Report

17. Aug. 2008

Das Carl Friedrich Goerdeler-Kolleg der Robert Bosch Stiftung

Im Jahr 2001 wurde das Stipendienprogramm für Nachwuchsführungskräfte aus Mittel- und Osteuropa ins Leben gerufen. Es fördert zukünftige Führungskräfte aus Polen, Tschechien, Ungarn, der Slowakei und ab 2008 auch Rumänien und Bulgarien, die als mitarbeitende Kollegen die Arbeit in der deutschen öffentlichen Verwaltung kennen lernen und anschließend in ihren Ländern gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen wollen. Seit 2007 trägt das Programm den Namen Carl Friedirch Goerdelers.

PDF

Share

Aus dem Grußwort von Dr. Ingrid Hamm, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung:

In seinem berühmten Vortrag „Politik als Beruf“ schrieb Max Weber 1919: „Man kann sagen, dass drei Qualitäten vornehmlich entscheidend sind für den Politiker: Leidenschaft – Verantwortungsgefühl – Augenmaß.“

Diese Charakterisierung trifft auf Carl Friedrich Goerdeler zu, wie auf wenige andere. Es ist uns daher eine große Ehre, dass unser Stipendienprogramm für Nachwuchsführungskräfte aus Mittel- und Osteuropa seit Mai 2007 einen neuen Namen trägt: Carl Friedrich Goerdeler-Kolleg.

Aus meiner Sicht ist das Verantwortungsgefühl, das sich im Denken und Handeln Goerdelers zeigte, noch heute tief beeindruckend. Helmut Schmidt sagte vor einiger Zeit in Tübingen, dass für ihn „das eigene Gewissen die oberste Instanz“ bleibt, gegenüber der man verantwortlich ist. In dem Handeln Carl Friedrich Goerdelers und seiner Mitstreiter ging es um diese Fragen des Gewissens, um Reflektion, und um den Sinn des Widerstandes gegen das Böse und den Sinn dessen, was danach für das Zusammenleben der Menschen kommen sollte.

Dieses Handeln muss auch heute noch Vorbild für uns und für die sein, die politisch Verantwortung tragen. Dies war der Grund, weshalb unser Stipendienprogramm für Verwaltungskräfte aus Mitteleuropa nach Carl Friedrich Goerdeler benannt wurde.

Dafür sprechen noch weitere Gründe, vor allem die enge Beziehung zwischen Robert Bosch und Carl Friedrich Goerdeler: Auf den ersten Blick scheint es wenige Gemeinsamkeiten zwischen dem preußischen Beamten Carl Friedrich Goerdeler und dem schwäbischen Unternehmer Robert Bosch zu geben. Doch war es die Firma Bosch, die Goerdeler in den Jahren zwischen 1937 und 1945 Unterstützung für Widerstandstätigkeit während des Zweiten Weltkriegs bot – übrigens in engem Kontakt zu Theodor Heuss. Bosch, Heuss und Goerdeler sind trotz aller persönlichen Unterschiede eine Verbindung eingegangen, die über die Ablehnung des Nationalsozialismus hinausging. Sie hatten gemeinsame Grundüberzeugungen, die auch ihr Rechts- und Gerechtigkeitsempfinden entscheidend prägten.

Carl Friedrich Goerdeler übernahm in einer der extremsten Situationen, in denen sich Deutschland je befunden hatte, Verantwortung. Er trat nicht nur 1936 von seinem Amt als Leipziger Oberbürgermeister aus Protest gegen Handlungen der örtlichen Nationalsozialisten zurück, sondern verfasste als einer der Mitbegründer des zivilen Verschwörerkreises um den 20. Juli Denkschriften zu verfassungspolitischen Neuordnungen sowie Pläne für eine Europäische Union.

Und Carl Friedrich Goerdeler war schließlich ein Verwaltungsbeamter: Man kann sagen, dass er ein Kommunalpolitiker mit Leib und Seele war. Nach Anfängen in der Solinger Stadtverwaltung und als Zweiter Bürgermeister in Königsberg wurde er 1930 zum Leipziger Oberbürgermeister gewählt. Und obwohl die Kommunalpolitik immer eine Herzensangelegenheit für ihn darstellte, war er auch zu größeren Aufgaben bereit: Die Widerstandsgruppe des 20. Juli sah ihn in einer Umsturzregierung für das Amt des Reichskanzlers vor.

Die Verbundenheit zu Robert Bosch, die Bereitschaft zur Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung, und die aktive Gestaltung des öffentlichen Sektors zeichnen auch die Stipendiaten des Carl Friedrich Goerdeler-Kollegs aus.

Im Jahr 2001 wurde das Stipendienprogramm für Nachwuchsführungskräfte aus Mittel- und Osteuropa ins Leben gerufen. Es fördert zukünftige Führungskräfte aus Polen, Tschechien, Ungarn, der Slowakei und ab 2008 auch Rumänien und Bulgarien, die als mitarbeitende Kollegen die Arbeit in der deutschen öffentlichen Verwaltung kennen lernen und anschließend in ihren Ländern gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen wollen. Den Absolventen kommt die Aufgabe zu, die europäischen Standards in ihren Ländern weiter umzusetzen, am Aufbau neuer Institutionen mitzuwirken und die Integration zu vertiefen. Sie tragen große Verantwortung, gleich ob es um die Vergabe von EU-Fördermitteln, die Bekämpfung der Korruption, den Aufbau grenzüberschreitender Kontakte oder die Reform der Verwaltung geht. Ihre Arbeit trägt zum Vertrauen der Bürger in ihren Staat und die Demokratie bei und ist zugleich ein Beitrag zur Völkerverständigung.

Die Benennung unseres Programms nach Carl Friedrich Goerdeler ist für die Stiftung wie für die Stipendiaten eine Auszeichnung und Ehre, und trägt hoffentlich auch dazu bei, den Namenspatron in weiteren Kreisen unserer nachwachsenden Führungskräfte in seiner historischen Bedeutung bekannt zu machen.

Bibliografische Angaben

Lux, Markus, and Gereon Schuch. “Das Carl Friedrich Goerdeler-Kolleg der Robert Bosch Stiftung.” August 2008.

DGAPbericht 11, August 2008, 40 S.