Externe Publikationen

17. März 2025

Das System Putin nachhaltig schwächen

Kreml in Moskau
Lizenz
Alle Rechte vorbehalten

Die Ukraine muss weiter militärisch gestützt werden. Nur mit einem Politikwechsel in Russland besteht eine Chance auf Frieden. Darauf muss Europas Strategie abzielen.

Share

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Hause haben die europäische Sicherheit fundamental verändert. Nicht nur, dass Krieg zurück ist in Europa und die nach dem Ende des Kalten Krieges vereinbarte Sicherheitsordnung endet. Mit Donald Trumps erneutem Amtsantritt wird die US-Rolle im transatlantischen Bündnis infrage gestellt, womit die Beistandspflicht der Nato nicht mehr verlässlich gilt. Es ist überfällig, dass die europäischen Staaten unter dem Druck der Trump-Regierung in ihre eigene Verteidigung stark investieren und die Unterstützung der Ukraine priorisieren.

Was aber fehlt, ist eine grundlegende Debatte über eine neue europäische Russlandstrategie. Denn: Ohne einen tiefgehenden Regimewechsel in Russland wird es keinen Frieden in Europa geben. Das Land ist unter Präsident Wladimir Putin eine revisionistische Macht, die aufgrund innerer Schwäche und fehlender Entwicklungsperspektive durch Krieg und Abgrenzung Machterhalt betreibt. Dabei ist es gerade die Verletzlichkeit des Regimes, die zu Aggression nach innen und außen führt. Es ist das Syndrom einer absteigenden Macht, die mit militärischer Macht versucht, das Ende des Imperiums aufzuhalten.

Deutschland und Europa brauchen eine mittel- bis langfristige Strategie für einen politischen Wandel in Russland, denn Abschreckung und Isolation sind keine Strategie für Veränderung, sie verfestigen eher Strukturen. Frieden in der Ukraine kann nur über einen politischen Wandel in Russland erfolgen. Ein Deal Trumps mit Putin kann deshalb eine Pause im Krieg bringen, aber keinen nachhaltigen Frieden.

Ablenkung durch Krieg

Putins Angriffskrieg seit Februar 2022 dient dazu, Russlands Rolle in der europäischen Sicherheit neu zu definieren. Dem voraus gegangen war eine Legitimitätskrise des Systems Putin im Kontext der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2011/12. Massendemonstrationen gegen die Rückkehr Putins in großen russischen Städten zeigten den Wertewandel in der russischen Gesellschaft. Teile der Gesellschaft forderten politische Beteiligung und echte Wahlen.

Für Putin war das der Moment, wo dieser Teil der Bevölkerung den Gesellschaftsvertrag mit politischer Inaktivität als Gegenleistung für steigenden Wohlstand aufkündigte. Mit seiner Rückkehr ins Präsidentenamt 2012 brauchte das Regime daher eine neue Legitimitätsressource. Der Konflikt mit dem Westen, allen voran den USA, wurde so zum zentralen Bestandteil einer Ideologie, die systematisch aufgebaut wurde. Russlands Führung erklärte den (hybriden) Krieg gegen den Westen zum zentralen Element seiner Überlebensstrategie.

Die Annexion der Krim 2014 war daher ein wichtiges Element zur Mobilisierung der Gesellschaft für eine imperiale, rückwärtsgewandte Politik. Das Regime konnte einen schnellen Erfolg verbuchen, den es historisch begründete, und die Kosten dafür waren gering. Doch die Euphorie hielt nicht lange an, das Fehlen einer Entwicklungsperspektive und der Wohlstandsverlust wurden damit nicht aufgehalten. Deshalb ließ Putin 2022 auch die gesamte Ukraine angreifen, um von den Defiziten der eigenen Politik abzulenken. Die europäische und vor allem deutsche Appeasement-Politik hatte ihn darin nur bestärkt. Die Ignoranz des aggressiven Charakters des Regimes, das versucht, Europa zu spalten und die liberale Demokratie dauerhaft zu schwächen, wurde von Teilen der europäischen Politik ignoriert.

Viel gravierender war aber, dass man sich durch vermeintlich billiges russisches Gas hat kaufen lassen und damit in Russland den Eindruck bestätigte, für Geld tolerieren Deutschland und Europa fast alles. Dabei kam russisches Gas auch mit einem politischen Preis: die Korrumpierung der europäischen Politik- und Wirtschaftseliten.

Putin wird mit dem Krieg gegen den Westen nicht aufhören

Während der russische Blitzkrieg gegen die Ukraine gescheitert ist, kommt Putin mit der erneuten Wahl Donald Trumps seinen eigentlichen Zielen – der Verdrängung der USA aus Europa, der Einteilung von Einflusszonen und einem Veto in Fragen europäischer Sicherheit – doch noch näher. Diese Ziele wird er niemals aufgeben, da es um die Rolle Russlands in Europa und der Welt geht, aber auch um sein eigenes Vermächtnis. Die Trump-Regierung ist bereit, Russland in der Ukraine weitestgehend entgegenzukommen, da sie glaubt, das Land gegen China und den Iran setzen zu können.

Dabei teilen alle drei Staaten ein zentrales Interesse: das Ende der globalen US-Dominanz und den Umbau der internationalen Ordnung in ein multipolares System. Russlands technologische Abhängigkeit von China ist inzwischen so groß, dass es in eine Juniorposition gekommen ist. Es wird sich aus wirtschaftlichen und ideologischen Gründen nie gegen China stellen.

Europa und die Ukraine sind die größten Verlierer dieser Entwicklungen, abhängig in hohem Maße von US-Sicherheitsgarantien und letztlich das Hauptziel russischer Aggressionen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass Putin mit dem Krieg gegen die Ukraine und den Westen aufhören wird, für welche auch immer geartete Konzessionen. Die Fokussierung darauf, dass die Ukraine den Krieg nicht verliert, löst das Russlandproblem nicht. Das System Putin muss nachhaltig so geschwächt werden, dass ein politischer Wandel von innen möglich wird.

Beitrittsangebote sind ein Schritt gegen russische Einflusszonen

Es geht nicht darum zu hoffen, dass Russland als Staat zerfällt, davon ist das Land weit entfernt. Vielmehr muss die ökonomische, technologische und demografische Schwäche Russlands durch den Ausbau und Erhalt von Sanktionen verstärkt werden. Dabei bleibt zentral, dass Russland die Grenzen seiner militärischen Macht in der Ukraine zu spüren bekommt.

Das EU-Beitrittsangebot an die Ukraine, Moldau und Georgien ist ein wichtiger Schritt zur Ablehnung von russischen Einflusszonen in Europa. Indem die EU verstärkt in ihrer östlichen Nachbarschaft aktiv wird, durch Investition in Infrastruktur, eine Öffnung der Märkte und Sicherheitspartnerschaften, schwächt sie Russlands Rolle in seiner traditionellen Einflusszone. Viele Länder dieser Regionen wenden sich von Russland aufgrund der Sicherheitsrisiken ab und suchen neue Partnerschaften. Eine vertiefte Infrastruktur- und Wirtschaftskooperation mit diesen Ländern sollte dazu führen, Russlands Möglichkeiten, Sanktionen zu umgehen oder Handel mit anderen Staaten auszubauen, einzuschränken.

Alle russischen Aktivitäten gegen europäische Infrastruktur wie in der Ostsee sollten durch direkte Ahndung unterbunden werden. Hier braucht es auch mehr militärische Präsenz in der Ostseeregion, um direkt auf Sabotage zu reagieren. Cyberattacken müssen nicht nur verhindert werden, es sollte auch Gegenangriffe auf die russische Informationsinfrastruktur geben. Mit Blick auf Russland selbst sollten digitale Kommunikationskanäle offengehalten und die Möglichkeiten für Russinnen und Russen, Visa und Aufenthaltsgenehmigungen zu erhalten, erleichtert werden. Putins Politik der Selbstisolation sollte über Angebote an den Teil der russischen Elite unterlaufen werden, der unzufrieden mit dem Krieg ist und den ökonomischen Niedergang des Landes vor Augen hat.

Bibliografische Angaben

Meister, Stefan. “Das System Putin nachhaltig schwächen.” German Council on Foreign Relations. March 2025.

Dieser Artikel ist erstmals bei der ZEIT am 13. März 2025 veröffentlich worden.

Verwandter Inhalt