Am 20. Januar 2025 unterzeichnete Donald Trump eine Anordnung, die es – wie viele andere – in sich hatte: Alle US-Auslandshilfen sollten für 90 Tage gestoppt werden, um deren „Effizienz“ und die „Übereinstimmung mit der US-Außenpolitik“ zu bewerten. Am 24. Januar erließ Außenminister Marco Rubio eine Anweisung, die den Betrieb der US-Behörde für internationale Entwicklung, der „U.S. Agency for International Development“ (USAID), praktisch zum Stillstand brachte. Die US-Regierung hat angekündigt, rund 90 Prozent der Mittel von USAID zu streichen, konkret 54 Milliarden Dollar. Der eigentliche Treiber hinter der Demontage der Hilfsorganisation ist dabei Trumps Berater Elon Musk. Mit seiner sogenannten „Abteilung für staatliche Effizienz“, dem Department of Government Efficiency (DOGE), baut er den Staatsapparat um und treibt eine faktische Auflösung der Behörde voran, während er sie öffentlich als „kriminelle Organisation, die sterben müsse“ verunglimpft. Dieses Vorgehen stellt auch eine ernste Bedrohung für die Internetfreiheit dar und zeigt: Es geht um viel mehr als „nur“ um USAID.
Finanzierungsstopp für Internetfreiheitsprojekte: Zäsur für das globale Internet
Die US-Auslandshilfen waren bisher nicht nur eine wesentliche Unterstützung für humanitäre Projekte, globale Gesundheit, Katastrophenhilfen oder wirtschaftliche Entwicklung. Sie waren auch Stützpfeiler für einen großen Teil der Zivilgesellschaft und Medien weltweit, die gegen autoritäre Internet-Blockaden und -Shutdowns sowie für barrierefreie Vernetzung und Kommunikation kämpfen. Vor dem Hintergrund, dass zahlreiche unabhängige Medien aus autoritären Ländern im Exil arbeiten müssen, sind freie Informationsflüsse und sichere Kommunikationskanäle zwischen den Ländern existenziell für ihre Tätigkeit. Ein endgültiger Finanzierungsstopp für Internetfreiheitsprojekte durch die USA wäre eine Zäsur für das globale Internet. Die USA waren bislang der wichtigste Verfechter der sogenannten digitalen Rechte („digital rights“), also des Rechts auf Privatsphäre, freie Meinungsäußerung und des Zugangs zu Informationen per Internet und digitalen Technologien. Wenn sie im Rahmen ihrer Außenpolitik nicht mehr für diese Werte einstehen, können Staaten wie China, Russland und Iran leichter ihre repressiven Modelle verbreiten. Das globale Internet droht weiter zu fragmentieren, während sich die Normen autoritärer Kontrolle und Überwachung von digitalen Informationsflüssen ungestört etablieren könnten.
Die USA haben in den vergangenen Jahrzehnten die Förderung von Internetfreiheit als festen Bestandteil ihrer Außenpolitik etabliert. USAID war dabei eine der zentralen Behörden, die Programme zu digitalen Rechten, Cybersicherheit und zum freien Internet in zahlreichen Ländern finanziert hat. Das Mandat, „das Internet als offenen, globalen Raum für freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit bewahren und ausbauen“ erhielten USAID sowie das US-Außenministerium bisher vom Kongress. Neben USAID spielte das Büro für Demokratie, Menschenrechte und Arbeit (DRL) des Außenministeriums eine Schlüsselrolle. In allen Regionen der Welt finanzierte es Programme zur Entwicklung sicherer Technologien, Ausbildung im Bereich digitaler Sicherheit, Bekämpfung repressiver Internetgesetze sowie Erforschung der größten Bedrohungen für die Internetfreiheit. Die Zuwendungen für diese und ähnliche Programme des Außenministeriums und USAID sind in den letzten Jahren gestiegen und lagen zuletzt etwa bei 270 Millionen Dollar – so hoch wie in keinem anderen Land.
USAID war eine der zentralen Behörden, die Programme zu digitalen Rechten, Cybersicherheit und zum freien Internet in zahlreichen Ländern finanziert hat.
Zusätzlich fördert die „United States Agency for Global Media“ (USAGM) Technologien zur Umgehung von Internetzensur und staatlichen Überwachungsmaßnahmen. Sie finanziert den Open Technology Fund (OTF), der sich als wesentlicher Förderer von Open-Source-Technologien etabliert hat. Laut eigener Statistik nutzen weltweit täglich mehr als zwei Milliarden Menschen OTF-unterstützte Technologie, wie den sicheren Messenger Signal und die Software zur Umgehung von Internet-Blockaden Psiphon. Seit 2019 hat der US-Kongress die OTF-Finanzierung verdreifacht und zuletzt über 43 Millionen Dollar bereitgestellt. Darüber hinaus fördern das „National Endowment for Democracy“ (NED) und das „International Republican Institute“ (IRI) Projekte zu digitalen Technologien für Demokratieresilienz und Cybersicherheit in mehr als 100 Ländern.
Trumps Exekutivanordnung und Musks DOGE-Team stellen nun nicht nur die Entscheidung des Kongresses infrage, sondern bringen die „Infrastruktur der Demokratie“ in Gefahr, welche die USA seit dem Kalten Krieg aufgebaut und unterstützt haben. Während USAID öffentlich demontiert wird, gibt es bislang keine öffentliche Auskunft über das Schicksal von DRL und USAGM. NED hat angekündigt, Verträge mit den Partnern weltweit wegen fehlender Finanzierung nicht erfüllen zu können und die IRI-Website ist aktuell abgestellt. Die Auswirkungen für die Zivilgesellschaft sind bereits spürbar: Nur wenige NGOs können die Finanzierungslücke für 90 Tage überbrücken. Es steht zu befürchten, dass die Zukunftsaussichten düster sind.
Die Grenze zwischen Silicon Valley und Washington schwindet
Die USA unter Trump 2.0 kehren ihrem globalen Engagement den Rücken und setzen nicht nur die Prinzipien einer „America First“-Außenpolitik um, sondern deuten zugleich Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechte um. Offensichtlich wurde dies in der Rede von US-Vizepräsident JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Der reichste Mann der Erde Elon Musk greift den Verwaltungsapparat an, gefährdet den Rechtsstaat in den USA und attackiert verbal demokratisch legitimierte Ämter und Institutionen in Deutschland und Europa. Die enge Zusammenarbeit zwischen dem Tech-Unternehmer und dem Präsidenten lässt die Grenze zwischen Silicon Valley und Washington verschwinden. Es ist zu erwarten, dass die internationale Digitalpolitik der Vereinigten Staaten absehbar von den Wirtschaftsinteressen der Big-Tech-Konzerne geleitet wird und nicht von Werten wie einem offenen, globalen Internet oder der Demokratie. Daher ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Trump-Administration kritische Zivilgesellschaft in autoritären Ländern fördern wird. Dass ein erstarkender digitaler Autoritarismus und die Erweiterung chinesischer und russischer Einflusssphären eigentlich den Interessen der USA widersprechen müsste, ignoriert der US-Präsident bzw. nimmt es billigend in Kauf.
Deutschland und die EU müssen erkennen, welche schwerwiegenden Folgen dieser Rückzug aus den genannten Förderprogrammen hat und den Schutz der Menschenrechte und der Demokratie im digitalen Zeitalter priorisieren.
Deutschland und die EU müssen erkennen, welche schwerwiegenden Folgen dieser Rückzug aus den genannten Förderprogrammen hat und den Schutz der Menschenrechte und der Demokratie im digitalen Zeitalter priorisieren. Deutschlands Strategie für die internationale Digitalpolitik bietet einen Rahmen für die Zusammenarbeit mit anderen Staaten, muss jedoch klarere Ziele und Verantwortlichkeiten definieren. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und das Auswärtige Amt könnten beispielsweise – anlehnend an das bisherige Modell der Vereinigten Staaten – ein Portfolio zur Internetfreiheit ausbauen. Durch ein gemeinsames Programm sollten sie Themen rund um Internet-Governance und digitale Rechte ressortübergreifend effektiver koordinieren und finanzieren. Zudem könnten beide Ministerien ihre Digitalpolitik stärker mit bestehenden Initiativen zur Förderung eines freien Internets im Globalen Süden, beispielsweise der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Brot für die Welt verzahnen und weiter ausbauen sowie ihren Fokus auf die Zivilgesellschaft schärfen.
Zusätzlich sollte die Bundesregierung das Potenzial der existierenden Programme, wie den Prototype Fund und den Sovereign Tech Fund, fördern und eine eigene Stiftung, nach dem Modell des Open Technology Fund, aufbauen. Eine solche Stiftung sollte die Entwicklung von Open-Source-Technologien – vor allem soziale Plattformen und verschlüsselte Kommunikationstools – für Europa selbst sowie für Partnerländer fördern.
Autoritären Ländern die digitale Zukunft nicht überlassen
Deutschland allein kann die Finanzlücke, die die USA hinterlassen wird, nicht schließen. Das erfordert eine gemeinsame europäische Antwort: Die EU könnte im Rahmen von Global Gateway und den Team-Europe-Initiativen digitaler Projekte zur Förderung der Internetfreiheit und einer menschzentrierten digitalen Transformation stärker fördern. Außerdem sollte die Europäische Kommission private Stiftungen, Philanthropen und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zum Dialog einladen und über einen gemeinsamen Fonds beraten. Es sollten gemeinsame Interessen im Sinne von grenzüberschreitendem Datentransfer und Schutz vor Internetshutdowns für die Zivilgesellschaft sowie vernetzte digitale Wirtschaft identifiziert und gefördert werden.
Deutschland sollte sich am Aufbau einer neuen digitalen Weltordnung beteiligen und politisch gestalten. Es sollte sich nicht nur in Multi-Stakeholder-Foren wie dem Internet Governance Forum und der Freedom Online Coalition engagieren, sondern auch viel stärker Partnerschaften mit anderen Technologienationen ausbauen. Die Internationalen Digitaldialoge des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr bieten hierfür eine geeignete Plattform mit großem Potenzial.
Zudem hat Deutschland mit rund 70 Ländern die Erklärung zur Zukunft des Internets unterzeichnet und sich damit für eine Vision eines offenen Internets und den Schutz der Menschenrechte ausgesprochen. Ursprünglich hatten die USA die Erklärung initiiert. Gerade weil die USA sich zurückziehen, sind alle anderen Staaten umso mehr gefordert. Es steht zu viel auf dem Spiel, um diese Vision aufzugeben und autoritären Ländern die Gestaltung der digitalen Zukunft zu überlassen.