Dies ist ein Auszug aus den Handlungsempfehlungen. Lesen Sie das komplette Positionspapier bei der Denkfabrik R 21.
Prioritäten für Deutschland und den Westen
An Deutschland allein hängt es nicht, auf diese komplexen und potenziell existenziellen Herausforderungen für Europa und die Europäische Union die richtigen Antworten zu finden.
Umgekehrt aber gilt: Ohne Deutschlands Willen und Bereitschaft, seine strategischen und geoökonomischen Interessen nüchtern zu analysieren und als eine europäische Führungsmacht zusammen mit den europäischen Partnerländern im transatlantischen Verhältnis zu definieren und konsequent zu verfolgen, könnte das europäische Projekt zum Scheitern verurteilt sein. Festlegungen in der nationalen Energiepolitik der vergangenen fünf Jahrzehnte sind ein Beispiel dafür, wie aufgrund von Pfadabhängigkeiten außen- und europapolitische Gestaltungsmacht verspielt werden kann. Die Geschwindigkeit, mit der augenblicklich seit Jahrzehnten dominierende Narrative für obsolet erklärt werden, ist noch lange keine Garantie dafür, dass aus dem momentanen Krisen- auch ein ernst zu nehmender Gestaltungsmodus wird.
Die westliche Fortschrittserzählung hat eine harte Landung erlitten. Der Westen muss nun Prioritäten setzen, auf Deutschland und die Europäische Union kommen große Aufgaben zu:
- Das Überleben des demokratisch-liberalen Gesellschaftsmodells sichern, das sowohl von innen wie von außen unter Druck steht und zudem in den kommenden Jahrzehnten eine anhaltende sozio-kulturelle Pluralisierung verarbeiten muss, die aufgrund von Migration und demografischen Entwicklungen in den meisten Ländern des Westens unaufhaltsam voranschreiten wird.
- Die EU als größten demokratisch verfassten und ökonomisch integrationsfähigen Ordnungsrahmen eigenständiger Nationalstaaten zukunftsfähig machen.
- Das transatlantische Verhältnis neu begreifen als große politische und wirtschaftliche Gestaltungschance tief miteinander verflochtener Demokratien.
- Ein Konzept für Stabilisierung und Kooperation mit den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens finden, nachdem der „Arabische Frühling“ nirgendwo zu gesellschaftlichem oder wirtschaftlichem Fortschritt geführt hat.
- Neue Formen abgestufter globaler Beziehungen entwickeln: die Vertiefung mit gleich gesinnten Partnern, selektive und wehrhafte Kooperationen mit Wettbewerbern und Gegnern in Feldern wie Sicherheit, Klima und Migration, sowie die konsequente und koordinierte Abschreckung und Eindämmung von Aggressoren.
- Die Erlangung außenpolitischer Strategiefähigkeit auch durch den Auf- und Ausbau hinreichender eigener militärischer Fähigkeiten.
- Neuformulierung einer wirksamen Abschreckungspolitik durch die NATO und die EU.