›GOOD GOVERNANCE‹ BESCHREIBT DEN ANSPRUCH, STAATLICHES HANDELN AN ETHISCHEN KRITERIEN ZU MESSEN. DAMIT IST GOOD GOVERNANCE GLEICHZEITIG SCHLÜSSEL UND ZIEL FÜR GESELLSCHAFTLICHE TRANSFORMATION.
Die UN listen zehn Merkmale für gute Regierungsführung auf. Sie sei teilhabeorientiert, auf Kompromisse ausgerichtet, verantwortungsvoll, transparent, nachhaltig, offen, effektiv und effizient, gerecht, inklusiv und folge Regeln und Gesetzen. Ein ganzes Spektrum, das vor allem eines symbolisiert: verantwortliches Handeln, das Gemeinwohl im Blick. Dies sorgt dafür, dass die Vielfalt derer zu Wort kommt, deren Stimme oftmals marginalisiert ist, Korruption abnimmt, politische Entscheidungsprozesse nicht hierarchisch von oben nach unten verlaufen – und all das dem Wohl der Bevölkerung zugutekommt.
Das Goerdeler-Kolleg richtete den Fokus dabei auf drei dieser Kategorien: Transparenz, Partizipation, Gemeinwohl.
TRANSPARENZ BEDEUTET:
alle Entscheidungen so treffen, dass das Wie, Warum, Wer nachvollziehbar sind. Jede Verwaltungseinheit, im Ministerium wie im Verband, muss in der Lage sein, über ihr Handeln präzise zu informieren.
PARTIZIPATION BEDEUTET:
alle Betroffenen einzubeziehen. Gesellschaftliche Probleme nachhaltig lösen, indem man die Perspektiven diverser Akteure berücksichtigt und divergierende Interessen friedlich aushandelt.
GEMEINWOHL BEDEUTET:
alle im Blick zu haben. Pläne und Entscheidungen auf die Diversität an Perspektiven auszurichten, die eine Gesellschaft ausmacht – auch in kommenden Generationen. Also dabei nachhaltig zu denken. Auf Konsens aus sein, Beteiligung ermöglichen, um Benachteiligung auszuschließen.
GOOD GOVERNANCE
in der Regierungsführung ist notwendig, aber reicht nicht aus, um eine Gesellschaft mit diesen Werten zu erfüllen. Verantwortlich sind wir alle zusammen: für die Entscheidungen, die wir treffen; und die Macht, die wir damit ausüben. Etwa, indem wir diese Macht einsetzen, um den »Good«-Anteil unseres Handelns zu erhöhen.
GOVERNANCE ALS REFORMKONZEPT
Die Rolle der Verwaltung im politischen Prozess: Wer warum welche Entscheidungen treffen muss – das Konzept für erfolgreichen Wandel im öffentlichen Sektor.
DER HINTERGRUND
»Governance bezeichnet eine veränderte Sichtweise des Regierens, der Institutionen, Strukturen und Prozesse des ›Politikmachens‹, des Policy Making, der Politikformulierung und -umsetzung. Neue Formen der Kooperation zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren, der horizontalen Koordination und Integration, von Vertrauen und Legitimität sind verstärkt in das Aufmerksamkeitsfeld der Forschung geraten und gelten als Chance, um politische Gestaltungsspielräume zu gewinnen. Governance als neuartiges Konzept des Regierens stellt damit das traditionelle Verständnis und Instrumentarium politischer Verhaltensweise und Steuerung infrage. Diese Veränderungen betreffen vor allem die öffentliche Verwaltung: wegen ihrer Rolle als zentrale Instanz für die Vorbereitung und Umsetzung (und gerade auch Durchsetzung) von Politik(-inhalten).«
DIE AKTEURE
»Aus der Sicht der Verwaltungspolitik waren die Neunzigerjahre international ohne Zweifel das Jahrzehnt des Managements. Bei ›Governance‹ stehen nun die Bevölkerung und die Zivilgesellschaft mit im Fokus: Es kommt darauf an, gesellschaftliche Akteure in die Problembewältigung einzubinden, sie zu motivieren und aktivieren, um sie nicht länger von oben herab, top down, zu steuern oder zu versorgen. Ein zentrales Ziel: keine soziale ›Exklusion‹ gesellschaftlicher Gruppen, Nachbarschaften oder Regionen. Niemandem, weder am unteren Ende der Sozialskala noch am oberen Ende, soll erlaubt werden, sich aus der gesellschaftlichen Verantwortung zu stehlen. Die neuen Ziele lauten also – neben Effizienz und Dienstleistungsorientierung, die durchaus weiter gelten sollen – Stärkung von sozialer, politischer und administrativer Kohäsion, von politischer und gesellschaftlicher Beteiligung, von bürgerschaftlichem und politischem Engagement. Auf lokaler Ebene wurde in diesem Zuge das Modell der Dienstleistungskommune zu dem der Bürgerkommune weiterentwickelt.«
DIE MERKMALE
INTER- STATT INTRA-ORGANISATORISCHE PERSPEKTIVE
»Governance thematisiert das Zusammenspiel unterschiedlicher Organisationen (innerhalb und außerhalb des öffentlichen Sektors) in Netzwerken. Die ›Policy Outcomes‹, umfassendere Wirkungen und Auswirkungen, sind wichtiger als kurzfristige ›Outputs‹ «.
NETZWERKE STATT MARKT UND HIERARCHIE
»Netzwerkartige Steuerungsformen als Alternative zu traditioneller hierarchischer Steuerung; Vertrauen und informelle Verhaltensnormen werden betont. Die Verwaltung als Initiator, Moderator und Förderer von Netzwerken zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren.«
KOMBINATION VON STEUERUNGSFORMEN (MIX OF MODES)
»Im Fokus steht die Kombination verschiedener Steuerungsmodi, um mehr Potenziale zu entfalten; etwa in Form von Public-Private-Partnerships, Koproduktion, Bürgerkommunen.«
DIE UMSETZUNG
»Modern Governance bedeutet zugespitzt: die Kombination von weniger Staat mit mehr Politik, also gesellschaftlicher Beteiligung.« »Der Fokus wechselt von der einzelnen Organisation oder Behörde zur Koordination unterschiedlicher, öffentlicher und privater, gesellschaftlicher und ökonomischer Akteure und von ökonomischen und regulativen Anreizen und Sanktionen zu normativen oder kognitiven Weltbildern. Dazu gehören Solidarität, Vertrauen und ähnliche ›weiche‹ Steuerungsmodi. Es geht um institutionelle Regeln für gemeinwohlverträgliches Verhalten.«
DIE FOLGEN
»Das Governance-Konzept hat im Zuge des politischen Wettbewerbs der Verwaltungspolitik neue Impulse gegeben und sie erweitert hinsichtlich a) der Problemsicht: über Effizienz hinaus auf Effektivität und Kohärenz; b) der Perspektive: über einzelne Organisationen hinaus auf interorganisatorische Beziehungen und nicht-staatliche Akteure; c) der Lösungen: über den Markt hinaus auf Netzwerke, Gemeinschaft, die Kombination aller Governance-Formen und die Bedeutung institutioneller Arrangements.
Und das künftige Leitbild? ›Open Government‹ etwa, mit datengetriebener Verwaltung, mehr Transparenz durch soziale Medien und die Digitalisierung von Staat und Gesellschaft. Verwaltungsmodernisierung ist vor allem eins: ein ewiger Lernprozess.«
Werner Jann ist Professor (em.) für Politikwissenschaft, Verwaltung und Organisation an der Universität Potsdam und begleitete das Kolleg viele Jahre als Dozent zum Thema Governance.