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20. Dez. 2019

Das chinesische Streben nach Einfluss: verdeckt und vor aller Augen

Die Kom­mu­nis­ti­sche Partei Chinas betrach­tet die Studien junger Chi­ne­sen an aus­län­di­schen Uni­ver­si­tä­ten als patrio­ti­sche Mission. Das Motto: Sei loyal, trans­fe­riere Tech­no­lo­gie, assi­mi­liere dich nicht. Die „Ein­heits­front“, ein Dach­ver­band von Kul­tur­or­ga­ni­sa­tio­nen, soll die Stu­den­ten von der euro­päi­schen Außen­welt abschir­men. Noch haben west­li­che, libe­rale Gesell­schaf­ten keinen Weg gefun­den, wie sie mit der opaken Ein­fluss­nahme Pekings umgehen sollen.

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In den ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­ten sind Sol­da­ten Preu­ßens, Napo­le­ons, der Nazis und der Alli­ier­ten alle die heutige Straße des 17. Juni ent­lang­mar­schiert, einen Bou­le­vard, der den reich bewal­de­ten Ber­li­ner Tier­gar­ten von Ost nach West durch­schnei­det und über dem eine geflü­gelte goldene Statue der römi­schen Göttin Vik­to­ria schwebt.

Unlängst erklan­gen im Audi­to­rium der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Berlin, die sich entlang dieser Ver­kehrs­ader erstreckt, tausend Stimmen zu eine patrio­ti­schen Lied für eine andere auf­stei­gende Macht – für China. „Ich lebe zwar in einem fremden Land, aber ich kann mein chi­ne­si­sches Herz nicht ändern“, sangen die Stu­den­ten und Wis­sen­schaft­ler, meist Dok­to­ran­den oder Pro­mo­vierte im Chor zu Bildern der Großen chi­ne­si­schen Mauer, die auf der Bühne in einer Karaoke-Version von „Mein chi­ne­si­sches Herz“ vor­bei­zie­hen. Das Lied ist ein Klas­si­ker, von der Kom­mu­nis­ti­schen Partei gut­ge­hei­ßen. Man sang: „Meine Ahnen haben vor langem schon ‚China‘ auf alles in mir geprägt!“

Die Gala zum chi­ne­si­schen Neu­jahrs­fest Ende Januar war eine glanz­volle, mit­un­ter mar­kerschüt­ternd schrille Ange­le­gen­heit, die von einem halben Dutzend chi­ne­si­scher Stu­den­ten­ver­ei­ni­gun­gen an Spit­zen­uni­ver­si­tä­ten in Berlin und Bran­den­burg orga­ni­siert wurde. Im Pro­gramm: Tanz, Musik, Kung Fu, Witze über das Wetter in Deutsch­land (zu grau, zu nass), Lot­te­rie­ge­winne (Huawei-Geräte und Fla­schen mit Baijiu, einem kräf­ti­gen chi­ne­si­schen Schnaps) – und eine Bot­schaft von Shi Mingde, dem schei­den­den Bot­schaf­ter der Volks­re­pu­blik in Deutsch­land.

„Ich hoffe, Sie werden die glü­hen­den Erwar­tun­gen von Gene­ral­se­kre­tär Xi Jinping und unserem Vater­land nicht ent­täu­schen“, erklärte Bot­schaf­ter Shi. „Wandeln Sie patrio­ti­sche Gefühle zu patrio­ti­schen Taten […] ver­knüp­fen Sie Ihre eigenen Ideale eng mit dem Schick­sal des Vater­lan­des!“ In einem Bericht über den Abend, der von der chi­ne­si­schen Bot­schaft in Berlin ver­öf­fent­licht wurde, fährt er fort: „Bringen Sie Wis­sen­schaft und Tech­no­lo­gien zurück nach Hause, um Chinas wirt­schaft­li­che und gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung vor­an­zu­trei­ben!“

Ver­bor­ge­nes Netz­werk

Dem ersten Anschein nach war die Ver­an­stal­tung wenig bemer­kens­wert, ledig­lich eine Party zur Begrü­ßung des Jahrs des Schwei­nes. Dennoch hatte Sie eine tiefere Bedeu­tung: Die 80 chi­ne­si­schen Stu­den­ten­ver­ei­ni­gun­gen in Deutsch­land, die 60 000 Stu­den­ten aus der Volks­re­pu­blik reprä­sen­tie­ren, orga­ni­sie­ren nicht nur Feiern und Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen, sie fun­gie­ren zudem als Teile eines euro­pa­wei­ten Puzzles solcher Orga­ni­sa­tio­nen. Deren Zahl geht wohl in die Tau­sende, sie sind akri­bisch von Peking zusam­men­ge­führt und unter­stüt­zen und ver­brei­ten bei Chi­ne­sen und Euro­pä­ern die Ideo­lo­gie und die Ziele der chi­ne­si­schen Kom­mu­nis­ti­schen Partei – wie auch deren Nar­ra­tiv über China. Und sie ver­su­chen sicher­zu­stel­len, dass chi­ne­si­sche Bürger im Ausland sowie andere Per­so­nen chi­ne­si­scher Her­kunft loyal sind.

Den Hyphen von Pilzen gleich, die sich unsicht­bar kilo­me­ter­weit unter dem Wald­bo­den erstre­cken, bleibt dieses Netz­werk den Euro­pä­ern und deren Füh­run­gen zu großen Teilen ver­bor­gen. Diesen fehlen weit­ge­hend die nötigen Sprach­kennt­nisse und sie sind nicht hin­rei­chend mit der Politik der Kom­mu­nis­ti­schen Partei ver­traut. Das Netz­werk ver­sucht nicht einfach nur mit­zu­ge­stal­ten, was in Europa über China gespro­chen wird, sondern auch Tech­no­lo­gien und Exper­tise nach China zu bringen. Diese Anstren­gun­gen werden zwar von der Partei unter­nom­men, für die Umset­zung jedoch ist eine undurch­sich­tige und wenig bekannte Behörde in Peking zustän­dig, die als „Work Depart­ment“ der Ein­heits­front bezeich­net wird.

Dieses Vor­ge­hen Chinas erfolgt inmit­ten einer welt­weit wach­sen­den Besorg­nis der demo­kra­ti­schen Länder in Bezug auf Pekings poli­ti­sche und wirt­schaft­li­che Spio­nage, sei es angeb­li­cher Dieb­stahl geis­ti­gen Eigen­tums – ein zen­tra­les Thema im Han­dels­streit zwi­schen den USA und China – oder die Über­wa­chung und Gän­ge­lung von Aus­lands­chi­ne­sen. Ins­be­son­dere in den USA und in Aus­tra­lien haben Offi­zi­elle ange­sichts der Fähig­keit und der Bereit­schaft Pekings, seine Macht auf das Ter­ri­to­rium dieser Länder zu pro­ji­zie­ren, Alarm geschla­gen. In Europa sind die Reak­tio­nen bislang weniger nach­drück­lich gewesen.„China ver­sucht, einen Zugriff auf die deut­sche Politik, Wirt­schaft und Sicher­heit zu erlan­gen, und viele Leute merken das nicht“, erklärt Carlo Masala, Sicher­heits­ex­perte und Pro­fes­sor für inter­na­tio­nale Politik von der Uni­ver­si­tät der Bun­des­wehr in München. „Es ist nicht so, dass wir in Bezug auf China blind wären, aber wir schauen nicht genau hin.“

KP stützt sich auf Stu­den­ten­ver­ei­ni­gun­gen

Deutsch­land hat Genera­tio­nen chi­ne­si­scher Stu­den­ten emp­fan­gen, sowohl vor wie auch nach der Kom­mu­nis­ti­schen Revo­lu­tion 1949 in China. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass vor fast 100 Jahren die Ein­heits­front zum Teil in Berlin ihren Anfang nahm, als die Stadt das Zentrum der Akti­vi­tä­ten von Lenins Kom­mu­nis­ti­scher Inter­na­tio­nale war. Die ver­suchte, die Feinde des Kom­mu­nis­mus dadurch zu neu­tra­li­sie­ren, dass Kri­ti­ker und Unent­schlos­sene erst infil­triert, dann koop­tiert und Zwang aus­ge­setzt wurden.

Eine Über­schlags­zäh­lung der Gruppen in Deutsch­land, die mit der Ein­heits­front in China in Ver­bin­dung stehen, ergibt 230; die tat­säch­li­che Zahl dürfte sicher­lich höher liegen. Zu ihnen gehören deutsch–chinesische Gesell­schaf­ten für Freund­schaft, Kultur und Wirt­schaft, chi­ne­si­sche Han­dels­kam­mern, beruf­li­che Zusam­men­schlüsse für chi­ne­si­sche Wis­sen­schaft­ler und Tech­no­lo­gie­ex­per­ten, die in Deutsch­land arbei­ten, sowie eine Gesell­schaft für „öffent­li­che Diplo­ma­tie“, die offen mit ihrem Ein­fluss bei deut­schen und euro­päi­schen Poli­ti­ker prahlt. Und hier sind die Stu­den­ten­ver­ei­ni­gun­gen und 20 Kon­fu­zius-Insti­tute, die sich beide im Ein­klang mit den Zielen der Ein­heits­front befin­den, noch nicht einmal mit ein­ge­rech­net (Die vielen E‑Mails und Anrufe bei der chi­ne­si­schen Bot­schaft in Berlin sowie Stu­den­ten- und Berufs­ver­ei­ni­gun­gen in Deutsch­land, in denen um einen Kom­men­tar hierzu gebeten wurde, blieben unbe­ant­wor­tet).

Nach den Pro­tes­ten 1989 auf dem Pekin­ger Platz des Himm­li­schen Frie­dens, die von Stu­den­ten ange­führt wurden, hatte die Kom­mu­nis­ti­sche Partei begon­nen, sich auf Stu­den­ten­ver­ei­ni­gun­gen zu stützen, ins­be­son­dere, um die Akti­vi­tä­ten der Stu­den­ten im Ausland zu über­wa­chen und zu gestal­ten – und um ihre eigene Bot­schaft zu ver­brei­ten, wie Alex Joske meint, ein Wis­sen­schaft­ler vom Aus­tra­li­schen Insti­tut für stra­te­gi­sche Politik (ASPI) in Can­berra. Für Stu­den­ten, die in Chinas patrio­ti­scher Erzie­hung geschult sind, war Shis Bot­schaft auf der chi­ne­si­schen Neu­jahrs­feier klar: Sei loyal („patrio­ti­sche Gefühle“), trans­fe­riere Tech­no­lo­gie („patrio­ti­sche Taten“), assi­mi­liere dich nicht („ver­knüpfe deine eigenen Ideale mit dem Schick­sal des Vater­lan­des“)!

Die Kon­trolle durch die Partei nimmt viel­fäl­tige Formen an, und sie ist bewusst mit nütz­li­chen Dienst­leis­tun­gen ver­wo­ben. An der Freien Uni­ver­si­tät Berlin bietet eine Bro­schüre der chi­ne­si­schen Stu­den­ten­ver­ei­ni­gung auf 100 Seiten prak­ti­sche Infor­ma­tio­nen, wie man sich in der deut­schen Büro­kra­tie zurecht­fin­det, wo man gut essen kann, oder wie man einen Mit­be­woh­ner findet. Auf Seite 101 jedoch springt einem eine poli­ti­sche Bot­schaft ent­ge­gen: „Wenn wir uns ver­sam­meln, kannst du auf die Straße gehen und für das Vater­land skan­die­ren. Du kannst Xi Dada und Peng Mama begrü­ßen“ (Chinas Staats­chef Xi Jinping und dessen Gattin Peng Liyuan). Die Uni­ver­si­tät hat auf Anfra­gen, die nach einem Kom­men­tar ver­lang­ten, nicht reagiert.*

China als sys­te­mi­scher Wett­be­wer­ber

Die Lei­te­rin der Stu­den­ten­ver­ei­ni­gung an einer deut­schen Uni­ver­si­tät (sie bat, wie andere Inter­viewte auch, um Anony­mi­tät, um Ver­gel­tung zu ver­mei­den), erklärte, chi­ne­si­sche Diplo­ma­ten hätten ver­langt, dass sie die Posi­tion über­nimmt. Sie würden typi­scher­weise „einige Hundert Euro“ anbie­ten, mit denen Ver­an­stal­tun­gen finan­ziert werden sollten. Wichtig ist hier, dass Stu­den­ten diese Zusam­men­künfte zwar als gesell­schaft­li­ches Ereig­nis betrach­ten, dort aber auch Politik eine Rolle spielt. Einer von meh­re­ren Besu­chen des chi­ne­si­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Li Keqiang in Berlin war Anlass für eine Feier im Tier­gar­ten zu Lis Ehrens, die von der Bot­schaft mit­or­ga­ni­siert wurde. Dies berich­tet ein anderer Student, ein Mit­glied einer Ber­li­ner Stu­den­ten­ver­ei­ni­gung.

Ein ehe­ma­li­ger Leiter einer Stu­den­ten­ver­ei­ni­gung beschrieb, wie er vor seiner Abreise nach Deutsch­land von einem regio­na­len lei­ten­den Funk­tio­när der Kom­mu­nis­ti­schen Partei expli­zit gebeten wurde, während seines Stu­di­ums für Peking zu spio­nie­ren. Der Funk­tio­när verwies dabei auf die natio­nale Ent­wick­lung und auf den Patrio­tis­mus, darüber hinaus stellte er eine finan­zi­elle Ver­gü­tung in Aus­sicht. Der Student wei­gerte sich zwar zu spio­nie­ren, wil­ligte aber ein, die chi­ne­si­sche Stu­den­ten­ver­ei­ni­gung seiner Uni­ver­si­tät zu leiten. Nach zwei Jahren erhielt er ein Lei­ter­zer­ti­fi­kat mit dem Siegel der chi­ne­si­schen Bot­schaft, das er mir zeigte. Das Doku­ment wäre nach seiner Rück­kehr nach China für seine Kar­riere hilf­reich gewesen. Er ist jedoch nie zurück­ge­kehrt.

Und als Teil der Anstren­gun­gen, China zu einer Wis­sen­schafts– und Tech­no­lo­gie­groß­macht auf­zu­bauen – ein Drang, der bereits die Besorg­nis aus­ge­löst hat, Peking ver­su­che, Belege für seine tech­no­lo­gi­sche „Bonität“ durch den Kauf west­li­cher Firmen und durch Wirt­schafts­spio­nage zu schaf­fen – ver­sucht Peking auch, nach Wis­sen­schaft­lern und Infor­ma­tio­nen zu schür­fen. Während es nahezu unmög­lich ist die Kosten zu bezif­fern, die Deutsch­land durch diver­ses Vor­ge­hen dieser Art ent­ste­hen, schätzte der Digi­tal­ver­band Bitkom im Jahr 2017, dass die deut­sche Wirt­schaft allein durch Cyber­spio­nage und Daten­dieb­stahl jähr­lich rund 55 Mil­li­ar­den ver­liert. Der Verband erklärte, dass rund ein Fünftel der Angriffe aus China kämen.

Im Januar erklärte der Bun­des­ver­band der Deut­schen Indus­trie (BDI) China nicht nur zu einem Partner, sondern auch zu einem „sys­te­mi­schen Wett­be­wer­ber“. Einige Monate später ver­kün­dete die Euro­päi­sche Kom­mis­sion, dass China „ein wirt­schaft­li­cher Wett­be­wer­ber ist, der die tech­no­lo­gi­sche Füh­rer­schaft anstrebt, und ein sys­te­mi­scher Rivale.“ In einem Bericht von 2018 schrieb das deut­sche Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz, dass Chinas Nach­rich­ten­dienste „inten­siv Arbeits­be­rei­che und Wis­sens­po­ten­ziale chi­ne­si­scher Wis­sen­schaft­ler in Deutsch­land [eru­ie­ren].“ Der Bericht ver­weist darauf, dass es für Berlin schwie­rig sei, diese Spio­nage zu ver­fol­gen, wenn die Grenzen zwi­schen staat­li­chem und indi­vi­du­el­lem Vor­ge­hen ver­schwim­men, wie das bei China oft der Fall gewesen sei. „Trotz diver­ser Hin­weise für eine Invol­vie­rung chi­ne­si­scher staat­li­cher Stellen“ bei einem auf­se­hen­er­re­gen­den Fall im letzten Jahr, konnte gegen die Betei­lig­ten „ledig­lich auf­grund […] des Geset­zes gegen unlau­te­ren Wett­be­werb Anklage“ erhoben werden.

Stu­den­ten unter Druck

Ein sorgsam auf­ge­bau­tes Netz von Studium und Arbeit hält diesen Prozess am Laufen. Stu­den­ten­ver­ei­ni­gun­gen werben für gut bezahlte Jobs zu Hause in staat­li­chen Insti­tu­tio­nen oder Unter­neh­men, ein­schließ­lich Ver­güns­ti­gun­gen wie Wohn­raum und Hilfe bei der Schul­aus­bil­dung der Kinder. Einige Ange­bote beinhal­ten jähr­li­che Fahrten zurück nach Deutsch­land, damit Absol­ven­ten per­sön­li­che und pro­fes­sio­nelle Kon­takte pflegen können.

Ein Pro­gramm, das auf dem WeChat-Account der Berlin and Bran­den­burg Public Stu­dents Fede­ra­tion bewor­ben wird, ver­brei­tet Ange­bote von chi­ne­si­schen Uni­ver­si­tä­ten, die „her­aus­ra­gende Wis­sen­schaft­ler“ zu gewin­nen ver­su­chen. Dabei würden alle Kosten für die Reise zurück nach China über­nom­men, um die aka­de­mi­sche Zusam­men­ar­beit zu fördern und dabei zu helfen, Jobs zu finden. Ein anderes Angebot von der Uni­ver­si­tät für Tech­no­lo­gie Wuhan sucht chi­ne­si­sche Stu­den­ten mit Exper­tise in Berei­chen wie neue Werk­stoffe und Mate­ria­lien, mari­ti­mes Inge­nieurs­we­sen, Ver­kehrs­leit­sys­teme, künst­li­che Intel­li­genz und Sicher­heits­stu­dien. In einem Fall kehrte ein For­scher für Unter­was­ser­ro­bo­tik von einer Uni­ver­si­tät in Nord­west­deutsch­land nach China zurück, um „eine in die Tiefe gehende, sorgsam und detail­liert aus­ge­ar­bei­tete, schritt­weise Erklä­rung“ der „wis­sen­schaft­li­chen For­schungs­wege“ der deut­schen Uni­ver­si­tät an eine Abtei­lung der Chi­ne­si­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten zu liefern, einem staat­li­chen For­schungs­in­sti­tut. Über der­ar­tige Anstren­gun­gen hinaus gehört Deutsch­land einer Analyse zufolge zu den wich­tigs­ten Ziel­or­ten für Wis­sen­schaft­ler, die mit dem chi­ne­si­schen Militär in Ver­bin­dung stehen und wei­ter­stu­die­ren wollen.

Die For­schungs­prio­ri­tä­ten umfas­sen die gesamte Band­breite, kon­zen­trie­ren sich aber auf Natur­wis­sen­schaf­ten und Staats­auf­bau, erklärt mir Gerry Groot, der an der Uni­ver­si­tät Ade­laide zur Ein­heits­front forscht. Er sagt, dass eine Wei­ge­rung für Stu­den­ten schwie­rig sei, weil die Auf­for­de­run­gen emo­tio­nal und finan­zi­ell unter­füt­tert sind und Gefühle natio­na­ler Loya­li­tät aus­nüt­zen. Letz­te­res ist von beson­de­rer Bedeu­tung. William Hannas, James Mul­venon und Anna Puglisi schrei­ben in ihrem Buch über das chi­ne­si­sche Tech­no­lo­gie­trans­fer-Pro­gramm: „Assi­mi­lie­rung ist anschei­nend keine Option.“ Groot stimmt dem zu: „Wenn chi­ne­si­sche Stu­den­ten sich ihrem Gast­land anpas­sen, um es einmal so aus­zu­drü­cken, ris­kie­ren sie, von anderen Chi­ne­sen dafür ver­ur­teilt zu werden, dass sie weiß sein wollen“.

Nach Angaben von Yishu Mao, einer Sozio­lo­gin am Ber­li­ner Mer­ca­tor Insti­tute for Chinese Studies, die 267 chi­ne­si­sche Stu­den­ten an deut­schen Hoch­schu­len befragt hat, unter­stüt­zen die meisten das Ein­par­tei­en­re­gime zuhause (auch wenn viele hoffen, dass die bür­ger­li­chen Frei­hei­ten aus­ge­dehnt werden) und kehren nach ihrem Studium nach China zurück. Für jene, die bleiben, gewähr­leis­tet ein mit der Ein­heits­front ver­bun­de­nes System, dass sie einen Beitrag für das Vater­land leisten können. Es handelt sich um den Verband der chi­ne­si­schen Berufs­ver­ei­ni­gun­gen in Europa, ein in Frank­furt am Main ange­sie­del­ter Dach­ver­band von 60 Wis­sen­schafts- und Tech­no­lo­gie-Orga­ni­sa­tio­nen auf dem ganzen Kon­ti­nent.

Bedeu­tung der Ein­heits­front nimmt zu

Die chi­ne­si­sche Web­seite des 2001 gegrün­de­ten Ver­ban­des for­mu­liert es gera­de­her­aus: „Es gibt eine Gruppe gelb­häu­ti­ger, schwarz­haa­ri­ger Men­schen, unter denen einige der besten Stu­den­ten und Wis­sen­schaft­ler der Welt sind.“ Das Ziel: „Schaf­fung einer inter­dis­zi­pli­nä­ren, viele Wis­sen­schaf­ten abde­cken­den chi­ne­si­schen Wis­sens­gruppe und ein Beitrag zu Chinas Reform und Aufbau.“ Der Verband hat Büros in Shang­hai und Peking und bietet Preise sowie die Aus­sicht, beruf­li­che Ver­bin­dun­gen in China zu knüpfen, an. Er orga­ni­siert auch jähr­lich eine Ver­an­stal­tung für chi­ne­si­sche Wis­sen­schaft­ler aus ganz Europa. In diesem Jahr fand diese im Oktober in Dublin statt, wobei künst­li­che Intel­li­genz und inno­va­tive Pro­duk­tion im Mit­tel­punkt standen. Im letzten Jahr kamen in Hel­sinki rund 300 chi­ne­si­sche und fin­ni­sche Funk­tio­näre, Wis­sen­schaft­ler und Wirt­schafts­leute zusam­men, um über den Aufbau nach­hal­ti­ger Wirt­schaf­ten und intel­li­gente Städte zu dis­ku­tie­ren.

Trotz seiner Dimen­sion und Ambi­tio­nen ist der Verband rät­sel­haft. Niemand reagiert auf die Tür­klin­gel an der gemel­de­ten Adresse, einem drei­stö­cki­gen Haus in einem Frank­fur­ter Vorort. Auf den ver­gilb­ten Klin­geln stehen die Namen meh­re­rer Orga­ni­sa­tio­nen, die mit Zhou Sheng­zong in Ver­bin­dung stehen. Zhou ist der Begrün­der des Ver­ban­des, war 1988 als Dok­to­rand nach Deutsch­land gekom­men und arbei­tet jetzt in einem For­schungs­in­sti­tut, das zur Chi­ne­si­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten gehört.

In Hel­sinki ist die Präsenz der Ein­heits­front deut­lich spürbar: Unter den Orga­ni­sa­to­ren war die in Stock­holm ansäs­sige Nordic Zhigong Asso­cia­tion, die auf ihrer Web­seite erklärt, sie habe „lang­wäh­rende Kon­takte zur Zhi Gong-Partei“ und unter­nehme „Aus­tausch­maß­nah­men aller Art mit allen Par­tei­or­ga­ni­sa­tio­nen und ‑ver­ei­ni­gun­gen von Zhi Gong im Ausland.“ Die Partei ist eine der acht zuge­las­se­nen nicht­kom­mu­nis­ti­schen Par­tei­grup­pie­run­gen in der Ein­heits­front und wird von Wan Gang ange­führt, einem frü­he­ren Minis­ter für Wis­sen­schaft und Tech­no­lo­gie und stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den der „Poli­ti­schen Kon­sul­ta­tiv­kon­fe­renz des chi­ne­si­schen Volkes“, einem hoch­ran­gi­gen Bera­tungs­gre­mium, das mit der Ein­heits­front ver­bun­den ist. Sein Hin­ter­grund ver­weist auf die Bedeu­tung, die Deutsch­land (Europas größte Volks­wirt­schaft und ein indus­tri­el­ler und tech­no­lo­gi­scher Kraft­zen­trum) für China hat: Wan, ein KfZ-Inge­nieur, hat hier 17 Jahre stu­diert und gear­bei­tet.

Eines lässt sich sicher sagen: Mit den zuneh­men­den Span­nun­gen zwi­schen China und den USA nimmt die Bedeu­tung der Ein­heits­front zu. Xi habe die Orga­ni­sa­tion ange­wie­sen, ange­sichts der „zuneh­mend hef­ti­gen Her­aus­for­de­run­gen durch den Westen, der China zurück­drän­gen will“, „stärker und besser“ zu werden, erklärte Pan Yue, ein hoch­ran­gi­ger kom­mu­nis­ti­scher Par­tei­funk­tio­när im Juli dieses Jahres in einer Rede.

„Die Partei schirmt mit Hilfe der Ein­heits­front die Chi­ne­sen in Europa von der Außen­welt ab“, sagt Peter Mattis, ein ehe­ma­li­ger Ana­ly­ti­ker der CIA, der sich jetzt bei der James­town Foun­da­tion weiter auf China spe­zia­li­siert. „Diese poli­ti­sche Logik sind wir in einem demo­kra­ti­schen System nicht gewohnt.“

This article was ori­gi­nally published on the website TheAtlantic.com and is repu­blished here with The Atlantic’s per­mis­sion.

 

 

Bibliografische Angaben

Tatlow, Didi Kirsten. “Das chinesische Streben nach Einfluss: verdeckt und vor aller Augen.” December 2019.