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30. Juli 2014

Keine Angst vor transatlantischem Handelsabkommen!

Die Bundesregierung prüft derzeit, ob sie im Herbst dem neuen Handelsabkommen der EU mit Kanada zustimmen wird. Das wäre interessant, weil sie dadurch auch Stellung zum Abkommen mit den USA bezieht. Die Ökonomin Claudia Schmucker sieht jedenfalls gute Chancen für transatlantischen Handel.

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Müssen wir jetzt Chlorhühner, Hormonfleisch und Genmais aus den USA essen? Werden amerikanische Unternehmen durch geheime Schiedsgerichte unsere Demokratie aushöhlen?

Mit viel Ängsten und teilweise auch Hysterie wird TTIP entgegengesehen, dem transatlantischen Handelsabkommen zwischen den beiden größten Wirtschaftsmächten der Welt mit einer Bevölkerung von 900 Millionen Menschen.

Gerade die Deutschen sehen das Abkommen vor allem als Gefahr für ihre Lebensmittelstandards an. Dabei haben die EU-Kommission und auch Bundeskanzlerin Merkel mehrmals bekräftigt, dass sich an dem Importverbot für Chlorhühner und Hormonfleisch nichts ändern wird.

Nur nebenbei bemerkt: Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält die Chlorbehandlung für gesundheitlich unbedenklich; es sieht im Gegenteil sogar Vorteile für den Verbraucher. Beim Streit um Hormonfleisch hat sich die EU bereits 2009 mit den USA darauf geeinigt, das Importverbot beizubehalten und stattdessen die Quote für hormonfreies Fleisch zu erhöhen. Dies wird sich durch TTIP nicht ändern.

Und es werden auch weiterhin die europäischen Standards für gentechnisch veränderte Lebensmittel gelten. Grundsätzlich gilt: Über unsere Nahrungsmittelstandards wird nicht verhandelt und das hat gute Tradition: Die EU hat noch nie ein Abkommen verhandelt, in dem diese gesenkt wurden.

Könnte es aber sein, dass dies gewissermaßen durch die Hintertür geschieht – weil nämlich amerikanische Unternehmen erfolgreich gegen unsere Umwelt- und Arbeitsstandards klagen könnten? Weil es hier Befürchtungen gibt, hat die EU Kommission die Verhandlungen mit den USA in diesem Punkt zunächst ausgesetzt und Reformen vorgeschlagen.

Streit um Chlorhühnchen verdeckt wesentliche Punkte des Abkommens

Verfahren vor den Schiedsgerichten sollen transparenter gestaltet und Klagen gegen staatliche Regulierungen beim Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz ausgeschlossen werden. Das sind richtige Schritte. Grundsätzlich kann man sich aber fragen, warum Schiedsgerichte überhaupt notwendig sind. Die Rechtssysteme in den USA und der EU sind so verlässlich, dass man die Kompetenzen der nationalen Gerichte nicht einschränken muss.

Der Streit um Chlorhühnchen und Schiedsgerichte verdeckt aber die wesentlichen Punkte eines solchen Abkommens. Denn erstens geht es um wirtschaftliche Vorteile für beide Seiten. Wie viel Wachstum und wie viele Arbeitsplätze genau entstehen, das lässt sich schwer berechnen. Unstrittig aber ist, dass Einfuhrbeschränkungen abzubauen auf jeden Fall Wachstum schafft – das gerade in Europa dringend gebraucht wird.

Und zweitens geht es um einen globalen Aspekt. Jahrzehntelang bemühte man sich in der sogenannten Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO, mit den Schwellenländern ein neues multilaterales Abkommen zu schließen. Die Verhandlungen stocken und somit auch die Möglichkeit, die globalen Regeln auf neue Bereiche auszuweiten.

TTIP wäre eine Möglichkeit, hohe Standards unter anderem in den Bereichen Umwelt und Arbeitsrecht, kleinen und mittleren Unternehmen, Wettbewerb und Nachhaltigkeit für die beiden immer noch größten Märkte der Welt, die USA und die EU, zu setzen. Und dann zu hoffen, dass andere Staaten sich daran orientieren. Es wäre doch zu schade, wenn eine solche Gelegenheit verpasst würde.

Bibliografische Angaben

Schmucker, Claudia. “Keine Angst vor transatlantischem Handelsabkommen!.” July 2014.

Politisches Feuillleton, Deutschlandradio Kultur, 30.07.2014

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