Die deutsch-polnischen Beziehungen nach den Europawahlen
Basil Kerski, Direktor der Europäischen Solidarność-Zentrums in Gdansk, nannte als Gründe für den Stimmenzuwachs der nationalkonservativen PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit) eine hohe Wahlbeteiligung in den ländlichen Gebieten, kulturelle Themen und eine Spaltung innerhalb der liberalen und pro-europäischen Kräfte in Polen. Die PiS-Partei habe vor allem in den wirtschaftlich schwächeren Regionen durch Sozialprogramme und sozialpolitische Geschenke punkten und die Wähler überzeugen können.
Die Veröffentlichung von zwei Filmen über Vorfälle von Kindesmissbrauch innerhalb der katholischen Kirche in Polen habe ebenfalls zur Mobilisierung konservativer und liberaler Wähler beigetragen. Insbesondere sei es der Regierungspartei gelungen, die Debatte in Bezug auf kulturelle Fragen und die Angst vor dem Verlust von Traditionen zu polarisieren, sodass diese Filme zu dem Gefühl von Ressentiments und Angriffen auf die Kirche beigetragen hätten. Damit seien konservative Wähler viel stärker mobilisiert worden, als es erwartet wurde. Ein weiterer Erfolg der PiS war es, ihre Wähler davon zu überzeugen, dass die Europawahl-Wahl gute Voraussetzungen für die nationalen Wahlen im Oktober schaffen werde, wie Kerski betonte.
Manuel Sarrazin, Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe und Mitglied der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, erwartet, dass durch die Stärkung der PiS-Partei und die Art und Weise, wie sie die Erinnerungskultur gestalte und politisiere, die deutsch-polnischen Beziehungen weiter belastet würden. Der Stimmenzuwachs der PiS im Europaparlament wird jedoch durch den Brexit überschattet. Denn die PiS werde sich die Frage stellen, welcher Fraktion sie angehören wolle. Derzeit gehört die PiS der eurokritischen Fraktion der EKR (Europäischer Konservativer und Reformisten) an. Eine Zusammenarbeit der PiS mit der AfD schloss Sarrazin zwar nicht aus, gab aber zu bedenken, dass das Geschichtsverständnis der AfD bei vielen polnischen Abgeordneten schnell zu Irritationen führen dürfte.
Der Gesprächskreis Polen, eine fachöffentliche Veranstaltung mit über 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, ist ein Kooperationsprojekt des Robert Bosch-Zentrums der DGAP und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Den Vorsitz hat Markus Meckel, ehemals MdB (1990-2009) und Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe (1994-2009).