Michael Steiner, Sonderbeauftragter der Bundesregierung, über die nächsten Schritte des internationalen Engagements
Michael Steiner setzt auf eine breite parlamentarische Unterstützung der Afghanistan-Politik der Bundesregierung. Am 26. Januar wird der Bundestag über die Mandatsverlängerung für den deutschen ISAF-Beitrag abstimmen. Der aktuelle Fortschrittsbericht vermittele ein ungeschminktes Bild der Lage und beinhalte realistische Zielsetzungen: Die Truppenstärke werde reduziert, die internationalen Kampftruppen würden bis 2014 abgezogen und Deutschland werde sich auch danach weiter am Training der afghanischen Sicherheitskräfte beteiligen.
Geordneter Rückzug
Nach und nach werde in den kommenden drei Jahren die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan an die dortigen Behörden übergeben. Ein entscheidender Schritt sei dabei der Abzug der alliierten Kampftruppen bis Ende 2014 – ein wichtiges innenpolitisches Datum sowohl für Kabul als auch für Berlin. Daran halte man – lageunabhängig – fest: „2014 steht“, sagte Steiner.
Das bedeute allerdings nicht das Ende des Engagements. Im Gegenteil: „Die internationale Gemeinschaft wird Afghanistan nicht im Stich lassen.“ Das habe man mit der Bonner Konferenz im Dezember 2011 unterstrichen und weitere Hilfe zugesagt. Nicht weniger als eine „Transformationsdekade“ benötige das Land dann noch, bevor es zu einem „normalen Entwicklungsland“ werde. Vor allem die Professionalisierung der afghanischen Sicherheitskräfte wolle man vorantreiben. Bis zum NATO-Gipfel in Chicago im Mai gelte es, ein tragfähiges Konzept zu entwickeln.
In Zukunft werde aber die zivile Hilfe in den Vordergrund treten. Dabei könne die Staatengemeinschaft den Aufbauprozess nur anschieben. Damit das internationale Engagement von nachhaltiger Wirkung sei, müsse auch Afghanistan erhebliche Anstrengungen unternehmen, so Steiner. „Gute Regierungsführung kann letztlich nur von den Afghanen selbst gewährleistet werden.“ Dazu habe sich die afghanische Regierung in Bonn verpflichtet.
Etappenziel Bonn
Die Bonner Afghanistan-Konferenz war ein Erfolg, sagte Michael Steiner. Trotz schwieriger Lage im Krisengebiet habe man sich auf eine für alle Akteure verbindliche Strategie mit realistischeren Zielen als noch 2010 einigen können. „Hinreichende Stabilität“ wolle man in dem Land nun schaffen und „fundamentale Menschenrechte“ gewährleisten.
Der Friedensprozess müsse unter afghanischer Führung stehen und zu einem geeinten Land führen, in dem Terrorismus keinen Platz mehr habe. Zum Erfolg trage maßgeblich eine konstruktive Haltung der Nachbarländer bei. Im Juni findet in Kabul eine regionale Außenministerkonferenz statt.
Die Taliban testen
Parallel zur militärischen Präsenz gelte es nun, den politischen Prozess voranzutreiben, Vertrauen zu bilden und die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. Alles hänge davon ab, ob die Hauptbeteiligten den Mut aufbrächten, „die Geborgenheit einer konfrontativen Situation zu verlassen“, so Steiner. Auf Seiten der Taliban habe sich in den letzen Wochen einiges bewegt. „Die Bereitschaft der Taliban zu Verhandlungen ist ein bahnbrechender Schritt.“ Die Staatengemeinschaft sei in der Pflicht, dieses Angebot auszuloten, um dem Frieden näher zu kommen; wobei die Verhandlungen selbst von den Afghanen geführt werden müssten. Die Taliban stellten, obwohl geschwächt und unbeliebt, weiterhin einen wichtigen Machtfaktor in Afghanistan dar.