Sudan und Südsudan: Zwei Länder, ein System?

Die zwischenstaatliche Kriegsgefahr scheint gebannt. Umso heftiger tobt die innerstaatliche Gewalt, grenzüberschreitend.

Datum
25 April 2014
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Seit dem Ausbruch heftiger Gefechte in der Hauptstadt Juba am 15. Dezember 2013 dringen täglich neue Schreckensmeldungen aus dem Südsudan. Davon überschattet hat sich zugleich die Sicherheitslage in der westsudanesischen Region Darfur und den benachbarten Nubabergen dramatisch verschärft. Vor diesem aktuellen Hintergrund eröffnete der Beauftragte des Auswärtigen Amtes (AA) für den Dialog zwischen den Kulturen, Dr. Heinrich Kreft, das Symposium in der DGAP. Der Ministerialdirigent erläuterte zunächst die grundsätzliche Unterstützung des AA für Transformationsprozesse und ging dann auf die Maßnahmen der Bundesregierung zur Konfliktbewältigung in den beiden Sudanen ein.

Im ersten Panel gab James Copnall, Sudan-Korrespondent der BBC von 2009 bis 2012, einen Überblick zu seinem neu erschienenen Buch „A Poisonous Thorn in Our Hearts: Sudan and South Sudan’s Bitter and Incomplete Divorce”, das er zuvor bei Chatham House, der Royal African Society und dem Frontline Club in London präsentiert hatte. Im Mittelpunkt seiner Schilderungen standen die offenen Streitfragen des Comprehensive Peace Agreement (CPA) von 2005, das zwar als Modell die Formel „ ein Land, zwei Systeme" vorsah, aber mit einem Referendum über die Unabhängigkeit des Südens die Teilung des Landes herbeiführte. Als Konsequenz dieser ungelösten Probleme befanden sich beide Staaten zeitweilig de facto im Kriegszustand.

Dr. Magdi Elgizouli, Fellow des Rift Valley Institute, hob hervor, dass Copnalls Darstellung sich nicht auf die üblichen Elitenperspektiven beschränkt, sondern Sichtweisen aus der Bevölkerung und damit auch die verbindenden Elemente zwischen den zwei Ländern einbezieht. Der sudanesische DAAD-Stipendiat betonte dabei die dominante Rolle der Armee, deren System in beiden Staatswesen eine Militarisierung der politischen Ökonomie bedingt hat, die in der Analyse aber zu wenig Aufmerksamkeit erhalte. Dina Fakoussa, Programmleiterin EU-Middle East Forum der DGAP, moderierte das Panel und die Publikumsdiskussion. Copnall und Elgizouli waren sich dabei einig, dass der Krieg im Südsudan zwar zu einer deutlichen Verbesserung der Beziehungen zwischen Khartum und Juba geführt hat, die bilateralen Spannungen aber ihr explosives Potential beibehalten.

Das zweite Panel eröffnete Dr. Ulrike von Pilar, Leiterin Humanitäre Fragen bei Ärzte ohne Grenzen e.V., mit der Feststellung, dass die humanitäre Katastrophe für über eine Million vertriebener Menschen im Südsudan schon eingetreten und die betroffene Bevölkerung extremer Brutalität ausgesetzt ist. Sie kritisierte sowohl die mangelnde Nothilfe der Mission der Vereinten Missionen (UNMISS) als auch deren Mandat, das humanitäre und politische Ziele vermischt und damit die Neutralität unabhängiger Organisationen gefährde. In diesem Zusammenhang forderte von Pilar, die Bundesregierung müsse sich als einer der größten Beitragszahler dafür einsetzen, statt einer integrierten Mission eine klare Trennung herbeizuführen.

Johannes Lehne, Leiter Sudan und Südsudan im Auswärtigen Amt, stellte seinerseits heraus, dass AA und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aktuell 45,6 Millionen Euro für humanitäre Soforthilfen im Südsudan bewilligt haben. Die Bundeswehr beteilige sich zwar mit einer relativ kleinen Zahl von Soldaten an UNMISS und der Darfur-Mission UNAMID, allerdings in Schlüsselpositionen. Darüber hinaus unterstütze die Bundesregierung aktiv und kritisch die Vermittlungsbemühungen der nordostafrikanischen Regionalorganisation IGAD (Intergovernmental Authority on Develoment) für den Südsudan wie den politischen Reformprozess des „National Dialogue“ zwischen Regierung und Opposition im Sudan. Panel-Moderator Prof. Dr. Stefan Brüne vom Greater Horn Horizon Forum (Hamburg-Dschibuti) unterstrich als ehemaliger IGAD-Berater die Notwendigkeit, trotz Ugandas Militärintervention zugunsten Jubas kein Mitgliedsland von dem Verhandlungsprozess auszuschließen.

Zu der außergewöhnlich offenen Debatte trugen die Botschafterin der Republik Südsudan, I. E. Sitona Abdalla Osman, der sudanesische Geschäftsträger Khalid Musa, sowie Abgesandte weiterer Botschaften, aus Nichtregierungsorganisationen (NROs), Forschung und Medien bei. Das Symposium war eine Kooperation zwischen der Berliner NRO Media in Cooperation and Transition (MICT) und dem EU Middle East Forum (EUMEF) der DGAP, und wurde durch das Alfred von Oppenheim-Zentrum der DGAP ermöglicht. Es brachte rund 100 Fachleute zu einem Thema zusammen, das medial völlig von der Ukraine-Krise überschattet wird. Bei aller Frustration wurde die hohe Bereitschaft der Teilnehmenden zum Engagement deutlich. Die Veranstaltung lieferte somit Impulse für den weiteren Diskurs, konkret etwa für die Intensivierung des Dialogs zwischen Bundestag und NROs in der Frage, wie Deutschland kreativ bei der Bewältigung der Konflikte im Sudan und Südsudan helfen kann.

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