Neue alte NATO? Die Allianz und die Sicherheit in Europa vor dem Gipfel von Wales

Datum
04 September 2014
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

Share

Die Krise in der Ukraine und die Spannungen mit Russland bestimmen derzeit die politischen Debatten. So auch bei dieser Gesprächsrunde zum NATO-Gipfel in Wales: Dr. Karl-Heinz Kamp (Bundesakademie für Sicherheitspolitik) bezeichnete das Treffen in Newport als mögliche Initialzündung für eine langfristige Neuorientierung des Bündnisses. Eine solche müsse auch vor dem Hintergrund der „grundlegenden Erosion von Staatlichkeit“ im Nahen und Mittleren Osten geschehen. In Bezug auf die Ukrainekrise habe Wladimir Putin die Einigkeit innerhalb von EU und NATO unterschätzt, so Kamp: Es herrsche prinzipiell politische Einigkeit über die mittelfristigen Reaktionen auf die russische Aggression, wie die Etablierung einer regionalen Niederlassung sowie einer NATO-Reaktionsstreitmacht, eine stärkere Truppenpräsenz in Osteuropa und die Aufwertung von Manövern. Dabei gehe es der NATO um eine schnellere Einsatzbereitschaft – als Antwort auf die erkennbaren Fortschritte beim russischen Militär.

Die Reaktion der Allianz auf die bisherigen Entwicklungen in der Ukraine ist gelungen, konstatierte Dr. Henning Riecke, Leiter des Programms USA/Transatlantische Beziehungen der DGAP. Wichtig sei nun, das Partnerschaftskonzept der NATO zu reformieren und mit neuen Anreizen zu versehen – es dürfe nicht unterschätzt werden, wie das Handeln oder Nicht-Handeln der NATO in anderen Regionen wahrgenommen wird. Dr. Riecke wurde noch in einem weiteren Punkt deutlich: Der Truppenabzug aus Afghanistan hinterlässt viele ungelöste Aufgaben. Die Lage am Hindukusch darf angesichts der akuten Krise in Osteuropa nicht völlig in den Hintergrund rücken. Er warnte davor, dass bei einer Rückbesinnung der NATO auf Artikel 5 die Entwicklungen in Krisenregionen wie Libyen, Syrien oder eben Afghanistan nicht ohne Weiteres ignoriert werden könnten.

Sehr kontrovers wurde in der anschließenden Diskussion das bisherige Krisenmanagement in Bezug auf die Ukraine bewertet: Muss die NATO militärische Stärke zeigen, um das Machtstreben Putins einzudämmen, oder ist in diesem Fall diplomatische Zurückhaltung gewinnbringender? Bleibt die Allianz zukünftig ein wichtiger Akteur, oder zieht sie sich in die Rolle eines Vermittlers oder Forums zurück? Und welche Bedeutung erhält dabei die europäische Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik? Auch hier blieb die Frage nach dem Umgang mit potentiellen Partnern und Mitgliedstaaten vorherrschend. Dr. Kamp plädierte in diesem Kontext für eine Festlegung klarer Kriterien für Interventionen. Hierbei solle ein werteorientiertes Partnerschaftsmodell in Betracht gezogen werden, in dem politisch gleichgesinnte Staaten zu Partnern erster Güte werden könnten. Dr. Riecke ergänzte dies in Bezug auf die Ukraine durch den Vorschlag einer Doppelstrategie aus Härte und dem Aufrechterhalten kooperativer Strukturen, um das gegenwärtig drängendste Ziel zu erreichen: Frieden und Stabilität.

Neben der Partnerschaftspolitik entwickelte sich eine Debatte über die Instrumentalisierung von Minderheiten durch Russland und eine mögliche Ausweitung der Krise auf die baltischen Staaten: Eine Truppenstationierung in der Region könne die Gefahr bergen, in innerstaatliche Konflikte hineingezogen zu werden. Die Konflikte in der Ukraine seien von einer sehr gegensätzlichen Wahrnehmung zwischen den Bevölkerungsgruppen gezeichnet, so Dr. Riecke. Einer solchen Entwicklung müsse in den baltischen Staaten durch objektive, russischsprachige Berichterstattung entgegengewirkt werden. Als mögliches Handlungsfeld der Europäischen Union wurde zudem die Ausbildung von Polizeikräften im Sinne einer Ertüchtigungsinitiative genannt.

An der vom German Marshall Fund of the United States unterstützten Veranstaltung nahmen etwa 30 Vertreter aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen teil. Sebastian Feyock, Mitarbeiter im Programm USA/Transatlantische Beziehungen der DGAP, moderierte die Diskussion.

Format

Early Bird Breakfast
Zielgruppe
Veranstaltung Forschungsprogramm
Programm
Core Expertise topic

Verwandter Inhalt