Externe Publikationen

21. Febr. 2013

Ein transatlantisches Handelsabkommen ist überfällig

Zollabbau würde in beiden Wirtschaftsräumen zu erheblichen Wachstumseffekten führen

Seit den 90er Jahren diskutiert, kommt nun endlich Bewegung in das Vorhaben. Anfang Februar will die Arbeitsgruppe unter der Leitung von EU-Handelskommissar Karel de Gucht und seinem US-Amtskollegen Ron Kirk ihre Empfehlungen veröffentlichen und wird sich darin aller Wahrscheinlichkeit nach für die Aufnahme von konkreten Verhandlungen aussprechen.

PDF

Share

Obwohl die durchschnittlichen Zölle zwischen der EU und den USA bereits sehr niedrig sind, würde ihr Abbau durch das große Handelsvolumen beider Wirtschaftsräume zu erheblichen Wachstumseffekten führen. Insbesondere für Deutschland als große Exportnation ist dies von Bedeutung. Nach Jahren des Stillstands zögern vor allem noch die USA. Aber die Chancen für ein gemeinsames Abkommen stehen heute so gut wie nie. Beide Partner stecken in einer tiefen Wirtschaftskrise und wollen – angesichts der schwachen Wachstumsaussichten – keine Möglichkeit vertun, ihre lahmende Wirtschaft anzukurbeln. Wirtschaftsverbände auf beiden Seiten des Atlantiks haben sich für ein umfassendes Handelsabkommen ausgesprochen und auch die politische Führung, nicht zuletzt US-Außenministerin Hillary Clinton, unterstützt die Initiative.   

Sicher, der Abbau dieser Zölle wird sich nicht einfach gestalten. Die tiefhängenden Früchte sind schon geerntet worden, jetzt geht es um sensible Bereiche wie Chemikalien und Pharmazeutika. Doch eine Einigung ist möglich. Da die EU und die USA mittlerweile weniger über physische Handelsströme als über Investitionen und unternehmerische Tätigkeiten im Partnerland verflochten sind, versprechen auch die Bereiche Investitionen und Öffentliche Auftragsvergabe eine große Wachstumsdynamik.

Bei Investitionen haben sich die USA und die EU vergangenen April bereits auf Grundsätze geeinigt, die als Blaupause für ein faires und transparentes Investitionsregime weltweit dienen sollen. Sie können nun als Grundlage für das Investitionskapitel im Handelsabkommen genutzt werden, auch wenn sie weiter konkretisiert werden müssen. Das Thema Öffentliche Auftragsvergabe ist für die EU besonders wichtig. Hier könnten die Verhandlungen aber besonders mühsam werden, weil die Auftragsvergabe teilweise in den Händen der einzelnen US-Bundesstaaten liegt. Die Europäer kritisieren seit langem, dass der Vergabemarkt in den USA deutlich geschlossener ist als der der EU. Hier müssen die USA Entgegenkommen zeigen. Auch die engere Kooperation in der regulatorischen Zusammenarbeit ist wichtig, da sie immer wieder die Handelsbeziehungen behindert.

US-Agrarlobby kritisiert hohe Marktzugangsbarrieren im Agrarbereich

Der Knackpunkt liegt – allen gegenteiligen Meinungen zum Trotz – im Agrarbereich – seit Jahrzehnten ein Zankapfel zwischen den USA und der EU. Agrarexporte sind wichtig für die USA. Mit 38 Prozent der weltweiten Maisproduktion und Anteilen von rund 20 Prozent an der weltweiten Produktion von Rind- und Kalbfleisch oder auch Hühnerfleisch zählen die USA zu den größten Agrarproduzenten und -exporteuren weltweit. Doch nur ein geringer Anteil an diesen Exporten geht in die EU. Bei Mais liegt dieser Anteil bei 1,8 Prozent, bei Geflügel bei 3,7 Prozent. Die USA machen hierfür unter anderem die hohen Marktzugangsbarrieren in der EU verantwortlich. US-Exporte treffen auf Spitzenzölle, Quoten und strenge gesundheitliche und pflanzenschutzrechtliche Standards in der EU – etwa bei gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln oder der Milchsäurebehandlung von Rindfleisch. Die USA mit ihrer starken Agrarlobby erwarten, dass die EU in diesen strittigen Fragen in Vorleistung geht. Auch bei den Importvoraussetzungen von lebenden Schweinen erwarten sie ein Entgegenkommen. Die EU sollte signalisieren, dass sie zu Verhandlungen bereit ist – ohne jedoch falsche Erwartungen zu schüren. Vor allem beim Thema gentechnisch veränderte Lebensmittel wird die EU aufgrund der breiten Ablehnung in der Bevölkerung kaum Handlungsspielraum haben. Die USA sollten dieses Thema daher bei den Verhandlungen ausklammern.

Keiner der beiden Partner will ein zweites Doha. Der Abschluss von Verhandlungen muss daher in einem überschaubaren Zeitraum möglich sein – also innerhalb der zweiten Amtszeit Barack Obamas. Mit einer genauen Definition der Verhandlungsagenda und der Ziele und dem nötigen politischen Willen ist dies durchaus machbar.

Schwung in die Verhandlungen könnte der Nachfolger des US-Handelsbeauftragten Ron Kirk bringen, der für eine zweite Amtszeit nicht mehr zur Verfügung steht. Im Gespräch ist Michael Froman, Wirtschaftsberater von US-Präsident Obama. Er ist ein versierter Europakenner und könnte dem Thema den nötigen Schub verpassen. Auch Obamas voraussichtlicher neuer Außenminister, Senator John Kerry, ist ein ausgewiesener Transatlantiker, der die Initiative weiter vorantreiben dürfte.

Im Handelsbereich ist eine Einigung zwischen Republikanern und Demokraten möglich

Trotz der bestehenden politischen Blockade in Washington, die zuletzt bei den Verhandlungen zur Abwendung der Fiskalklippe deutlich wurde, ist Handel der einzige Bereich, bei dem eine Einigung sowohl zwischen Republikanern und Demokraten als auch zwischen Präsident und Kongress möglich scheint. Unterstützt Obama die Aufnahme von Verhandlungen, kann er mit der Rückendeckung der Republikaner im Kongress rechnen. Und auch die Demokraten stehen dem Abkommen aufgrund der hohen Arbeits- und Umweltstandards in der EU positiv gegenüber, ist doch ein Outsourcing von Jobs infolge des Abkommens nicht zu befürchten.

Ein Wehrmutstropfen ist, dass Präsident Obama zurzeit keine Handelsvollmacht hat, unter der Handelsabkommen beschleunigt vom Kongress verabschiedet werden müssen, sobald sie der Präsident vorlegt. Ohne diese Vollmacht kann der Kongress Zusätze oder Änderungen an dem Abkommen verlangen – oder die Ratifizierung endlos verschleppen. An der Aufnahme von Verhandlungen hindert den Präsidenten die fehlende Handelsvollmacht allerdings nicht.

Erfolgschancen für das Abkommen größer denn je

Auch das Europäische Parlament hat sich für ein transatlantisches Abkommen ausgesprochen, allerdings gleich auch einige rote Linien gezogen, die nicht überschritten werden sollten. Wenn dem Parlament tatsächlich an einem transatlantischen Freihandelsabkommen gelegen ist, wird die EU allerdings einige dieser roten Linien überschreiten müssen. Dazu gehört die Landwirtschaft.

Aller Widrigkeiten zum Trotz sind die Erfolgschancen für ein Abkommen heute größer denn je. Beide Partner leiden unter den schwachen Wachstumsaussichten für die nächsten Jahre. Ein transatlantisches Freihandelsabkommen verspricht erhebliche positive Wachstumseffekte für die EU und die USA. Zudem ermöglicht es den transatlantischen Partnern, internationale Standards im Bereich Investitionen und öffentliche Auftragsvergabe zu setzen, die bislang nicht von der WTO adressiert werden. Eine solche Chance sollte nicht ungenutzt bleiben.

Dr. Stormy-Annika Mildner ist Mitglied der Institutsleitung der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Dr. Claudia Schmucker leitet das Programm für Globalisierung und Weltwirtschaft der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

Bibliografische Angaben

Mildner, Stormy-Annika, and Claudia Schmucker. “Ein transatlantisches Handelsabkommen ist überfällig.” February 2013.

DGAPstandpunkt 1, 28. Januar 2013, 3 S.

Themen & Regionen

Verwandter Inhalt