Kommentar

29. Aug. 2019

Diplomatie Ja, Militär Nein

Deutschland sollte einer Mission am Golf fernbleiben

Die deutsche Regierung erwägt, sich an einer Mission in der Straße von Hormus zur Beobachtung und Sicherung der freien Seefahrt zu beteiligen. Ohne ein Kooperationsgesuch von Staaten im Golf birgt eine solche Entsendung hohe Risiken für eine weitere Eskalation. Frankreichs diplomatischer Vorstoß beim G7-Gipfel in Biarritz ist ein wichtiger Schritt, den Konflikt mit Iran zu entschärfen. Auch Deutschland sollte neue diplomatische Wege einschlagen und einen Gegenpol zur US-Politik bilden.

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Schon die US-Mission in der Straße von Hormus gemeinsam mit Großbritannien und Australien sowie eine mögliche israelische Beteiligung haben die Alarmstufen erhöht. Für den Iran stellt die US-geführte Mission eine erhebliche Provokation dar. Fahren doch in seiner unmittelbaren Nähe weitere Kriegsschiffe des größten Kontrahenten des Ayatollah-Regimes auf, der die iranische Führung in die Knie zwingen will, unterstützt vom Erzfeind Israel. Dass die USA unter der Führung Donald Trumps keine verlässliche Politik in der Region und darüber hinaus betreiben, steht außer Frage und erhöht zusätzlich die Gefahr. Der Grund für die alarmierenden Ereignisse in der Straße von Hormus ist schließlich die seit einem Jahr konfliktverschärfende US-Politik gegenüber dem Iran. Eine weitere Mission in diesem Klima könnte die Lage aufheizen. 

US-Mission provokant und unberechenbar, Deeskalation im Gange 

Die Beschaffenheit des Seeweges birgt ebenso Konfliktpotenzial: Die Straße von Hormus liegt in iranischen und omanischen Hoheitsgewässern, es handelt sich um einen sehr schmalen Seeweg. Weitere Schiffe und Akteure erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Zwischenfällen und tatsächlichen oder wahrgenommenen Provokationen. Eine unbeabsichtigte Eskalation einschließlich des Einsatzes militärischer Mittel könnte die Folge sein, ganz besonders bei einer Beteiligung der USA und Israels.

Zum jetzigen Moment erscheint eine weitere Marinemission auch nicht sinnvoll. Die Ereignisse der vergangenen beiden Monate verzeichnen eher eine Entspannung, nicht zuletzt durch Frankreichs diplomatischen Überraschungscoup beim G7-Gipfel und zuvor Großbritanniens Freilassung des iranischen Öltankers und Irans Ankündigung, im Gegenzug den britischen Tanker freizulassen. Der Iran testet, wie weit er gehen kann, ohne einen offenen militärischen Konflikt auszulösen. Die Sabotage von Öltankern könnte folglich als Mittel ausgereizt sein. Vielmehr ist denkbar, dass der Iran weitere Vorgaben des Atomabkommens verletzt, um nach innen gesichtswahrend wieder mit den USA zu verhandeln.

Eine US-geführte Mission setzt die US-Politik des „maximalen Drucks“ gegenüber dem Iran fort. Eine weitere europäische, möglicherweise internationale Mission würde den Druck auf den Iran noch weiter steigern und seine internationale Isolation befördern. Die Europäer inklusive Deutschland würden damit die aus iranischer Sicht gefährliche US-Politik stärken und sich ihr anschließen. Glaubwürdigkeit büßen die Europäer eh schon ein, indem sie den Iran nicht ausreichend wirtschaftlich unterstützen und das Bartersystem (Instex), ein Handels- und Zahlungssystem, dass den US-Markt umgehen soll, wirkungslos bleibt. Mit der Beteiligung an einer Mission würde Deutschland weiter an Glaubwürdigkeit und diplomatischem Kapital für einen notwendigen Dialog mit dem Iran über die akute Krise im Seeweg hinaus verlieren. Auch vor dem Hintergrund einer möglichen zweiten Amtszeit Trumps wäre dies fatal. Denn der Iran wird ein sehr problematischer Akteur in der Region bleiben.

Aufwind für Radikalkonservative und mögliche Aktivierung der Stellvertreter Irans

Eine internationale Front gegen den Iran verschafft den radikal-konservativen Kräften, die dem Atomabkommen bereits kritisch gegenüberstanden, weiteren Aufwind. Diese Stimmen sind auch vor dem Hintergrund der alarmierenden sozio-ökonomischen Not bereits sehr laut. Die moderateren Kräfte um den iranischen Außenminister und Präsidenten haben genau das Gegenteil versprochen: die Integration des Iran in die internationale Weltgemeinschaft und wirtschaftliche Dividenden für die Unterzeichnung des Abkommens.

Der Auftrieb der Radikalkonservativen bedeutet, dass Irans Stellvertreter wie die Hisbollah im Libanon, schiitische Milizen im Irak, oder die Houthis im Yemen, aktiviert werden könnten, Ziele in den jeweiligen Ländern anzugreifen. Sie könnten die Verwundbarkeit des Westens und Stärke demonstrieren. Zwar befinden sich die Kämpfer der Qudsbrigaden und Irans Stellvertreter seit 2011 in ressourcenbindenden Einsätzen. Doch je mehr sich der Iran mit dem Rücken an der Wand sieht, umso eher zieht er weitere Register.

In dem Zusammenhang sei ein weiteres Risiko einer Eskalation genannt. Es stellt sich die Frage, inwieweit alle Stellvertreter zentral aus dem Iran gesteuert werden. Die Gefolgschaft der Houthis im Yemen zum Iran ist zum Beispiel nicht vergleichbar mit der Nähe der Hisbollah zum Regime. Sowohl Umfang der militärischen Unterstützung aus dem Iran als auch die Befehlsstruktur unterscheiden sich. Heute ist es denkbar, dass nichtstaatliche Akteure Initiative ergreifen und der Befehl nicht zwingend von der iranischen Kommandozentrale erteilt wird. Das erhöht die Komplexität und würde Bemühungen zur Deeskalation erheblich erschweren.

Gegengewicht zu USA, Gestaltung durch strategische Tiefe in Diplomatie 

Deutschland muss dem Iran weiterhin unmissverständlich klar machen, dass Sabotagefälle oder Angriffe die deutschen Bemühungen für den Iran torpedierten und man bei vermehrten Sabotagefällen nicht tatenlos zusähe. Genauso essentiell ist der diplomatische Druck auf die USA, denen die Eskalation zu verschulden ist. Auch wenn eine Immunität Trumps gegenüber diplomatischem Druck zu erwarten ist, sollte Deutschland Versuche unternehmen, um zumindest – bis zu einer möglichen Abwahl Trumps im kommenden Jahr – eine Schadenbegrenzung amerikanischer Politik zu erzielen. Ein starkes multinationales Gegengewicht zur US-Iranpolitik ist ein wichtiges Signal verantwortungsvoller internationaler Akteure. Europäische Partner von einer deutscher Position zu überzeugen ist weiterhin die zentrale Aufgabe. Unter den nordischen Ländern könnte die Bundesregierung leichter Verbündete finden.

Verbündete müssen aber auch weltweit gefunden werden. Ein Blick in die Region ist hilfreich. Schließlich sind Länder dort unmittelbar von einem Krieg betroffen. Der Irak hat sich gegen eine von Israel unterstützte US-Mission ausgesprochen, nicht zuletzt aus berechtigter Furcht, größter Schauplatz für amerikanisch-iranische Rivalitäten zu werden. Katar, Kuwait und Oman bemühten sich teilweise um Mediation. Selbst die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die zusammen mit Saudi-Arabien die konfliktverschärfende amerikanische Iranpolitik beeinflusst haben, scheinen sich bezüglich der iranischen Widerstandsfähigkeit verkalkuliert zu haben. Eine Delegation der Küstenwache der VAE besuchte jüngst den Iran, um sich sicherheitspolitisch abzustimmen. Das wundert nicht: Ein Krieg vor der Haustür würde das Land existentiell bedrohen. D.h. selbst die VAE könnten von ihrem harten Irankurs abweichen. Darauf sollte Deutschland aufbauen und die engen Beziehungen der VAE zu Trump nutzen, um auf ein mögliches Einlenken der Amerikaner hinzuwirken. Dies erfordert strategisch tiefer gehende diplomatische Mechanismen zwischen beiden Ländern.

Deutschland sollte bei betroffenen Ländern in der Region und darüber hinaus strategische Tiefe in den Dialogkanälen anstreben und in engstem, regelmäßigem Kontakt stehen. Es bedarf eines Ausbaus der Dialoginfrastruktur. Konkret heißt das etwa weitere regelmäßige vertrauliche Foren und Gesprächsformate, um Risikoperzeptionen, Lesart der dynamischen Entwicklungen sowie gemeinsames Handeln zu analysieren. Etablierte bilaterale Regierungskonsultationen und Begegnungen auf internationalen Foren wie etwa der G20, sind zwar wichtige diplomatische Austauschkanäle, aber nicht ausreichend, um Vertrauen zu stärken und gemeinsame Strategien, wie etwa im Fall der Straße von Hormus, voranzutreiben. Das betrifft Länder in der Region, aber auch  Akteure wie China, Indien, oder Japan. Sie alle sind Empfänger iranischen Öls und folglich an einer gesicherten Ölzufuhr sehr interessiert. Auch hier bedarf es weiterer speziell auf den Nahen Osten fokussierte Foren.

Es scheint, dass die Debatte über Verantwortung überwiegend über militärisches Engagement geführt wird. In einem Klima der unvorhergesehenen Aufrüstung im Nahen Osten und militarisierter Politik rechts-konservativer Regierungen wie zur Zeit in den USA oder Russland sind gerade Schwergewichte wie Deutschland unverzichtbar, die auf Diplomatie und politische Lösungen setzen und damit Glaubwürdigkeit für Verhandlungen aufbringen. Diese diplomatischen Wege sollte die Bundesregierung zuallererst ausschöpfen. Damit übernähme sie Verantwortung in der hochgefährlichen Situation am Golf.

Bibliografische Angaben

Fakoussa-Behrens, Dina. “Diplomatie Ja, Militär Nein.” August 2019.

DGAPstandpunkt 22, 29. August 2019, 3 S.

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