Executive Summary
In Deutschland wird seit Mitte Juli 2019 über eine Beteiligung an einer maritimen Mission im Persischen Golf diskutiert. Die iranische Regierung behindert gegenwärtig die Freiheit der Seefahrt in der Straße von Hormus erheblich. Die USA reagieren mit massivem Druck; eine US-geführte Marinemission soll folgen. Damit droht der eskalierende Konflikt zwischen Washington und Teheran über das iranische Nuklearprogramm und die Machtverhältnisse im Mittleren Osten eine neue Dimension zu erhalten.
Deutschland hat ein erhebliches Interesse an der Durchsetzung des Prinzips der freien Seefahrt und am Erhalt des Iran-Nuklearabkommens. Es möchte aber ebenso wie andere nicht in einen möglichen militärischen Konflikt zwischen den USA und dem Iran hineingezogen werden. Die Bundesrepublik muss also ihr Engagement für deutsche Interessen so gestalten, dass der Iran weiterhin ein Interesse an der Einhaltung der von ihm eingegangenen Verpflichtungen hat.
Das Kanzleramt hat eine maritime Schutzmission ins Spiel gebracht; der Außenminister eine Beobachtermission. Einig ist man sich, dass eine Mission in jedem Fall gemeinsam mit europäischen Partnern durchgeführt werden soll. Offen ist, welche Art von Mandat und Aufgaben sich hinter den Begriffen verbergen, welche Partner ein Interesse an einer Teilnahme haben, und welche Beiträge diese leisten können. Nicht zuletzt ist die mangelnde Leistungsfähigkeit der Deutschen Marine immer wieder als Grund für die Nichtbeteiligung genannt worden.
Deutsche Rolle: Deutschland sollte zum Erhalt seines außenpolitischen Gestaltungsanspruchs und zur Wahrung seiner Interessen eine Mission mitentwickeln und sie gegebenenfalls führen. Die europäischen Partner scheinen ein allgemeines Interesse zu haben, an einer solchen Mission mitzuwirken, wenn ein europäisches Land die Initiative ergreifen würde. In Paris nimmt zwar die Enttäuschung über das fehlende deutsche Engagement weiter zu. Dennoch wäre eine Beteiligung Frankreichs aus politischer und operativer Sicht unabdingbar.
Mission/Mandat: Bereits eine Beobachtermission kann einen gewissen sicherheitspolitischen Beitrag leisten. Doch dafür müssen Missionsmandat und Einsatzregeln den Eingriff in Notsituationen erlauben, einschließlich der Anwendung von angemessener Gewalt und zum Schutze anderer. Eine Mission sollte zudem einen definierten Endzustand oder -zeitpunkt haben.
Militärische Fähigkeiten: Die Marinestreitkräfte der EU-Länder verfügen über hinreichende Mittel, um eine Beobachtermission oder auch eine Schutzmission durchzuführen. Bis zum Start einer solchen Mission braucht es jedoch Zeit, weil man Schiffe und andere Fähigkeiten aus bestehenden Verpflichtungen herauslösen muss. Jede neue Operation wird also zulasten bestehender Aufgaben und der Ausbildung gehen. Deutschland selbst müsste ständig mit mindestens einem Schiff an der Mission beteiligt sein. Eine Mission in der Straße von Hormus würde je nach benötigter Fähigkeit zwischen 10 und 30 Prozent der maritimen Fähigkeiten Europas erfordern. Diese Schätzung berücksichtigt nicht die tatsächliche Einsatzbereitschaft – sie ist also sehr optimistisch. Daher wird man davon ausgehen müssen, dass sich der Beitrag nicht beliebig erhöhen lässt. Diese Erkenntnis sollte unmittelbar Anlass geben, den Wiederaufwuchs der Marinestreitkräfte in Europa zu beschleunigen.
Europäische Partner: Deutschland und die EU sollten sich bemühen, Nicht-EU-Staaten wie Norwegen, Kanada, Australien oder Neuseeland zur Teilnahme zu gewinnen. Bei Operationen im Mittleren und Nahen Osten beziehungsweise am Persischen Golf wäre es aus Legitimitätsgründen zweckmäßig, auch arabische oder nordafrikanische Staaten um eine – gegebenenfalls nur symbolische – Beteiligung zu bitten. Darüber hinaus sollte Deutschland Großbritannien ermutigen, ein Schiff zu einer EU-Mission beizusteuern.
Der Umgang mit den USA: Jede europäische Mission wird sich mit der US-geführten Initiative aufs Engste koordinieren müssen. Denkbar ist auch eine Kooperation. Dies bedeutet aber nicht, Teil der US-Initiative zu werden. Deswegen sollte Deutschland zu Beginn erklären, welche Regeln für die Kooperation gelten, und dass man bei einer militärischen Eskalation durch die USA die Zusammenarbeit beenden würde.
Deutschland zwischen Wollen und Können
Am 19. Juli 2019 fragte Großbritannien in Berlin an, ob Deutschland bereit sei, sich gemeinsam mit anderen Partnern an einer Mission zum Schutz der Seewege in der Straße von Hormus zu beteiligen. An der seither in Deutschland geführten Debatte wird das Spannungsverhältnis der deutschen Interessen sichtbar: Einerseits behindert die iranische Regierung gegenwärtig die Freiheit der Seefahrt in der Straße von Hormus erheblich. Andererseits will Deutschland ebenso wenig wie andere Europäer in einen möglichen militärischen Konflikt zwischen den USA und dem Iran hineingezogen werden. Die Bundesrepublik muss also eine Balance zwischen einem Engagement zur Durchsetzung des Prinzips der freien Seefahrt und dem deutschen Interesse finden, den Iran auch weiterhin zur Einhaltung seiner im JCPOA zugesagten Verpflichtungen zu animieren.
Ein vorläufiges Ende fand die Diskussion, als die USA ihre eigene Anfrage an Deutschland öffentlich machten und das Vereinigte Königreich sich von Europa ab- und den USA zuwandte. Doch am 5. August konnte das Kanzleramt einer Schutzmission einiges abgewinnen. Am selben Tag brachte der Außenminister persönlich eine Beobachtermission ins Spiel. Damit hat nicht nur die Bundesregierung selbst die Debatte erneut angefacht, sondern zum ersten Mal auch deren mögliche Aufgaben angesprochen.
Deshalb können nun die besonderen Optionen einer maritimen Mission beleuchtet werden. Sie könnte in der komplizierten Gemengelage von Interessen und Tabus eine elegante Lösung bieten: Auf Grund der Tatsache, dass der Einsatz von Marinestreitkräften per se weniger eskalierend wirkt, als der Einsatz von Land-, Luft- oder Spezialstreitkräften, sollte es möglich sein, sowohl dem deutschen Interesse an der Freiheit der Seefahrt Rechnung zu tragen als auch einen partiell kooperativen Diplomatie-Ansatz gegenüber dem Iran aufrecht zu erhalten.
Nun stellen sich weitere Fragen: Welchen Beitrag kann Deutschland politisch und militärisch leisten? Wie ist es tatsächlich um die Leistungsfähigkeit der Marine bestellt, deren Grenzen immer wieder als Grund für die Nichtbeteiligung genannt wurden? Zudem wird diese Mission nicht ohne Partner möglich sein: Welche Staaten haben daran Interesse und können Beiträge leisten? Wird es einen EU– oder einen weitergefassten europäischen Rahmen geben? Oder können sogar mittel- und nahöstliche sowie asiatische Länder teilnehmen?
Nicht zuletzt wird der bisherige Verlauf der Debatte einen wesentlichen Einfluss auf die Ausgestaltung einer solchen Mission haben. Hier haben verschiedene Akteure ihre Begründungen für und wider einen Einsatz dargestellt und damit unweigerlich auch eine Zustandsbeschreibung der deutschen Interessen sowie der Schwachstellen und blinden Flecken deutscher Außen- und Sicherheitspolitik geliefert. Dieser Stand der Debatte und damit der Argumente und Interessen wird in die weitere politische Willensbildung in Berlin und anderen Hauptstädten einfließen.
Dieses Papier ist mit seinem Blick auf Argumente und seinem Wissen um Partner und Auftrag als eine Momentaufnahme und Einschätzung zu verstehen. Die Autoren beabsichtigen, das Papier bei wesentlichen Veränderungen anzupassen, um Aspekte zu ergänzen, die in dieser Version zu kurz gekommen sind, und dabei auch konstruktive Kritik aufzunehmen.
In der Debatte: Interessen, Reflexe und Folgen
Die Debatte über einen Einsatz in der Straße von Hormus hat die grundlegenden Charakteristika und Probleme deutscher Außen- und Sicherheitspolitik wie unter einem Brennglas sichtbar gemacht.
Deutsche Interessen waren kein zentraler Referenzpunkt der Debatte: Teile der Regierungskoalition haben von Beginn an – wie in vielen früheren Fällen – vor allem in den Vordergrund gestellt, dass sie nicht in einen militärischen Konflikt hineingezogen werden wollen. Erst später wurden deutsche Interessen, die auch im Weißbuch 2016 aufgeführt sind, stärker in die Debatte aufgenommen: Unter anderem gehören die ungehinderte Nutzung von Transport-, Versorgungs- und Handelslinien sowie die Sicherheit der Rohstoff- und Energieversorgung zu den außen- und sicherheitspolitischen Prioritäten einer vom Export abhängigen Nation wie der Bundesrepublik.
Eine Beteiligung an einer US-geführten Mission ist derzeit politisch offensichtlich undenkbar. Reflexartig haben sich fast alle politischen Parteien im Bundestag von einer solchen Mission distanziert. Einige hatten Bedenken, dass eine Mission unter US-Führung eskalieren und Deutschland in einen Krieg hineingezogen werden könnte.
Deutlich wird ein sich verschärfender Widerspruch: Deutschland hat den Anspruch, eine kooperative Außenpolitik zu betreiben, die sich auf Partner stützt – gleichzeitig aber werden konkrete Kooperationsoptionen nicht genutzt, geschweige denn für Partner akzeptable Alternativen vorgeschlagen.
Die Folgen sind für das Ansehen der Bundesrepublik im bisherigen Ergebnis dramatisch: Die Debatte um die Mission ist aus Sicht der Partner Deutschlands ein weiterer Beweis dafür, dass die Bundesrepublik in außen- und sicherheitspolitischen Fragen nur noch bedingt zuverlässig ist. Sie reiht sich ein in die negative Wahrnehmung deutscher Positionen zu Themen wie dem Zwei-Prozent-Ziel für die Verteidigungsausgaben, der Gas-Pipeline Nord Stream 2 und der Syrienpolitik bis zurück zur Libyenintervention 2011.
Damit droht Deutschland, sich in außen- und sicherheitspolitischen Fragen weiter zu isolieren. Einige Beobachter warnen bereits, die Debatte um ein Engagement in der Straße von Hormus berge das Potential für den Beginn einer Kernschmelze der deutschen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. An deren Ende könnte der weitgehende Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust der Bundesrepublik nicht nur bei den USA, sondern auch bei den europäischen Partnern stehen.
Aber auch für die Europäische Union könnte die Frage nach möglichen Aktivitäten in der Straße von Hormus zum Offenbarungseid werden. Denn sollten sich die Union oder einzelne ihrer Mitgliedsstaaten nicht dazu durchringen können, gemeinsam aktiv zu werden, oder wenn sie sich in dieser Frage von den Vereinigten Staaten spalten lassen sollten, wäre dies ein weiterer Beweis für ihre mangelnde sicherheits- und verteidigungspolitische Handlungsbereitschaft.
Beobachter- oder Schutzmission: Ziele und militärische Aspekte
Die Bundesregierung ist sich noch nicht einig, ob Deutschland an einer Mission teilnehmen soll und welche Ziele auf diese Weise verfolgt werden sollen. Denkbar sind eine Beobachtermission oder eine Schutzmission für die Schifffahrt. Die Art der Mission stellt unterschiedliche Anforderungen nicht nur an die politische Führung und Aufgabenstellung, sondern auch an die militärischen Fähigkeiten.
Aufgrund der Geografie und der Territorialgewässer wird es einer Beobachtermission nicht möglich sein, den inneren Teil der Straße von Hormus (SoH) genau und dauerhaft zu überwachen. Die Missionskräfte sind davon zu weit entfernt. Auch wenn einzelne Kriegsschiffe Transitpassagen machen, bleibt ihre Präsenz vor Ort sporadisch. Schutzoperationen im Bereich der Territorialgewässer sind aufgrund des Seerechts nur sehr eingeschränkt möglich, wobei diese Untersuchung auf die rechtliche Beurteilung dieser Grenzen verzichtet. Symbolisch könnten sowohl Beobachtung als auch Geleit auf den inneren Persischen Golf ausgedehnt werden, wobei davon nur eine sehr eingeschränkte Wirkung zu erwarten wäre.
Eine zentrale Rolle spielt die Frage, welchen Bedrohungen die Mission ausgesetzt ist, unabhängig davon, ob es eine Beobachtungs- oder Schutzmission ist. Unsere Überlegungen gehen von der Annahme aus, dass die beteiligten Kräfte nicht von iranischer Seite angegriffen werden. Trotzdem müssen sie in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen. Wir nehmen für unsere Aussagen an, dass die Mission bei einer Verschärfung der Lage abgebrochen wird. Aus diesen Gründen betrachten wir auch keine Minenräummission. Das entspricht dem restriktiven Ansatz dieser Untersuchung, die auf das operationelle Minimum ausgerichtet ist, das für eine sichtbare und sinnvolle EU-Mission erforderlich ist. In einem alternativen Szenario würde der Ansatz für die Kräfte erheblich in die Höhe gehen.
Beobachtermission
Eine Beobachtermission hat zum Ziel, deeskalierend zu wirken, indem sie das örtliche Geschehen beobachtet, Rechtsverletzungen dokumentiert und das Verhalten der Parteien der UN und der Weltöffentlichkeit zur Kenntnis bringt.
Welche Kräfte
Wir schätzen, dass für einen solchen Einsatz mindestens folgende Kräfte erforderlich sind:
- fünf Fregatten oder Zerstörer mit Bordhubschraubern, davon ein Führungsschiff,
- drei Seefernaufklärer,
- ein bis zwei Versorger/Tanker.
Eine Beobachtungsmission benötigt vor allem Kräfte zur Aufklärung von See und aus der Luft. Das zu beobachtende Seegebiet definiert dabei den Umfang der Mission. Die folgenden Überlegungen konzentrieren sich auf die Straße von Hormus und ihre direkte Umgebung, weil das politische Ziel der Einhaltung des Seerechts vor allem dort herausgefordert ist.
Zudem bestimmt die Geografie die Einsatzbedingungen: Die SoH ist eine Meerenge in den Hoheitsgewässern Irans und Omans. Dort ist Kriegsschiffen nur die Transitpassage mit passiver Beobachtung und gegebenenfalls Nothilfe gestattet. Diese Einschränkung gilt gleichermaßen für militärische Flugzeuge im Luftraum direkt über dem Gebiet. Die Beobachtermission ist deshalb im Wesentlichen außerhalb der SoH einzusetzen. Hinzu kommt die gelegentliche Passage der Kriegsschiffe, die zur Mission gehören.
Fregatten sind das Mittel der Wahl, da sie mit Bordhubschraubern und ihren sonstigen Sensoren über geeignete Aufklärungsfähigkeiten verfügen. Sie sind durch Seefernaufklärer zu ergänzen.
Durchführung
Die Missionsschiffe operieren außerhalb der Hoheitsgewässer Irans und Omans und werden durch ein Versorgungsschiff unterstützt. Eine Fregatte sollte etwa alle fünf Tage auf See versorgt werden. Sie sollte außerdem alle zwei bis drei Wochen einen Hafen anlaufen. Dafür braucht man Absprachen mit Anrainerstaaten, jedoch nicht unbedingt ein Abkommen. Seefernaufklärer hingegen brauchen eine Basis. Das erfordert eine feste Übereinkunft mit dem jeweiligen Staat.
Während der Operation sollte an den beiden Ausgängen der SoH ständig je ein Schiff im Einsatz sein. Die Seefernaufklärer klären im internationalen Luftraum mit weitem Blick in die SoH auf. Die übrigen Schiffe begleiten Tanker, zeigen Präsenz im erweiterten Seegebiet oder frischen im Hafen auf.
Der Verband kann entweder von Bord oder aus einem Land-HQ geführt werden. Dort wird auch das Lagebild zusammengefasst, dass das Produkt dieser Operation darstellt.
Schutzmission
Geht es um den Schutz der Schifffahrt, ist das mögliche Einsatzspektrum erheblich breiter. Dabei muss das Seegebiet, in dem der Schutz gilt, genauer beschrieben werden. Die Mission kann sich auf den Schutz der Schiffe der Teilnehmerstaaten beschränken oder die Freiheit der Seefahrt für alle anstreben. Das anspruchsvollste Ziel wäre, das Seerecht grundsätzlich durchzusetzen.
Mit Blick auf die Gefährdungen gehen unsere Schätzungen von dem am engsten begrenzten Fall aus: Einzelne Schiffe oder kleine Gruppen von Schiffen sollen durch eine Gefahrenzone begleitet werden. Sie sind vor Angriffen kleiner Boote und kleiner unbemannter Luftfahrzeuge (Drohnen) zu schützen.
Welche Kräfte
Wir schätzen, dass für einen solchen Einsatz mindestens folgende Kräfte erforderlich sind:
- fünf Fregatten oder Zerstörer mit bewaffneten Bordhubschraubern, davon ein Führungsschiff,
- Ergänzend zwei Korvetten,
- drei Seefernaufklärer,
- ein bis zwei Versorger/Tanker,
- Vessel Protection Teams (VPT),
- ein Force Headquarter im Einsatzgebiet.
Damit wäre der für diesen Einsatz erforderliche Verband ähnlich zusammengesetzt, aber etwas umfangreicher als der für die Beobachtermission. Für diese Mission braucht man Kampfschiffe (Zerstörer, Fregatten, Korvetten), Hubschrauber und natürlich ein Lagebild. Wesentliche zusätzliche Anforderungen sind Vessel Protection Teams (VPT) und die Bewaffnung der Hubschrauber. Die VPT werden auf den zu schützenden Schiffen eingeschifft, um das Kapern durch Boardingteams wie beim britischen Tanker ‚Stena Impero‘ zu verhindern.
Die genaue Anzahl der benötigten Schiffe hängt davon ab, wie groß der Bedarf an Geleit ist. Wie bei der Beobachtermission sollte die Mindestzahl fünf betragen. Werden es mehr, steigt zugleich der Bedarf an Versorgungsschiffen.
Durchführung
Wir nehmen an, dass ein einzelnes Kriegsschiff bis zu drei Schiffe geleiten kann. Größere Gruppen müssen von mehreren Kriegsschiffen begleitet werden. Dabei wird jeweils davon ausgegangen, dass bewaffnete Hubschrauber zur Verfügung stehen und auf jedem Handelsschiff ein VPT eingeschifft ist.
Das HQ muss zusätzlich zur Beobachtermission die Zusammenarbeit mit der Schifffahrt koordinieren, Geleite zusammenstellen und die Verbringung der VPT organisieren. Deshalb erscheint die Stationierung in einem Hafen oder an Land sinnvoll.
Was kann Europa leisten?
Deutschland strebt eine Mission mit europäischen Partnern an. Dabei ist der genaue Rahmen noch nicht geklärt. Vorstellbar ist eine EU-Mission (EUNAVOR) unter dem politischen Dach der EU oder eine Ad-Hoc-Koalition, an der im Wesentlichen europäische Partner beteiligt sind, die aber nicht Mitglied der EU sein müssen.
Können die EU-Staaten oder eine Koalition europäischer Staaten einen solchen Einsatz mit ihren Mitteln überhaupt leisten? Gerade die deutsche Marine ist, wie inzwischen regelmäßig diskutiert wird, an der Grenze dessen, was sie an Einsätzen bewältigen kann. Ihr und anderen europäischen Marinen fehlt vor allem die Zeit für anspruchsvolle Ausbildung, weil sie seit nunmehr fast drei Jahrzehnten in Auslandseinsätzen gebunden und dabei zahlenmäßig immer weiter geschrumpft sind.
Die folgenden Seiten zeigen, dass die EU-Marinen (wegen des Brexit hier als EU27 ohne Großbritannien definiert) grundsätzlich über hinreichende Mittel verfügen, um eine Beobachtermission oder eine Schutzmission durchzuführen. Die Größe der skizzierten Operationen erlaubt einen Beitrag zur maritimen Sicherheit, der über reine Symbolik hinausgeht. Dieser lässt sich aber nicht beliebig erhöhen: Die Mittel sind in der Regel in vielen anderen Verpflichtungen gebunden, darunter nationale und multinationale Einsätze sowie in NATO-Verbänden. Jede neue Operation wird also zulasten bestehender Aufgaben und der Ausbildung gehen.
Politische Interessen der Europäer
Die politischen Interessen in vielen europäischen Staaten decken sich im Prinzip mit denen Deutschlands. Viele Staaten haben ein Interesse an der Durchsetzung des Prinzips der freien Seefahrt und sicherer Handelswege. Sie sehen die Lage am Golf mit Sorge und wünschen sich eine Deeskalation. Zudem verspüren sie den wachsenden Druck der USA, über die Beteiligung an einer US-geführten Mission im Golf einen Beitrag für ihre eigene Sicherheit zu leisten. Deshalb laufen trotz des Ausstieges der Briten die Gespräche in einzelnen europäischen Hauptstädten weiter. Am 8. August etwa hat Schweden seine Bereitschaft erklärt, an einer maritimen Mission mitzuwirken.
Einzeln jedoch können die europäischen Staaten allerdings keine sinnvollen Beiträge leisten. Es fehlt derzeit ein Akteur, der eine europäische Mission initiiert, zusammensetzt und dann auch führt. Viele Europäer hätten sich gern der britischen Mission angeschlossen oder haben dies zumindest erwogen. Für eine Führungsrolle bringen Länder wie Italien derzeit nicht die politische Kraft auf. Dafür ist der Problemdruck nicht groß genug. Zudem sind die Länder bereits zu stark in anderen maritimen Operationen eingebunden.
Eine neue Initiative aus Berlin oder/und Paris wäre deshalb willkommen – nicht zuletzt, weil die einzige Alternative sonst die Beteiligung an der US-Mission ist.
EU und europäische Partner
Potenzielle Teilnehmer an einer EU-/europäischen maritimen Mission gibt es genug, wie aus Abbildung 3: Annahme zu Rotationen und Kräfteansatz (S. 10) hervorgeht. Aus 16 von 27 EU-Staaten könnten Beiträge in Form von Schiffen oder Flugzeugen kommen, ebenso aus den drei betrachteten Partnerstaaten Großbritannien, Kanada und Norwegen. Beide Missionstypen (sowohl Beobachter- als auch Schutzmission) könnten Einheiten von fast allen 16 Staaten nutzen. Schweden kommt mit Korvetten als Truppensteller in einer Schutzmission hinzu, ebenso wie Bulgarien mit Fregatten ohne Hubschrauberhangar. Andere Länder, darunter die Balten, Finnland und Österreich, könnten VPT stellen und sich an den Führungsstäben beteiligen.
Gleichzeitig verdeutlicht die Abbildung 2 bereits, dass es Bereiche gibt, die nur von wenigen Staaten abgedeckt werden können: Nur fünf Staaten können Seeaufklärer und Führungsstrukturen stellen. Das bedeutet, dass ohne Beiträge aus diesen Staaten keine Mission möglich ist.
Tabelle 1: Bestände der Marinen der EU27 und ausgewählter europäischer Partner
Staat |
ÜW* |
HS* |
LogS* |
MPA* |
---|---|---|---|---|
Belgien |
2 |
7 |
0 |
0 |
Bulgarien |
4 |
2 |
2 |
0 |
Dänemark |
5 |
17 |
0 |
0 |
Finnland |
0 |
0 |
0 |
1 |
Frankreich |
30 |
83 |
3 |
12 |
Deutschland |
14 |
43 |
9 |
8 |
Griechenland |
18 |
18 |
3 |
0 |
Irland |
0 |
0 |
0 |
2 |
Italien |
17 |
47 |
3 |
5 |
Niederlande |
6 |
12 |
1 |
0 |
Polen |
3 |
19 |
2 |
10 |
Portugal |
7 |
5 |
1 |
10 |
Rumänien |
7 |
0 |
1 |
0 |
Spanien |
11 |
28 |
2 |
11 |
Schweden |
5 |
5 |
0 |
0 |
Summe EU27 |
129 |
286 |
27 |
59 |
Kanada |
6 |
13 |
1 |
9 |
Norwegen |
4 |
25 |
0 |
4 |
Großbritannien |
19 |
58 |
7 |
0 |
Summe EU27 + |
158 |
382 |
35 |
72 |
Mehrwert durch Beteiligung (in %) |
22% |
34% |
30% |
22% |
*Legende: ÜW = Überwasserkampfschiffe, HS = Hubschrauber,
LogS = Logistikschiffe, MPA = Maritime Patrol Aircraft (Seeaufklärer)
Die Zusammensetzung der beitragenden Staaten hat Rückwirkungen auf den Umfang der verfügbaren Fähigkeiten. Das kann ein Anreiz sein, Nicht-EU-Staaten einzubinden, weil mit ihnen mehr Fähigkeiten zur Verfügung stehen. Eine Beteiligung von weiteren NATO-Staaten wie Kanada, Großbritannien und Norwegen hätte, wie aus Tabelle 1 hervorgeht, einen entlastenden Effekt über alle Fähigkeiten hinweg.
Vorhandene und verfügbare Fähigkeiten
Die Anforderungen an die Ausrüstung unterscheiden sich bei den Missionstypen nicht erheblich. Vergleicht man die vorhandene Ausrüstung mit dem, was gebraucht wird, können auf den ersten Blick beide Missionstypen von den 27 EU-Staaten allein bestückt werden. Tabelle 2 zeigt am Beispiel der Beobachtermission, dass weniger als zehn Prozent der nominellen Größe der EU-Marinen in einer solchen Mission zum Einsatz kämen.
Tabelle 2: Verhältnis nominell vorhandener und benötigter Kräfte für eine Beobachtermission
|
ÜW + Hangar |
HS |
LogS |
MPA |
---|---|---|---|---|
Bedarf für die Mission |
5 |
7 |
2 |
3 |
Vorhanden in der EU |
93 |
286 |
27 |
59 |
Anteil Missionsbedarf am Gesamtbestand EU27-Marinestreitkräfte |
5% |
7% |
2% |
5% |
Doch dürfen die auf den ersten Blick sehr positiv aussehenden Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass mehrere Faktoren die Anzahl der tatsächlich für eine solche Mission zur Verfügung stehenden Einheiten massiv reduzieren. Drei möchten wir an dieser Stelle hervorheben:
- Erstens gibt es in der EU kein Schiff ohne Aufgabe. Die Schiffe sind langfristig für Operationen, Übungen und Ausbildung eingeplant. Für den Einsatz von Einheiten für die hier betrachtete Operation müssen die Regierungen also in die bestehenden Planungen eingreifen.
- Zweitens erfordert ein längerer Einsatz die Rotation der im Einsatz stehenden Einheiten. Sowohl Besatzungen als auch die meisten Schiffe benötigen nach vier bis sechs Monaten im Einsatzgebiet eine Unterbrechung zur Regeneration und Wartung. Nur wenige Schiffstypen wie die neue deutsche Fregatte F-125 sind für längere Standzeiten und mehrere, am Einsatzort wechselnde Besatzungen konzipiert. Damit erhöht sich die Anzahl der erforderlichen Kräfte bei längeren Missionen erheblich. In dieser Betrachtung wird mit einer Einsatzdauer von eineinhalb Jahren gerechnet, was ungefähr eine Verdreifachung der benötigten Kräfte bedeutet (z.B. 15 Überwasserkampfschiffe statt fünf).
- Drittens nimmt Abbildung 3 (S. 10) eine Einsatzbereitschaft von 100 Prozent für alle vorhandenen Einheiten an. Das ist in der Realität nicht zu erreichen, da stets Systeme in Wartung und Instandsetzung sind. Unfälle und Schäden können zudem zu ungeplanten Ausfällen führen. Aus zusammengetragenen Beobachtungen lässt sich eine Spanne der Einsatzbereitschaft von Schiffen in Europa zwischen 30 und 70 Prozent annehmen. Diese Faktoren gelten, wenngleich auch mit anderen Werten, auch für die Bordhubschrauber, Aufklärungsflugzeuge und Versorgungsschiffe.
Bezieht man nur den ersten und zweiten Punkt ein, dann ergibt sich daraus, dass a) die Einsetzung einer Mission Zeit braucht, weil man Schiffe und andere Fähigkeiten aus bestehenden Verpflichtungen herauslösen und ersetzen muss; b) dass die geschätzte Inanspruchnahme des europäischen Fähigkeitenpools je nach Fähigkeit zwischen 10 und 25 Prozent liegt (Tabelle 3). Für eine Schutzmission wäre sie noch etwas höher (Tabelle 4). Diese Schätzung ist angesichts des dritten Faktors, der Einsatzbereitschaft, ohnehin noch sehr optimistisch.
Tabelle 3: Verhältnis von vorhandenem Material und geschätzten Anforderungen für eine Beobachtermission
|
ÜW + Hangar |
HS |
LogS |
MPA |
---|---|---|---|---|
Bedarf für die Mission |
5 |
7 |
2 |
3 |
Vorhanden in der EU |
93 |
264 |
27 |
33 |
Rotationen |
3 |
3 |
3 |
3 |
Bedarf unter Einbeziehung der Rotationen |
15 |
21 |
6 |
9 |
Anteil Missionsbedarf am Gesamtbestand EU27-Marinestreitkräfte |
16% |
7% |
22% |
15% |
Die Schutzmission erfordert, wenn auch in begrenztem Umfang, weitere Kräfte, insbesondere weitere Überwasserkampfschiffe zum Geleit von zivilen Schiffen sowie mehr Hubschrauber und Versorgungsschiffe. Gleichzeitig können hier aber auch andere Einheiten für Geleitschutz eingesetzt werden, wie Korvetten sowie Fregatten und Zerstörer ohne Bordhubschrauber. Das erhöht die Grundgesamtheit der in den EU27 vorhandenen und einsatzfähigen Kriegsschiffe für diesen Typ Mission.
Zudem sollte bei einer solchen Operation zusätzlich zur lokalen schwimmenden Führungsstruktur ein landbasiertes Hauptquartier zur Führung der Mission zur Verfügung stehen. Hierfür kommen in der EU nur Hauptquartiere in Spanien, Italien oder Frankreich in Frage (Großbritannien wurde aufgrund des Brexits nicht berücksichtigt). Schließlich benötigt eine Schutzmission Kräfte, die als Schutz an Bord von zivilen Schiffen stationiert werden können (Vessel Protection Teams). Die Annahme hier ist, dass diese von vielen Staaten ohne Probleme gestellt werden können. An dieser Stelle gibt es also kein nennenswertes Problem mit knappen Fähigkeiten.
Militärische Führungsstrukturen und Stützpunkte
Eine EU-Mission wird in der Regel von einem Operational Headquarters (OHQ) in einem der Mitgliedsstaaten und einem Force HQ (FHQ) vor Ort geführt. Das deutsche OHQ wäre Ulm. Hier gibt es jedoch nur geringe Erfahrung mit Marineoperationen. Es gibt drei weitere EU-Staaten sowie das Vereinigte Königreich, die maritime HQ stellen können: Spanien, Italien und Frankreich. Das spanische OHQ führt seit Frühjahr 2019 die EU-Mission Atalanta. Italien ist für die Mission Sophia verantwortlich. Doch Frankreich führt derzeit keine maritime Mission. Es könnte also die Rolle des OHQ übernehmen.
Beide Missionstypen müssten vorrangig auf die Basen von Partnerstaaten oder befreundeten Staaten in der Region zurückgreifen, um ihre Schiffe warten und die Flugzeuge betreiben zu können.
Tabelle 4: Verhältnis von vorhandenem Material und geschätzten Anforderungen für eine Schutzmission
|
ÜW + Hangar |
HS |
LogS |
MPA |
---|---|---|---|---|
Bedarf für die Mission |
7 |
10 |
3 |
4 |
Vorhanden in der EU |
129 |
286 |
27 |
59 |
Rotationen |
3 |
3 |
3 |
3 |
Bedarf unter Einbeziehung der Rotationen |
21 |
30 |
9 |
12 |
Anteil Missionsbedarf am Gesamtbestand EU27-Marinestreitkräfte |
16% |
10% |
33% |
20% |
Dazu zählen neben denjenigen von regionalen Partnern die US- und britischen Basen in Bahrain, die französische Basis in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder, etwas weiter entfernt, die französische Basis in Djibouti, wo auch Deutschland einen einfachen Abstützpunkt betreibt.
Verhältnis zu einer US-geführten Mission
Bereits an der Frage, welche Art von Mission Deutschland unterstützen oder gar initiieren würde, unterscheidet sich die deutschen von den US-amerikanischen Überlegungen. In Washington denkt man sowohl über eine Beobachter- als auch eine Schutzmission nach, die zudem geografisch breiter angelegt werden soll (SoH und Bab el-Mandeb). Allerdings sieht die amerikanische Administration ihre Pläne auch als Teil der Maximum Pressure Strategy gegenüber dem Iran, einer Position, die die Bundesregierung dezidiert ablehnt. Zumindest das Auswärtige Amt ist offenbar überzeugt, dass eine mögliche europäische maritime Mission nur ein Teil einer größeren diplomatischen Anstrengung zur Befriedung der Situation in der SoH sowie im Persischen Golf sein kann. Dennoch wird keine europäische Mission umhinkommen, ihre Bemühungen engstens mit der US-geführten Mission abzustimmen und zwar sowohl auf der operativen Ebene (etwa durch Verbindungsoffiziere in den entsprechenden OHQ’s und FHQ’s als auch auf der diplomatischen Ebene (regelmäßige Treffen der Politischen Direktoren).
Empfehlungen
Als im- und exportabhängige Nation hat Deutschland ein vitales Eigeninteresse an der Freihaltung der Seewege. Berlin sollte zum Erhalt seines Gestaltungsanspruchs und zur Wahrung seiner Interessen eine Mission mitentwickeln und sie gegebenenfalls führen. Es könnte sonst am Ende ohne Partner und Einfluss dastehen. Die derzeitigen Entwicklungen legen nahe, dass es eine US-Mission geben wird. Ihr könnten sich europäische Partner anschließen wollen, um ihre Interessen zu sichern – vor allem wenn es keine Alternative gibt. Gleichzeitig gibt es erste Anzeichen, dass Russland und China eine eigene Mission starten könnten und damit ihren Gestaltungsanspruch geltend machen. Eine EU-/europäische Mission mag nun spät kommen, aber für viele Europäer, die sich ungern an der US-Mission beteiligen würden, kann sie eine willkommene Alternative sein. Zudem könnte Deutschland seinen angeschlagenen außen- und sicherheitspolitischen Ruf verbessern, wenn es die Initiative übernimmt, die mittlerweile gewachsenen Zweifel der Partner überwindet und die Mission am Ende sogar führt. Dass es zu einer solchen Leistung fähig ist, hat es 2006 gezeigt, als es die Marinekomponente für UNIFIL organisierte.
Mission/Mandat: Bereits eine Beobachtermission kann einen gewissen sicherheitspolitischen Beitrag leisten. Doch dafür müssen Missionsmandat und Einsatzregeln die Möglichkeit einer „Srebrenica-Paralyse“ vermeiden: Eine Beobachtermission, die nicht befugt ist, bei Gefahr für Leib und Leben unbeteiligter Seeleute einzugreifen ist in jedem Fall zu vermeiden. Stattdessen muss das Mandat die Anwendung von angemessener Gewalt zum Schutze Anderer ermöglichen. Dies dient auch dem Schutz des Verbandes selbst. Ein zu restriktives Mandat könnte einen Anreiz setzen, die Europäer vorzuführen und sie als Abhängige der USA darzustellen, wenn sie im Falle einer Eskalation die US-Verbände um Hilfe bitten müssten. Eine Mission sollte zudem einen definierten Endzustand oder Zeitpunkt haben, an/zu dem die Operation beendet wird.
Fähigkeiten und deutsche Beiträge: Die Verfügbarkeiten der europäischen Marinestreitkräfte, insbesondere der Deutschen Marine, gibt unmittelbar Anlass zur Sorge. Der begonnene Wiederaufwuchs muss dahingehend überprüft werden, ob und wie er beschleunigt werden kann. Wenn Deutschland mitmacht, muss es ständig mit mindestens einem Schiff präsent sein. Das geht natürlich zu Lasten anderer Aufgaben, nicht zuletzt der Ausbildung in den High-End-Bereichen, die die Bundesmarine in den bisherigen Einsätzen des Internationalen Krisenmanagements (IKM) teilweise verlernt hat.
Europäische und weitere Partner: Deutschland und die EU sollten sich bemühen, auch Nicht-EU-Staaten zur Teilnahme zu gewinnen wie etwa Norwegen, Kanada, Australien oder Neuseeland. Bei Operationen im Mittleren und Nahen Osten bzw. am Persischen Golf wäre es aus Legitimitätsgründen zweckmäßig, auch arabische oder nordafrikanische Staaten um eine gegebenenfalls auch nur symbolische Beteiligung zu bitten.
Darüber hinaus sollte Deutschland Großbritannien ermutigen, ein Schiff zu einer EU-Mission beizusteuern. Zwar hat sich London der amerikanischen Initiative angeschlossen, dennoch gibt es mit Blick auf den Brexit ein deutsches und britisches Interesse, die EU nicht ohne Beteiligung Großbritanniens eine solche Mission durchführen zu lassen. Diese britische Beteiligung könnte dann als eine Art Blaupause für die sicherheitspolitischen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien nach dem Brexit dienen.
Der Umgang mit den USA: Eine integrierte Mission mit den USA ist derzeit weder in Berlin noch in anderen Hauptstädten politisch denkbar. Gleichzeitig kann kein europäischer Staat sein Engagement in der Region bedenken, ohne die USA, deren Mission und deren Konflikt mit dem Iran in die eigenen Überlegungen einzubeziehen. Deshalb wird sich jede europäische Mission mit der US-geführten Initiative aufs engste koordinieren müssen. Auch eine enge Kooperation ist denkbar. Dies bedeutet nicht, dass man Teil der US-Initiative wird. Dafür könnte Deutschland zum Beispiel vorab erklären, dass es an keiner Aktion teilnehmen wird, die über den Schutz der durch die SoH fahrenden Schiffe hinausgeht. Sollten die USA den Konflikt mit dem Iran militärisch eskalieren, würde die deutsche Marine ihre Zusammenarbeit mit der amerikanischen Initiative sofort abbrechen. Es gibt keinerlei Automatismus, der Deutschland zwingen würde, sich aktiv an einer solchen Eskalation zu beteiligen.
Annex: Methodische Hinweise – was zählen wir, und wie?
Annahmen und Schätzungen sind die Grundlage für einige zentrale Aussagen des Textes. Dieses Vorgehen ist üblich, vor allem, wenn Werte nicht öffentlich verfügbar sind und die Annahmen auf transparente Weise gemacht werden.
Zahlreiche Annahmen haben wir bereits im Text offengelegt. Die Anmerkungen hier beziehen sich im Wesentlichen auf die Schätzungen in Kapitel 4.
Die Klassifizierung der in die Zählung eingeflossenen Schiffe wurde zum überwiegenden Großteil vom International Institute for Strategic Studies (IISS) übernommen, da nationale Klassifizierungen sich unterscheiden. Das IISS nutzt in seinem Standardwerk zu militärischen Kräften, der Military Balance, Verdrängung als Klassifizierungsmaßstab von Schiffen. Einzelne Reklassifizierungen wurden aufgrund von Rückmeldungen zur ersten Version des Papiers vorgenommen.
Die Rotation von Kräften wurde mit einer Standzeit von vier bis sechs Monaten berechnet und auf eineinhalb Jahre Missionsdauer begrenzt. Sowohl Besatzungen als auch die meisten Schiffe benötigen dann eine Unterbrechung des Einsatzes zur Regeneration und Wartung. Nur wenige Schiffstypen wie die neue deutsche Fregatte F-125 sind für längere Standzeiten und mehrere, am Einsatzort wechselnde Besatzungen, konzipiert. Zudem wurde angenommen, dass die Kräfte des ersten Einsatzes auch die vierte Rotation stellen, das heißt jeweils zwei Zeiträume für Rückführung aus Einsatz, Wartung und gegebenenfalls Training und Ausbildung hinreichend sind.
Bei der Betrachtung der Beobachtermission sind nur Schiffe mit Bordhubschrauberhangar berücksichtigt worden. Bei der Schutzmission wiederum wurden auch andere hochseetüchtige Kriegsschiffe (hier: Korvetten) und andere Überwasserkampfschiffe (Zerstörer, Fregatten) ohne Hubschrauberhangar einbezogen. In der Entwicklung der Anforderungen beider Missionstypen wurde mit der Annahme von ein bis zwei Hubschraubern pro Überwasserkampfschiff gearbeitet.
Als Hubschrauber wurden den jeweiligen Marinen zugeordnete Hubschrauber gezählt, unter Berücksichtigung der Rollen U-Jagd, Mehrzweckhubschrauber und Search and Rescue (SAR). Als Bewaffnung werden schwere Maschinengewehre angenommen, die zur Bekämpfung von kleinen Booten geeignet sind. Als Starrflügler zu Aufklärungszwecken wurden sowohl Seeaufklärer wie auch U-Jagdflugzeuge einbezogen. Die für den Einsatz in Frage kommenden Versorgungsschiffe umfassen sowohl Tanker als auch Mehrrollen-Einsatzversorger (wie z.B. die deutschen Einsatzgruppenversorger der Berlin-Klasse). Es wird angenommen, dass die in der Datenbasis aufgeführten Versorgungsschiffe zur Versorgung in See geeignet sind.