Zusammenfassung
Der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz haben die geopolitische Dringlichkeit einer Neugestaltung der Beziehungen der Europäischen Union zu ihrer Nachbarschaft unterstrichen. Beide erkennen an, dass eine EU-Erweiterung notwendig ist, betonen aber auch, dass zuvor tiefgreifende institutionelle Reformen der EU erforderlich sind. Die Vertiefung und Erweiterung der EU sind komplexe Prozesse, die von Vetospielern blockiert werden könnten.
Angesichts der geopolitischen Herausforderungen liegt es im entscheidenden Interesse der EU, Stabilität in ihre Nachbarschaft zu bringen, indem sie eine geopolitische Annäherung an die EU ermöglicht, die Erpressungsmacht autoritärer Staaten begrenzt, widerstandsfähigere Demokratien unterstützt und die Rechtsstaatlichkeit stärkt. Unterdessen suchen die Nachbarn der EU nach einem politischen Raum, in dem Herausforderungen für die kollektive Sicherheit und Stabilität angegangen und konkrete politische Entscheidungen getroffen werden können. Angesichts der Dringlichkeit reicht es nicht aus, sich auf langwierige EU-Beitrittsverfahren zu verlassen.
Eine "Europäische Politische Gemeinschaft" (EPG), deren erstes Gipfeltreffen am 6. Oktober 2022 stattfindet, könnte sowohl eine Brücke zu einer größeren EU schlagen und auch einen Rahmen für Partnerschaftsabkommen dienen. Die Staats- und Regierungschefs sollten das Gipfeltreffen nutzen, um mit dem Aufbau einer Plattform zu beginnen, die den politischen Dialog mit der Umsetzung politischer Maßnahmen schnell und flexibel verbinden. So können die Beziehungen zwischen der EU und ihrer Nachbarschaft künftig effektiver gestaltet werden.
Die EPG könnte als Soft-Law-Abkommen zwischen den Staaten und der EU beginnen. Sie würde so weit wie möglich mit den bestehenden Institutionen zusammenarbeiten und gleichzeitig eine effektivere Entscheidungsfindung anstreben als derzeit in der EU. So könnte sie beispielsweise ohne Vetorecht arbeiten und in geopolitisch relevanten Bereichen tätig werden, die noch nicht in die Zuständigkeit der EU fallen. Eine ehrgeizige EPG würde finanzielle Mittel für eine vertiefte Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Klima, Sicherheit und Verteidigung sowie wirtschaftliche und soziale Konvergenz bereitstellen.
Die EPG wäre und sollte kein Ersatz für einen EU-Beitritt sein, sondern so gestaltet werden, dass sie als Beschleunigerin wirken kann. Für Länder, die keinen EU-Beitritt anstreben, würde sie einen Rahmen bieten, der die strukturierte Zusammenarbeit mit der EU unterstützt.
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