation statt Anpassung

Die Region ist zudem von traditionellen und neuen Trennlinien durchzogen, wie der Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten; erstarkende Nationalismen stehen einander gegenüber. Auch mitten durch die Gesellschaften Ägyptens oder Tunesiens verlaufen Gräben. So gebe es Bürger erster Klasse und solche, denen Zweitklassigkeit signalisiert werde. Das sei die größte Gefahr für die Demokratie, warnte Tariq Ramadan. „Echte Demokratie lebt vom Gefühl der Zugehörigkeit. Die Formalie eines gültigen Passes allein reicht dafür nicht aus.“

Seit den Umbrüchen von 2011 aber befinde sich die Region ohne Zweifel in einem Prozess der Demokratisierung. Demokratie funktioniert auch im Nahen Osten, unterstrich der Islamwissenschaftler aus Oxford. Um das zu würdigen, müsse man allerdings zu einem Perspektivwechsel bereit sein, forderte Ramadan. „Demokratisierung nach westlichem Muster darf nicht der Maßstab, Anpassung nicht das Ziel sein.“

Nach der Übernahme politischer Verantwortung seien viele Muslime automatisch zu Demokraten geworden. Islam und Demokratie schlössen einander, wie oft unterstellt, nicht aus. Religion spiele im übrigen in jeder Gesellschaft eine Rolle, sagte Ramadan. „Genauso wie Christdemokraten gibt es muslimische Demokraten.“ Demokratie gründe sich auf universale Prinzipien, habe aber unterschiedliche regionale Spielarten.

Zivilgesellschaft als Quelle der Erneuerung

„Wesentliche Triebfeder des politischen Wandels im Nahen Osten ist die Zivilgesellschaft,“ unterstrich Mustafa Kamal Al-Sayyid in einer weiteren Veranstaltung der Sommerschule. Für das bürgerliche Engagement und die nichtstaatlichen Organisationen bedeuteten die Revolutionen eine Befreiung, auch wenn sich wie in Ägypten eine Zivilgesellschaft bereits in den Jahren zuvor formierte. Die Aufhebung von Restriktionen aber, und die relative Schwäche der Übergangsregierungen hätten für die nichtstaatlichen Kräfte lebenswichtige Freiräume geschaffen.

Al-Sayyid skizzierte die Bandbreite an Fragen, die sich nun nach dem Machtwechsel stellen: Welchen rechtlichen Status erhalten NGOs im neuen pluralistischen System? Wie sieht ihre Teilhabe am politischen Geschehen aus? Wie dürfen sie sich finanzieren? Zudem drohten erneute staatliche Einschränkungen und religiöse Intoleranz das 2011 Erreichte zu gefährden.

Als Ergebnis der nachrevolutionären Wahlen wird Ägypten von Akteuren der Muslimbruderschaft regiert. Diese traditionsreiche und in der Gesellschaft tief verwurzelte Organisation, die ehemals als Wohltätigkeits-NGO gegründet wurde, findet sich plötzlich in einer staatstragenden Rolle wieder.

Die politische Kräfteverteilung am Nil führe das Dilemma des Arabischen Frühlings vor Augen, sagte Al-Sayyid: „Angestoßen haben ihn neue, progressive Kräfte – gewonnen aber haben ihn die bestehenden sozialen Bewegungen.“ Die regierenden Muslimbrüder verfolgen nun ihre eigene Agenda und werden versuchen, den Spielraum von Akteuren und Organisationen, deren Ziele sie nicht teilen, einzuschränken. Dies bekamen bereits ausländische NGOs oder das „National Womens Council“ zu spüren, die nun um ihre Finanzierungsquellen bangen müssen.

EU-Middle East Forum

Das EUMEF ist ein Netzwerk für junge Akademiker und Berufstätige aus Nahost und Europa. Es ist eine Plattform des interkulturellen Dialogs und gemeinsamen Lernens. Zur Sommerschule kommen 30 hochqualifizierte Nachwuchskräfte aus dem Mittleren Osten und Europa in Berlin zusammen. Die angehenden Wissenschaftler, Politiker und Journalisten treffen dort mit international anerkannten Experten zusammen und erarbeiten Lösungen für die sicherheits- und entwicklungspolitischen Herausforderungen des Nahen Ostens. Partner des Programms sind die Robert Bosch Stiftung, das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa e.V.) sowie das Auswärtige Amt.

Verwandter Inhalt