Ziel: Deutschland muss aktiv eine offene und resiliente Handelspolitik fördern
Handelspolitik fällt in die Kompetenz der EU, aber Deutschland muss als größte Volkswirtschaft wieder ein aktiver Impulsgeber für eine offene europäische Handelspolitik werden. Nach der Unterzeichnung des Abkommens mit dem Mercosur und dem Abschluss der Gespräche über ein Modernisierungsabkommen mit Mexiko stehen die Verhandlungen mit zahlreichen ASEAN-Staaten (Verband Südostasiatischer Nationen), und hier insbesondere Indonesien, auf der Agenda. Die Bundesregierung muss dabei konstruktiv die europäischen Verhandlungen unterstützen, auch im Zusammenspiel mit gleichgesinnten europäischen Staaten. Diese Abkommen bieten die Möglichkeit, neben einer Wachstumsagenda, die auch Nachhaltigkeitsaspekte beinhaltet, die Resilienz der Wirtschaft durch Diversifizierung zu erhöhen.
Gleichzeitig muss sich Deutschland bei unfairen Handelsmaßnahmen durch Drittstaaten, sei es durch China oder auch durch eine neue Trump-Regierung, eng mit den europäischen Partnern abstimmen und nicht im Alleingang handeln. Obwohl es das Ziel bleiben muss, eine positive Handelsagenda zu gestalten, sollte auf regelwidrige Zölle mit Vergeltungszöllen geantwortet werden. Diese müssen jedoch WTO-konform eingeführt werden.
Aktuelle Lage: Das geoökonomische Umfeld erschwert einen offenen und regelbasierten Welthandel
Aufgrund der engen Verflechtung der deutschen Wirtschaft in die globalen Wertschöpfungsketten liegt die Förderung eines offenen und regelbasierten Welthandels im strategischen Interesse Deutschlands. Laut Macrotrends lag im Jahr 2023 der Anteil des Handels am BIP in Deutschland bei 90,11 Prozent. Dies ist – zum Beispiel im Vergleich zu den USA und China – ein hoher Wert für eine große Volkswirtschaft wie Deutschland. Dazu hängt fast jeder vierte Arbeitsplatz vom Export ab.
Deutschland und die EU müssen sich nun in einem geoökonomischen Umfeld behaupten, das im Bereich des Handels durch Blockbildung, Fragmentierung, und Protektionismus gekennzeichnet ist. Die geoökonomische Rivalität zwischen den Vereinigten Staaten (EU) und China verschärft sich und beide Seiten setzen ihre Märkte zunehmend als Hebel ein, um strategische Ziele in den internationalen Beziehungen zu erreichen. Dabei ändert sich das regelbasierte zu einem machtbasierten Handelssystem, bei dem multilaterale Organisationen wie die WTO an Bedeutung verlieren.
Diese Entwicklung wird sich unter der Präsidentschaft von Donald Trump noch weiter verschärfen. Zählte die EU (und Deutschland) bislang zu den Verbündeten, sieht sie sich jetzt durch die USA zunehmend mit Zollandrohungen und Marktabschottung konfrontiert, die unmittelbare Auswirkungen auf ihre Wettbewerbsfähigkeit haben.
Nächste Schritte: Eine aktive Handelspolitik muss eine Priorität für Deutschland werden
1. Deutschland muss Impulsgeber für eine offene europäische Handelspolitik sein
Ende 2024 konnte das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten nach 25 Jahren Verhandlungen unterzeichnet werden. Das Abkommen ist von großer wirtschaftlicher, aber auch geopolitischer Bedeutung: Mit Mercosur kann die EU ihre Wirtschaftsbeziehungen mit Südamerika ausbauen und hierdurch auch ihre Abhängigkeiten von China abbauen. Gleichzeitig fördert das Abkommen die Partnerschaft mit Brasilien und dem Globalen Süden. Dies betrifft auch den Klimabereich: So konnte die EU wichtige Nachhaltigkeitsziele wie das Pariser Klimaabkommen in dem Abkommen verankern. Mitte Januar 2025 konnte die EU dazu einen weiteren Erfolg verbuchen und die Modernisierung des EU-Mexiko-Abkommens abschließen.
Der Abschluss des Mercosur-Abkommens und des Abkommens mit Mexiko sind zwar große Erfolge, aber auch nur erste Schritte, die gezeigt haben, wie wichtig eine aktive Rolle in der Handelspolitik sein kann. Deutschland und die EU brauchen weitere regelbasierte Freihandelsabkommen in den Wachstumsregionen, insbesondere in Asien und dem Indo-Pazifik. Deutschland muss daher 2025 die Verhandlungen mit Indonesien und auch weiteren ASEAN-Staaten priorisieren. Gleichzeitig gilt es, Lösungsmöglichkeiten in den Verhandlungen mit Indien auszuloten; hier müssen jedoch von der indischen Regierung zunächst ernsthafte Angebote beim Marktzugang gemacht werden.
Deutschland und die EU brauchen weitere regelbasierte Freihandelsabkommen in den Wachstumsregionen, insbesondere in Asien und dem Indo-Pazifik.
Da Frankreich als Unterstützer einer offenen Handelspolitik wegfällt, sollte Deutschland aktiv die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten pro-europäischen EU-Mitgliedsstaaten suchen. Dazu zählen sowohl die nordischen Staaten wie Schweden oder Dänemark als auch die osteuropäischen Staaten, Tschechien oder die baltischen Staaten. Bereits in der Vergangenheit gab es ähnliche liberale Gruppierungen, wie beispielsweise der Zusammenschluss der „Neuen Hanse“ (ohne Deutschland, 2018) oder der „Stockholm Six“ (2020). Deutschland ist traditionell zwar dem handelsliberalen Lager zuzuordnen, tendierte jedoch in den letzten Jahren zu uneindeutigeren Positionierungen, die auch viele industriepolitische Überlegungen einschloss Unter der neuen Bundesregierung sollte sich dies ändern, auch im Zusammenspiel mit gleichgesinnten europäischen Staaten.
2. Angebot einer positiven Handelsagenda mit den USA und die Förderung einer einheitlichen europäischen Position bei Handelsschutzinstrumenten
„Zölle sind das schönste Wort im Wörterbuch, es ist mein Lieblingswort“, erklärte US-Präsident Donald Trump stolz. Die EU und Deutschland werden somit zunehmend mit höheren Zollandrohungen und Marktabschottung konfrontiert werden. Gerade Deutschland steht aufgrund seines Überschusses in der Warenhandelsbilanz im Visier des Präsidenten. Gegenseitiger Protektionismus ist aber der falsche Weg. Deutschland muss sich daher – im Rahmen der EU – dafür einsetzen, zunächst eine positive Handelsagenda zu verfolgen. Dies bedeutet jedoch nicht TTIP 2.0; ein solches Abkommen ist mit einer Trump-Administration undenkbar. Neben möglichen Angeboten, etwa bei LNG-Käufen, beinhaltet dies auch eine engere Zusammenarbeit im Bereich der Wirtschaftssicherheit. Der TTC muss dazu – solange er besteht – weiter strategisch genutzt werden. Wenn die USA regelwidrige Zölle erlassen, muss Deutschland jedoch auch hinter der Entscheidung der EU stehen, Gegenzölle zu erlassen. Im Handelsschutzbereich sollte – auch gegenüber China – eine engere Zusammenarbeit auf EU-Ebene angestrebt werden. Deutschland kommt dabei eine besondere Rolle zu, keine Alleingänge zu unternehmen und gemeinsame europäische Positionen zu fördern.