Es gibt signifikante Überschneidungen in den strategischen Prioritäten Indiens und Deutschlands bezüglich (a) grüner Industrialisierung, (b) Produktion und Handel von grünem Wasserstoff, (c) Klimagerechtigkeit (insb. Verbesserung des Zugangs zu Energie), (d) Klimafinanzierung. |
Trotz Konsens über die Notwendigkeit einer „gerechten Transformation“ („just transition“) gibt es Abstufungen hinsichtlich der Wahrnehmung von Rollen und Verantwortlichkeiten angesichts der historischen Verursachung des Klimawandels und seiner ungleichen Auswirkungen. |
Für beide Länder ist grüner Wasserstoff wichtig für Energiesicherheit und die grüne Transformation ihrer Wirtschaft. Partnerschaften sollten grüne Wasserstofftechnologien voranbringen, Engpässe beseitigen sowie Normen und Rahmenbedingungen festlegen, auch für den Handel. |
Deutschland stellt erhebliche öffentliche Mittel für Emissionsminderungen in Indien bereit; allerdings wären zusätzlich innovative Finanzierungsmodelle unter Beteiligung des Privatsektors erforderlich. |
Dieser Policy Brief enthält keine Fußnoten. Um die Fußnoten zu sehen, laden Sie bitte hier die PDF-Version der Publikation herunter.
Deutschland und Indien
Prioritäten und Möglichkeiten für Energie- und Klimapartnerschaften
Treibhausgasemissionen sind über Länder und Sektoren breit verteilt, der Umfang der erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens sowie der Agenda 2030 ist groß und der Fortschritt bei den internationalen Klimaverhandlungen unzureichend. Angesichts dieser Ausgangslage sind Partnerschaften jenseits des multilateralen Prozesses ein zunehmend wichtiges Instrument zur Umsetzung der Klimaziele. Im vorliegenden Policy Brief analysieren wir die Energie- und Klimapartnerschaften zwischen Indien und Deutschland. Dafür arbeiten wir zunächst die jeweiligen nationalen Prioritäten in der Emissionsminderung heraus.
Aus mehreren Gründen werden andere wichtige Bereiche wie Klimaanpassung oder Biodiversitätsschutz hier nicht berücksichtigt. Erstens sind Indien und Deutschland als dritt- bzw. achtgrößter CO2-Emittent von entscheidender Bedeutung für die Reduzierung globaler Emissionen gemäß dem Pariser Abkommen. Zweitens können beide Länder aufgrund der Größe ihrer Volkswirtschaften und ihrer Erfahrungen mit der grünen Transformation Erfahrungen austauschen und Skaleneffekte bei der Entwicklung von Lösungen zur Emissionsminderung nutzen. Drittens stellen Emissionsminderungen ein Geschäftsmodell dar, das für die jeweiligen geoökonomischen Interessen der beiden Länder erhebliche Vorteile mit sich bringen kann, sodass sie sich als Vorreiter bei Themen wie grünen Wertschöpfungsketten oder der Dekarbonisierung der Industrie positionieren können.
Deutschlands Klimaaußenpolitik
Verknüpfung von Emissionsminderung mit strategischen Interessen und Werten
Die im Dezember 2023 veröffentlichte deutsche Klimaaußenpolitikstrategie sieht eine Reihe von Instrumenten vor, um Emissionsminderungen und die globale Energiewende voranzutreiben – darunter bilaterale und multilaterale Partnerschaften. Die Politik der Bundesregierung zielt darauf ab, die internationale Dekarbonisierung in einen breiteren strategischen Ansatz einzubetten, der Emissionsminderung mit geoökonomischen und geopolitischen Interessen sowie einer wertegeleiteten Außenpolitik verbindet. Aufbauend auf einer Analyse von Regierungsdokumenten identifizierten wir in einem früheren DGAP-Policy Brief vier strategische politische Prioritäten, die die Bundesregierung durch ihr partnerschaftliches Engagement in der Energie- und Klimapolitik verfolgt:
-
Eine beschleunigte, konzertierte Dekarbonisierung, insbesondere durch die Unterstützung einer Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien und Elektrifizierung, einschließlich des Ausbaus erneuerbarer Energien und der Schaffung kostengünstiger Ausstiegsoptionen für fossile Infrastrukturen
-
Die Sicherung der inländischen Energieversorgung, insbesondere durch vorausschauende Importe von Flüssigerdgas (LNG) und verschiedener Formen von Wasserstoff (H2)
-
Die Sicherung des Zugangs zu ausländischen Märkten und Schaffung wirtschaftlicher Chancen für deutsche Unternehmen, den Aufbau von dekarbonisierten Handelsbeziehungen und Lieferketten sowie Verfolgung einer grünen Industriepolitik
-
Unterstützung von gerechten Nachhaltigkeitstransformationen im Ausland, insbesondere durch die Einbeziehung aller relevanten Akteurinnen, Akteure und marginalisierter Gruppen, im Einklang mit Deutschlands wertebasierter und menschenrechtsorientierter Außenpolitik, einschließlich der Verknüpfung mit feministischer Außenpolitik („feminist foreign policy“).
- DEUTSCHLANDS KLIMADIPLOMATIE
-
Deutschland strebt traditionell eine Führungsrolle in der internationalen Klimapolitik an. Innerhalb der EU engagierte sich die Bundesregierung stark für die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls, welches verbindliche Emissionsminderungsziele für Industrieländer festlegte und damit die besondere Verantwortung historischer Emittenten anerkannte. Als eines der ersten Länder legte Deutschland 1990 Ziele zur Emissionsminderung fest, mit der Bestrebung, die unter das Kyoto-Protokoll fallenden Treibhausgase um 21 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 zu reduzieren – ein ambitionierteres Ziel als der Durchschnitt der EU-Länder. Allerdings waren die 1990er und 2000er Jahre von einer Verschiebung beziehungsweise Abschwächung der Ziele aufgrund des Widerstands verschiedener politischer und Interessengruppen gekennzeichnet, was eine „korporatistische Entscheidungsfindung im Umweltbereich“ darstellt.
Trotz anfänglicher Skepsis in der deutschen Industrie und Politik beschlossen die EU-Mitgliedstaaten die Schaffung eines Emissionshandelssystems (Emissions Trading System, ETS) für energieintensive Industrien, dem flexiblen marktorientierten Fokus des Kyoto-Protokolls folgend. Obgleich die EU damit einen langfristigen Weg zur Emissionsminderung einschlug, wurde das ETS dafür kritisiert, nur spezifische Sektoren anzusprechen und nicht stringent genug zu sein, um ausreichend Anreize für ambitionierte Emissionsminderungen zu setzen. Ein umfassenderer Ansatz wurde nach der Verabschiedung des Pariser Abkommens mit seinem System der nationalen Beitragsziele (Nationally Determined Contributions, NDCs) gewählt. Der Green Deal der EU entstand als gesamtwirtschaftliche Strategie, um bis Mitte des Jahrhunderts Klimaneutralität zu erreichen. Unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2020 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf eine Anhebung des 2030-Ziels zur Emissionsreduktion auf mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990.
Das Gesetzespaket umfasst regulatorische Ansätze, ein strengeres ETS für die Industrie sowie ein zusätzliches ETS für Gebäude und Verkehr. Den Rahmen auf nationaler Ebene bildet das deutsche Klimaschutzgesetz. Nachdem das vorherige Gesetz vom Bundesverfassungsgericht in einem „revolutionären Klima-Urteil“ teilweise für verfassungswidrig erklärt wurde, legte die Regierung einen überarbeiteten Vorschlag vor, der 2021 vom Parlament verabschiedet wurde. Dieser sieht eine Emissionsminderung von 65 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 vor (eine Steigerung von zehn Prozent gegenüber dem bisherigen Gesetz), mit dem Ziel, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen.
Neueste wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die inländischen Emissionen in den kommenden Jahren zwar deutlich sinken werden, diese Bemühungen aber nicht ausreichen, um die Emissionsminderungsziele für 2030 zu erreichen. Ein zentrales Element der deutschen Energiewende ist der Ausstieg aus der inländischen Braun- und Steinkohleförderung bis spätestens 2038. Da sich nach einer Verhandlungseinigung mit Energieversorgungsunternehmen und Gewerkschaften ein Konsens gefestigt hat, ist Deutschland bestrebt, seine Erfahrungen international auszutauschen.
Auf internationaler Ebene betont die Regierung plurilaterale Koalitionen jenseits des multilateralen Prozesses, unter anderem durch Initiativen wie den zwischenstaatlichen Internationalen Klimaklub, der die sektorale Dekarbonisierung vorantreiben soll. Deutschland ist einer der größten Geber von Klimafinanzierung und hat im Jahr 2022 rund sechs Milliarden Euro bereitgestellt. Es drängt andere Industrieländer, diesem Beispiel zu folgen, um das Ziel zu erreichen, jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die internationale Klimafinanzierung bereitzustellen. Da die Klimafinanzierung im Vorfeld der COP29 neu verhandelt wird, betont die Bundesregierung die Verantwortung großer Schwellenländer mit steigenden Emissionen, insbesondere der G20.
Indiens Klimadiplomatie
Navigieren von Klima- und Entwicklungsfragen
Indiens Emissionen sind historisch betrachtet niedrig und machen seit der Industriellen Revolution etwa vier Prozent der weltweiten kumulierten Emissionen aus. Das Land ist jedoch derzeit unter den großen Volkswirtschaften die am schnellsten wachsende, mit einer jährlichen Wachstumsrate von etwa acht Prozent. Mit Indiens Wachstum steigen auch die Emissionen: Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass der Energiebedarf und die damit verbundenen Emissionen bis 2030 um 30 Prozent steigen könnten. Zugleich bleiben die Pro-Kopf-Emissionen weiterhin weit unter dem globalen Durchschnitt (siehe Abbildung 1).
Seit den 1990er Jahren hat sich Indiens Positionierung in der internationalen Klimapolitik erheblich verändert. Das Land hat sich im Rahmen seiner wirtschaftlichen Entwicklung zunehmend zu einer international koordinierten Emissionsminderung verpflichtet, beruft sich jedoch weiterhin auf das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung (Common but Differentiated Responsibilities, CBDR) (siehe Infobox 2). Mehrere Faktoren haben diese Entwicklung beeinflusst. Erstens hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Indien vulnerabel gegenüber dem rasch fortschreitenden Klimawandel ist und daher die Dringlichkeit besteht, im eigenen Interesse zu handeln. Zweitens haben die rasanten technologischen Fortschritte und Kostensenkungen bei grünen Technologien, insbesondere bei erneuerbaren Energien, sowie Indiens beträchtliches Potenzial für Solar- und Windenergie eine wirtschaftliche Grundlage für verstärkte Emissionsminderung geschaffen. Drittens (und hierin liegt der vielleicht wichtigste Punkt) hat das Bewusstsein zugenommen, dass Klimaschutzmaßnahmen einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil bringen können. So war beispielsweise die Aussicht auf eine geringere Abhängigkeit von externen Energiequellen ein Hauptargument für den politischen Vorstoß in Richtung erneuerbare Energien. Die Klimafinanzierung wird zunehmend als zusätzliche Finanzierungsquelle gesehen und nicht mehr nur als Mittel zur Umleitung von Geldern aus anderen Entwicklungsprojekten. Schließlich hat Indien die Notwendigkeit eines positiveren und durchsetzungsfähigeren Ansatzes anerkannt, um Einfluss auf der internationalen Bühne zu gewinnen.
Die Beweggründe für Indiens Klimadiplomatie zu verstehen ist wichtig, um effektive Partnerschaften zu gestalten. Auf Grundlage unserer Analyse können Indiens Prioritäten grob in die folgenden Kategorien eingeteilt werden:
-
Priorisierung des Energiezugangs bei gleichzeitiger Dekarbonisierung: Die Sicherstellung bezahlbarer und zuverlässiger Energieversorgung für mehr als die Hälfte der indischen Bevölkerung, die von Energiearmut betroffen ist, bleibt oberste Priorität der Energiepolitik Indiens. Obwohl Indien ehrgeizige Ziele für saubere Energie hat, müssen internationale Partnerschaften daher seinen Bedarf an bezahlbarem und jederzeit verfügbarem Strom für alle Bürgerinnen und Bürger berücksichtigen – ein Bedarf, der derzeit weitgehend durch Kohleverstromung gedeckt wird. So schätzt Indiens Nationaler Elektrizitätsplan, dass bis 2030 zwar 62,4 Prozent der installierten Kapazität auf erneuerbare Energien entfallen werden, die Kohleverstromung aber weiterhin die dominierende Energiequelle sein und 54,5 Prozent der Erzeugung ausmachen wird.
-
Grüne Industrialisierung: Ein wichtiger Bestandteil der indischen Wirtschaftsstrategie ist die Erhöhung des Anteils des Industriesektors am Bruttoinlandsprodukt. Grüne Technologien werden als ein entscheidender Faktor für diese Industrialisierungsbemühungen angesehen, mit gezielten Bemühungen, lokale Produktionskapazitäten zu schaffen. Indien verfügt bereits über verschiedene leistungsbezogene Anreizsysteme (performance-linked incentive schemes, PLI schemes) für grüne Technologien wie Elektrofahrzeuge, Solarmodule, Batteriespeicher, grünen Wasserstoff und Elektrolyseure. Diese Regelungen bieten umsatzabhängige finanzielle Anreize für ausgewählte Unternehmen, die diese Produkte herstellen. Es werden auch Anstrengungen unternommen, um qualifizierte Arbeitskräfte für die aufstrebenden Industrien auszubilden und die Bedingungen für eine gerechte Transformation für die Arbeiter und Arbeiterinnen in fossilen Brennstoffsektoren zu schaffen. Diese Prioritäten könnten als wichtige Ansatzpunkte für eine tragfähige internationale Partnerschaft dienen.
-
Zugang zur Klimafinanzierung: Indiens umfangreicher Ausbau der Infrastruktur für saubere Energie wird in hohem Maße vom Zufluss internationalen Privatkapitals abhängen, wie in den internationalen Verhandlungspositionen Indiens immer wieder betont wird. Gegenwärtig werden jedoch die meisten Klimaprojekte in Indien aus inländischen Quellen finanziert. Die hohen Kosten für internationales Kapital aufgrund wahrgenommene----r wirtschaftlicher, politischer und währungsbezogener Risiken erschweren weiterhin die Energiewende. Internationale Partnerschaften sollten sich auf Möglichkeiten zur Senkung der Kapitalkosten konzentrieren, entweder durch neue Risikobewertungsmaßnahmen oder durch die Nutzung öffentlicher Finanzmittel zur Risikominderung privater Kapitalflüsse ins Land.
- INDIENS WANDEL IN DER KLIMADIPLOMATIE
-
Indiens Klimadiplomatie ist seit jeher stark von den allgemeinen entwicklungspolitischen Herausforderungen des Landes geprägt. Bereits 1990 betonten indische Verhandlungsführer, dass das Land das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) als multilaterales Wirtschaftsabkommen mit erheblichem potenziellem Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung betrachte, und dieses damit nicht als reines Umweltabkommen sehe. Mit der Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse änderte sich auch die Klimadiplomatie. In der Anfangsphase des UNFCCC-Prozesses vertrat Indien die Position, dass die Armutsbekämpfung und wirtschaftliche Entwicklung Hauptziele der Entwicklungsländer seien und forderte eine „Konvergenz der Pro-Kopf-Emissionen“ von Entwicklungs- und Industrieländern. In der Zeit vor der Konferenz von Rio 1992 gelang es Indien, effektive Allianzen mit Entwicklungsländern zu bilden, um sicherzustellen, dass das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung und der jeweiligen Fähigkeiten (Principle of Common but Differentiated Responsibilities and Respective Capabilities, CBDR-RC) in der UNFCCC verankert wurde.
Vor der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls prägten zwei zentrale Positionen die indische Klimadiplomatie. Erstens schlug Indien eine strikte Trennung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern vor, wobei die Industrieländer aufgrund ihrer historischen Verantwortung ihre Emissionen bis 2000 auf das Niveau von 1990 stabilisieren sollten, während Entwicklungsländer von verbindlichen Verpflichtungen ausgenommen werden sollten. Zweitens erklärte Indien, dass die zusätzlichen Kosten für Klimaschutzmaßnahmen in den Entwicklungsländern von den Industrieländern getragen werden müssten. Zwischen der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls im Jahr 2005 und der Verabschiedung des Pariser Abkommens im Jahr 2015 hat sich die Haltung Indiens deutlich verändert.
Das Land zeigte sich zunehmend offen für Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung, was eine deutliche Abkehr von seiner früheren Haltung markierte. Im Jahr 2008 verabschiedete Indien den Nationalen Aktionsplan zum Klimawandel, der den Schwerpunkt auf das Erreichen von Entwicklungszielen bei gleichzeitigem Nutzen für die Minderung von Emissionen legte. Zudem kündigte 2009 der damalige Umweltminister Jairam Ramesh an, dass Indien die Emissionsintensität des BIP bis 2020 um 20 bis 25 Prozent gegenüber dem Stand von 2005 senken wolle, was eine deutliche Abkehr von der bisherigen Zurückhaltung bei der Festlegung spezifischer Emissionsziele darstellte.
Seit dem Pariser Abkommen ist Indien bestrebt, sich als Vorreiter im Klimaschutz zu positionieren, wobei es das Prinzip der CBDR priorisiert und für eine verstärkte finanzielle und technologische Unterstützung durch die Industrieländer eintritt. Auf der COP26 setzte Indien sich ein Ziel für gesamtwirtschaftliche Netto-Null-Emissionen bis 2070. Darüber hinaus gehört Indien zu einem der wenigen Länder, die ihre ursprünglich festgelegten NDCs in Bezug auf die Reduzierung der Emissionsintensität des BIP und die Erreichung eines kumulierten Anteils von 40 Prozent der installierten elektrischen Leistung aus nicht-fossilen Energiequellen erreicht haben. Derzeit belegt Indien weltweit den vierten Platz in Bezug auf die installierte Kapazität erneuerbarer Energien (rund 175 GW), ein bedeutender Erfolg für ein Schwellenland. Auf der COP27 legte Indien ein aktualisiertes NDC vor, das ein ambitionierteres Ziel enthält, die Emissionsintensität des BIP bis 2030 um 45 Prozent gegenüber 2005 zu senken. Die vielleicht ehrgeizigste Verpflichtung ist die Zusage, die installierte Kapazität an erneuerbaren Energien bis 2030 auf 500 GW zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste Indien in diesem Jahrzehnt mehr Kapazitäten installieren als die derzeit installierte Gesamtstromkapazität des Landes. Damit wäre die nationale Zielsetzung zur Verdreifachung der erneuerbaren Kapazitäten bis 2030 erfüllt.
- KONTEXTUALISIERUNG DER INDISCHEN CO2-EMISSIONEN
-
Als Schwellenland sind die Pro-Kopf-Emissionen Indiens historisch betrachtet niedrig. Während die Pro-Kopf-Emissionen seit den 1950er Jahren stetig gestiegen sind und sich im Zeitraum 2000 bis 2022 verdoppelt haben, liegen sie weiterhin unter denen anderer großer Schwellenländer wie Südafrika, Indonesien oder Vietnam und sind viermal niedriger als in Deutschland (siehe Abbildung 1). Unter Berücksichtigung der Emissionspfade zur Erreichung des Pariser Abkommens würden die inländischen Emissionen von derzeit 2,2 Tonnen pro Kopf auf etwa 3,7 Tonnen im Jahr 2030 ansteigen.
Indien ist durch eine stark ungleiche Verteilung der Emissionen in der Bevölkerung geprägt, wobei der Großteil der Bevölkerung zu den unteren 50 Prozent der globalen Emittenten gehört, und ein beträchtlicher Teil zu den mittleren 40 Prozent der globalen Emittenten zählt. Ein kleiner, aber wachsender Anteil befindet sich in den oberen zehn Prozent der weltweiten Emittenten. Dies bedeutet, dass der Druck zur Emissionsbegrenzung in Indien ungleich verteilt ist. Bezogen auf die Pro-Kopf-Belastung würden die im Pariser Abkommen für 2030 geforderten Emissionspfade für den größten Teil der Bevölkerung einen Anstieg der Emissionen bedeuten. Im Gegensatz dazu müssten die obersten zehn Prozent der Emittenten ihren CO2-Fußabdruck deutlich reduzieren (siehe Abbildung 2).
Weder in Deutschland noch in Indien entsprechen die aktuellen Wachstumsraten beim Ausbau erneuerbarer Energien den jeweiligen Verdreifachungszielen. Auch die EU befindet sich nicht auf dem Weg, das Verdreifachungsziel zu erreichen. Daher sind verstärkte nationale Maßnahmen und internationale Partnerschaften erforderlich, um die Emissionsminderung zu beschleunigen. Im Bewusstsein des unterschiedlichen sozioökonomischen Kontexts und des Prinzips der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung geben wir einen kurzen Überblick über bilaterale Partnerschaften, beschreiben Synergien und Herausforderungen und formulieren Handlungsempfehlungen, wie Deutschland und Indien diese zukünftig gestalten könnten.
Zwei Jahrzehnte deutsch-indische Energie- und Klimapartnerschaften
Deutschland und Indien blicken auf eine lange Geschichte zwischenstaatlicher und wirtschaftlicher Beziehungen zurück. Dabei gehörte Indien zu einem der ersten Länder, die nach dem Zweiten Weltkrieg diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland aufnahmen. Zu den Meilensteinen der deutsch-indischen Beziehungen seit der Jahrtausendwende gehören die Vereinbarung einer strategischen Partnerschaft, die Aufnahme zwischenstaatlicher Konsultationen (Inter-Governmental Consultations, IGC) im Jahr 2011 und der Abschluss der Partnership for Green and Sustainable Development in 2022. Während dieser Zeit haben beide Länder an einer Begrenzung des Klimawandels und der jeweiligen Umsetzung der Energiewende gearbeitet.
Die Gründung des Deutsch-Indischen Energieforums (Indo-German Energy Forum, IGEF) im Jahr 2006 macht Indien zu einem der langjährigsten Partner Deutschlands in den Bereichen Klimaschutz und Energiewende. Seitdem hat das Forum die bilaterale Zusammenarbeit in den Bereichen nachhaltige Energie, Energieeffizienz, Energiesicherheit und Privatwirtschaft erleichtert. Deutschland und Indien haben im Rahmen der 2008 gegründeten Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) zusammengearbeitet.
Im Jahr 2015 vereinbarten beide Seiten eine Solarenergiepartnerschaft (Indo-German Solar Energy Partnership, IGSP) im Wert von einer Milliarde Euro. Es wird erwartet, dass die Solarenergie weit mehr als die Hälfte der 500 Gigawatt (GW) nicht-fossiler Energie ausmachen wird, die Indien bis 2030 installieren will.
Im Jahr 2022 unterzeichneten die damals neue Bundesregierung und die indische Regierung mehrere strategisch bedeutende Dokumente. Im Anschluss an die sechsten Regierungskonsultationen unterzeichneten sie insgesamt 14 Abkommen, von denen mehrere den Klimaschutz und die Energiewende betreffen. Das wichtigste darunter war die „Indo-German Partnership for Green and Sustainable Development“, in der sich beide Länder verpflichten, ihre Zusammenarbeit in den Bereichen Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung zu intensivieren, um die Ziele des Pariser Abkommens und die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) zu erreichen. Demnach soll die Partnerschaft „die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, den Organisationen der Zivilgesellschaft und den Forschungseinrichtungen fortsetzen und weiter ausbauen.“
Ein Element ist eine gemeinsame Absichtserklärung zur Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien. Die „Indo-German Renewable Energy Partnership“ bildet die Nachfolge und eine breitere Ausrichtung der 2015 beschlossenen IGSP. Indien und Deutschland hoffen, damit ihre Ziele zu erreichen, bis 2030 40 (kürzlich auf 50 Prozent aktualisiert) bzw. 80 Prozent ihres Stroms aus nicht-fossilen Quellen zu erzeugen. Darüber hinaus wird die deutsch-indische Taskforce „Grüner Wasserstoff“ von 2022 die Beziehungen zwischen Regierung, Industrie und Forschungseinrichtungen erleichtern, um die Produktion, Verarbeitung, Nutzung und den Transport von grünem Wasserstoff zu fördern.
Als Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2023 Indien besuchte, einigten sich die Regierungen auf eine „India-Germany Vision to Enhance Cooperation in Innovation and Technology“, die eine Klausel zu Energiepartnerschaften und sauberen Technologien, einschließlich grünem Wasserstoff, enthält. Zur Implementierung unterzeichneten das indische Ministerium für Wissenschaft und Technologie (DST) und das deutsche Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE) eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit im Bereich grüner Wasserstoff und sauberer Energietechnologien.
Analyse
Übereinstimmung von Energie- und Klimapartnerschaften mit den klimapolitischen Prioritäten beider Länder
Aufbauend auf unserer Analyse stellen wir bedeutende Überschneidungen zwischen den strategischen Prioritäten Indiens und Deutschlands im Bereich Klima und Energie fest. Die vier folgenden übergeordneten Themen spiegeln gemeinsame Prioritäten wider (siehe Abbildung 4): (a) Dekarbonisierung, Energiezugang und gerechte Transformationen; (b) grüne Wirtschaft; (c) grüner Wasserstoff; und (d) Klimafinanzierung. Im Folgenden werden die bestehenden Partnerschaften entlang dieser Themen analysiert.
Erstens stimmt Deutschlands Interesse an Dekarbonisierung und grüner Industriepolitik mit Indiens Interesse an der Förderung der grünen Industrialisierung überein. Die Formulierungen der verschiedenen Vereinbarungen und geplanten Aktivitäten zeigen die Dringlichkeit der Dekarbonisierung und des Ausbaus erneuerbarer Energien. So befassen sich beispielsweise alle vier IGEF-Schwerpunktbereiche mit der Dekarbonisierung im Energiesektor, Energieeffizienz, Flexibilisierung von Kohlebetriebenen Wärmekraftwerken sowie Finanzierung grüner Energien und Netzintegration. Die 2022 geschlossene „Partnership for Green and Sustainable Development“ zielt darauf ab, „die bilaterale Zusammenarbeit im Bereich Klima und nachhaltige Entwicklung zu intensivieren und sie mit dem starken Engagement beider Partner für die SDGs und die Umsetzung des Pariser Abkommens zu verknüpfen.“ Als Bereiche für die bilaterale Zusammenarbeit werden der Ausbau erneuerbarer Energiekapazitäten, nachhaltige Stadtentwicklung und grüne Mobilität genannt. Technologische Innovationen, regulatorische Standards, Kapazitätsaufbau und private Investitionen sind Themen der Zusammenarbeit, wobei ein Schwerpunkt auf dem Aufbau von Fertigungskapazitäten im Bereich der Photovoltaik liegt.
Die „Renewable Energy Partnership“ von 2022 geht über den Fokus auf PV hinaus und zielt darauf ab, „ein breites Spektrum von Anwendungen erneuerbarer Energien zu fördern, das von kleinen netzunabhängigen Lösungen bis hin zu großangelegten Solar-, Windkraft- und Offshore-Windparks reicht.“ Dokumente aus den Jahren 2022 und 2023 enthalten eine stärkere Betonung der Dekarbonisierung, was die wachsende Dringlichkeit zum Handeln widerspiegelt. Energieerzeugung, -übertragung und -effizienz haben sich für die deutsche KfW-Entwicklungsbank mit rund 744 Millionen Euro finanzieller Zusagen zu den größten Förderbereichen in Indien entwickelt. Ein Wettbewerbsvorteil bei der grünen Transformation scheint ebenfalls eine Motivation zu sein. Angesichts des zunehmend intensiven Wettbewerbs im Bereich der sauberen Technologien konzentrieren sich die bestehenden Partnerschaften häufig auf technologische Zusammenarbeit und gemeinsame Forschung und Entwicklung zwischen Industrie, Privatsektor und Forschungseinrichtungen.
Zweitens hat sich die Förderung von Wasserstoffmärkten und -handel als ein Schwerpunkt der Zusammenarbeit herauskristallisiert, wobei die Aktivitäten darauf abzielen, politische Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen, Unternehmen und andere Interessengruppen einzubinden. Im Rahmen der IGEF wurden beispielsweise Programme zur technischen Zusammenarbeit und zum Aufbau von Kapazitäten sowie Schulungsmaßnahmen in Bezug auf grüne Ammoniak-Lieferketten, grüne Wasserstoff-Elektrolyseure und Brennstoffzellen sowie die Identifizierung grüner Wasserstoff-Hubs in Indien durchgeführt. Die „Partnership for Green and Sustainable Development“ sieht Wasserstoff als einen besonderen Bereich für die Zusammenarbeit vor. Zu den Schwerpunkten gehören technologische Innovation, Regulierungsstandards, Kapazitätsaufbau und private Investitionen. Mit dem Ziel, sich als zukünftiger Produzent und Exporteur von grünem Wasserstoff als Teil einer grünen Industrialisierungsagenda zu positionieren, verbindet Indien diesen Aktionsbereich mit wirtschaftlichen Möglichkeiten und grünem Wachstum. Für Deutschland wird dies als Maßnahme zur Verbesserung der Energiesicherheit gesehen, wobei Wasserstoff als wichtiges Element im zukünftigen Energiemix Deutschlands gilt. Gleichzeitig kann es auch seiner grünen Industriepolitik dienen, da Deutschland die Versorgung mit Wasserstoff für die Schwerindustrie (z. B. grüner Stahl) sicherstellen will, in denen Emissionen als schwer vermeidbar gelten (sog. „hard-to-abate“-Sektoren). Abgesehen von den Wasserstoffproduktionskapazitäten und dem damit verbundenen Handel scheinen Überlegungen zur Energiesicherheit in den deutsch-indischen Partnerschaften nicht im Vordergrund zu stehen. Eine Erklärung dafür ist das begrenzte Potenzial, zur gegenseitigen Versorgungssicherheit beizutragen.
Drittens gibt es eine Überschneidung zwischen Deutschlands Schwerpunkt auf „just transition“ und Indiens Priorität, den Zugang zu Energie zu gewährleisten und gleichzeitig die Dekarbonisierung voranzutreiben. Die Verbesserung des Energiezugangs wird in den Abkommen nur selten explizit erwähnt, es wurden jedoch bedeutende Aktivitäten in diesem Bereich durchgeführt. Vor allem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat durch die Bereitstellung von Krediten die Einrichtung grüner Energiekorridore unterstützt, um Kapazitäten aus erneuerbaren Energien in das indische Stromnetz einzuspeisen. Nach Angaben des BMZ wurden „7.770 Kilometer grüne Energiekorridore eingerichtet, die rund 40 Millionen Menschen mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen versorgen“. Die Integration Erneuerbarer in den Strommix ist weiterhin eine Priorität im Rahmen der Solarpartnerschaft 2022, für die das BMZ die Bereitstellung einer weiteren Milliarde Euro bis 2025 zugesagt hat.
Die „Partnership for Green Urban Mobility“ aus dem Jahr 2019 identifiziert den verbesserten Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln und klimafreundlicher Mobilität als eine Möglichkeit, „wirtschaftliche und soziale Chancen“ zu schaffen. Dabei bietet die deutsche Entwicklungsorganisation GIZ technische Unterstützung zur Gestaltung „nachhaltiger, inklusiver und intelligenter Lösungen für einfache und erschwingliche Mobilität“, und die KfW-Entwicklungsbank vergibt zinsgünstige Kredite zur Finanzierung solcher Maßnahmen. Neue Möglichkeiten können durch die „Partnership for Green and Sustainable Development“ von 2022 geschaffen werden, die als einen ihrer Schwerpunkte „eine gerechte Energiewende“ definiert und die Zusammenarbeit mit und zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen erwähnt.
Schließlich wird Indiens Bedarf an Klimafinanzierung durch Deutschlands gerechtigkeitsorientierten Ansatz in der Klimaaußenpolitik gespiegelt. Während Indien und der Globale Süden allgemein Grund haben, sich über fehlende Klimafinanzierung zu beklagen, haben die deutsch-indischen Partnerschaften bemerkenswerte finanzielle Mittel mobilisiert und werden dies auch in Zukunft tun. So hat Deutschland beispielsweise im Rahmen der „Partnership for Green and Sustainable Development“ von 2022 zehn Milliarden Euro an Unterstützung für Indien bis 2030 zugesagt. Ebenso hat die „Indo-German Solar Energy Partnership“ von 2015 Indien rund eine Milliarde Euro in Form von zinsgünstigen Krediten bereitgestellt.
Empfehlungen
Vertiefung und Operationalisierung der Partnerschaften
Angesichts der Notwendigkeit der beschleunigten Umsetzung des Pariser Abkommens, des geopolitischen Wettbewerbs mit China und der zunehmenden Volatilität der Energiepreise seit der russischen Invasion der Ukraine sollten Deutschland und Indien ihre Beziehungen beim Klimaschutz vertiefen. Zwar haben beide Länder ihre gemeinsamen Anstrengungen in den Bereichen Klima und Energie durch zahlreiche Initiativen vorangetrieben, dennoch gibt es Potenzial für eine Weiterentwicklung der Zusammenarbeit. Aufbauend auf bestehenden Initiativen empfehlen wir, die Partnerschaft in folgenden Schlüsselbereichen zu vertiefen:
Grüne Wirtschaft
Um eine grüne Transformation ihrer Volkswirtschaften zu erreichen, können Indien und Deutschland ihre Partnerschaften unter anderem in den folgenden Bereichen nutzen:
- Gemeinsame Entwicklung grüner Technologien in vielversprechenden Sektoren wie Solarmodulen und Batteriespeichern, insbesondere durch effektive Plattformen, die es Wissenschaft und Industrie ermöglichen, Daten und Fachwissen auszutauschen.
- Angleichung der grünen Industriepolitik für die Zusammenarbeit beim Handel mit grünen Technologien und Maximierung der komparativen Vorteile. Beide Länder können zudem ihre nationalen Politiken zur Emissionsreduzierung, Maßnahmen für nachhaltiges Ressourcenmanagement und klimafreundliche landwirtschaftliche Praktiken harmonisieren.
- Förderung von Emissionsminderungen in Drittländern durch verstärkte Zusammenarbeit in bestehenden plurilateralen Foren wie der „International Solar Alliance“ und der „Coalition for Disaster Resilient Infrastructure“.
- Zusammenarbeit zur Förderung des Dialogs zwischen Indien, anderen Schwellen- und Entwicklungsländern und der EU, um Probleme bei der Umsetzung des CO2-Grenzausgleich-Mechanismus der EU (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) zu lösen.
Grüner Wasserstoff
Beide Länder betrachten grünen Wasserstoff als ein wichtiges Element ihrer energie- und wirtschaftspolitischen Transformation. Indien hat vor kurzem seine „Green Hydrogen Mission“ ins Leben gerufen, und auch Deutschland hat Wasserstoff in seiner Innenpolitik und im Rahmen des Klima-Clubs einen hohen Stellenwert eingeräumt:
-
Wasserstoffwirtschaft: Beide Länder sollten auf bilateraler und plurilateraler Ebene zusammenarbeiten, um die Grundlagen für eine grüne Wasserstoffwirtschaft zu schaffen. Dazu gehören standardisierte Definitionen für die verschiedenen Arten von Wasserstoff, die Schaffung gemeinsamer Regeln für den Transport und Handel, die Abstimmung nationaler Maßnahmen und die Schaffung von Nachfrage durch Industriemandate oder wirtschaftliche Anreize.
-
Plattform für Zusammenarbeit: Indien und Deutschland könnten zusammenarbeiten, um eine Plattform zu schaffen, die politische Entscheidungsträger, Entscheidungsträgerinnen und die Industrie zusammenbringt, um einen gangbaren Weg für die Produktion, die Nutzung und den Handel von grünem Wasserstoff zu identifizieren. Die Plattform könnte den Wissensaustausch und die gemeinsame Entwicklung grüner Wasserstofftechnologien unterstützen, Joint Ventures zum Aufbau des Wasserstoffmarktes fördern und zentrale Engpässe beseitigen, die die Nachfrage nach Wasserstoff behindern. Die Einrichtung eines H2-Diplo-Büros in Indien – eine Initiative der deutschen Regierung zur Zusammenarbeit mit Partnerländern bei der Nutzung von grünem Wasserstoff und der Diversifizierung ihrer Wirtschaft - kann ein erster Schritt sein.
Dekarbonisierung, Energiezugang und gerechte Transformationen
Indisch-deutsche Partnerschaften haben in der Vergangenheit konsequent die Dekarbonisierung mit einem Fokus auf grüne Technologien wie erneuerbare Energien und öffentliche Verkehrsmittel priorisiert. Um die Vorteile künftiger Partnerschaften zu maximieren, ist es entscheidend, sich auf Sektoren zu konzentrieren, die das Potenzial haben, Energiezugang und Dekarbonisierung zusammenzubringen. Der Fokus sollte dabei auf Bereichen liegen, wo in Indien bereits eine beachtliche politische Dynamik besteht:
-
Solar-Dachanlagen: Partnerschaften im Bereich der Solar-Dachanlagen könnten sich sowohl auf Wissen als auch auf Ressourcen konzentrieren. Deutschlands Erfolg bei der Nutzung von Solarenergie könnte wichtige Lehren für Indien enthalten. Darüber hinaus besteht über Institutionen wie die KfW die Möglichkeit, Programme zu entwickeln, die kleinere Verbraucher zusammenbringen und damit Nachfrage bündeln, und die zudem finanzielle Garantien bieten. Diese Programme würden private Investoren und Entwickler dazu ermutigen, kleineren Verbrauchern, die in der Regel eine geringere Kreditwürdigkeit haben, erschwingliche Finanzierungen bereitzustellen.
-
Netzstabilität und -speicherung: Indien wird bis 2027 etwa 35 GWh an Batteriespeichersystemen installieren müssen, um erneuerbare Energien effektiv in das Netz zu integrieren, was sofortige Großinvestitionen in diesem Sektor erfordert. Die indische Regierung hat bereits ein PLI-Programm für Batteriespeichersysteme und beabsichtigt, 36,7 Milliarden Indische Rupien (400 Millionen US-Dollar) als „Lückenfinanzierung“ für die Kosten großer Batteriespeichersysteme bereitzustellen. Deutschlands Kapazitätsaufbau ist größtenteils auf kleine private Haushalte zurückzuführen, während großangelegte und industrielle Speicherkapazitäten langsamer gewachsen sind. Das regulatorische Umfeld spielt eine wichtige Rolle, allerdings müssen politische Maßnahmen mitunter noch definiert werden. Die indisch-deutsche Klimapartnerschaft könnte ihren Fokus auf BESS-Projekte erheblich verstärken, um die Vorteile erneuerbarer Energien zu maximieren und den Übergang weg von der thermischen Energie zu erleichtern. Ein erster Schritt könnte die Einrichtung einer Industriekooperation sein, die sich der Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich der Batteriespeichertechnologien und der Förderung des gegenseitigen Lernens widmet, mit dem Ziel, die Kosten für Batteriespeichersysteme zu senken. Darüber hinaus besteht Potenzial für die Einrichtung eines Fonds, um weitere Forschung und Entwicklung zu finanzieren. Darüber hinaus könnten Behörden, politische Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen beider Länder zusammenarbeiten, um bewährte Verfahren für die Integration von Batteriespeichern in das Energienetz zu identifizieren und umzusetzen und so deren Effizienz und Nachhaltigkeit zu verbessern. Bemühungen zur Verbesserung der Übertragungs- und Netzinfrastruktur tragen dazu bei, sektorspezifische Investitionsrisiken zu mindern und könnten auch Anreize für inländische und private Investitionen in erneuerbare Energieprojekte schaffen.
Unterschiedliche Ansätze im Bereich der „just transition“ sollten bei künftigen Partnerschaften berücksichtigt werden. Insbesondere geht die indische Strategie über die Unterstützung für die von der Umstellung der Kohleindustrie betroffenen Bevölkerungsgruppen hinaus. Sie verknüpft gerechte Transformationen mit grundsätzlichen Fragen der Energiesicherheit, Armutsbekämpfung und Klimafinanzierung. Aus dieser Perspektive muss eine Partnerschaft für eine gerechte Transformation explizit darauf abzielen, erneuerbare Energien zur Verbesserung des Energiezugangs zu nutzen, die Nachfrage nach thermischer Energie zu reduzieren und eine Qualifizierung von Arbeitskräften im Energiesektor zu schaffen.
-
Ausbildungsprogramme: Indisch-deutsche Partnerschaften sollten sich auf Schlüsselkompetenzen konzentrieren, die in einer Wirtschaft mit erneuerbaren Energien benötigt werden, und Programme zur Umschulung und Qualifizierung von Arbeitskräften entwickeln, um Arbeitsplätze im Bereich erneuerbarer Energien zugänglich zu machen, insbesondere in Regionen mit hoher Kohleabhängigkeit.
-
Unterstützung für Transformationen auf subnationaler Ebene: In vielen kohleabhängigen Bundesstaaten Indiens wird ein erheblicher Teil der Kohleminen und Wärmekraftwerke im nächsten Jahrzehnt das Ende ihres Lebenszyklus erreichen. Deutsche Partner der wirtschaftlichen und Entwicklungszusammenarbeit könnten mit bereitwilligen Bundesstaaten kooperieren, um die wirtschaftliche Diversifizierung von kohleabhängigen Regionen finanziell zu unterstützen. Dies könnte dazu beitragen, neue Lebensgrundlagen zu schaffen, während sich die Welt, wie auf der COP28 vereinbart, „auf gerechte, geordnete und ausgewogene Weise von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen wegbewegt“. Unterstützung kann in zwei Formen erfolgen: i) Bereitstellung spezieller Expertise für die Bundesstaats-Regierungen zur Erstellung von Plänen für die wirtschaftliche Diversifizierung und ii) finanzielle Unterstützung für spezifische Projekte zur Schaffung alternativer Arbeitsplätze in kohleabhängigen Regionen.
Klimafinanzierung
Deutschland stellt erhebliche öffentliche Finanzmittel für Klimaschutzmaßnahmen in Indien zur Verfügung – insbesondere im Rahmen des „Partnership for Green and Sustainable Development“ sowie der KfW-Programme.
Entwicklung innovativer Klimafinanzierung: Darüber hinaus sollten deutsche und indische Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen zusammenarbeiten, um Anreize für private Kapitalflüsse durch Instrumente wie Garantien oder Versicherungsprodukte zu schaffen. Sie sollten innovative Finanzierungsmodelle wie Blended Finance und sogenannte „Debt-to-Climate Swaps“ in Betracht ziehen und diese Modelle im Rahmen der Reform des internationalen Finanzsystems fördern.