Polens Staatssekretär Szczerski im Gesprächskreis Polen

„Die deutsch-polnischen Beziehungen werden in Polen nicht infrage gestellt. Hoffentlich auch nicht in Deutschland.“

Datum
12 September 2017
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Der Austausch stand im Zusammenhang zunehmender Kontroversen über die Rechtsstaatlichkeit Polens und seine Rolle in der EU sowie bilateraler Spannungen u.a. über polnische Forderungen nach Kriegsreparationen seitens der Bundesrepublik. Am Dienstag teilte die EU-Kommission mit, dass sie die zweite Phase des Vertragsverletzungsverfahren zur umstrittenen polnischen Justizreform einleiten werde. Am Vortag hatte das polnische Parlament ein Gutachten vorgelegt, dass polnische Ansprüche auf Reparationen seitens der Bundesrepublik in Höhe von bis zu 840 Milliarden Euro bestätigt. Für Deutschland ist Polen ein wichtiger Partner in der Europapolitik.

„Keine ‚Erdoganisierung‘ Polens!“

„Wie sollen wir miteinander sprechen, wenn uns vorgeworfen wird, dass sich Polen ‚erdoganisiert‘?, sagte der Kabinettschef des polnischen Präsidenten auf kritische Stimmen aus dem Publikum, die u.a. die Medienpolitik, umstrittene Justizreformen sowie anti-europäische Tendenzen in Polen bemängelten.

„Die deutsch-polnischen Beziehungen werden in Polen nicht infrage gestellt, hoffentlich auch nicht in Deutschland,“ sagte er. Ebenso verwies er darauf, dass die polnische Regierung demokratisch gewählt sei: „Die Polen entscheiden: 2019 gibt es in Polen einen Machtwechsel, wenn die Demokratie das will.“ Die Politik sei nicht mit der „belasteten Stimmung in der Öffentlichkeit“ gleichzusetzen, habe aber die Verantwortung, dieser „nicht zu erliegen.“

„Polen ist die Grenze der internationalen Rechtordnung“

Szczerski verlangte, deutsch-polnische Übereinstimmungen bei gemeinsamen Themen zu suchen. An der Spitze stehe hierbei die transatlantische Allianz. „Die EU kann die NATO nicht ersetzen,“ sagte er. „Polen ist die letzte sichere Grenze im Osten der Europäischen Union. Wir sind die Grenze der internationalen Rechtsordnung,“ so Szczerski. Die Sanktionen gegen Russland seien die einzige legale Antwort, die der EU zur Verfügung stehe. Ohne die Rückkehr des internationalen Rechtes im Osten Europas werde es auch keine Sicherheit in Europa geben. Insbesondere Deutschland und Polen müssten hier eng zusammenarbeiten.

Szczerski warnte vor einer hierarchischen Sicht einer Europäischen Union der zwei Geschwindigkeiten. Das hohe Tempo der EU-Integration sei problematisch. Insbesondere die Integration der Euro-Zone dürfe nicht zu einer Belastung für die Nicht-Euroländer führen. Die sogenannte Drei-Meeres-Initiative, die Szczerski 2016 mitinitiiert hatte, richte sich nicht gegen die Europäische Union oder das Weimarer Dreieck. Ihr Ziel sei eine engere Verständigung der 12 mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten u.a. zu gemeinsamen wirtschaftlichen und energiepolitischen Projekten.

Mehr Sensibilität verlangte Szczerski im Umgang mit polnischen Arbeitnehmern in anderen EU-Ländern. Es sei populistisch, hier nur vom „Sozialdumping“ zu sprechen.

Reparationsforderung: „Deutsche und polnische Expertisen müssen geprüft werden“

„Es gibt derzeit keinen offiziellen Antrag auf Reparationen,“ kommentierte Szczerski das am Vortag veröffentlichte Gutachten des polnischen Parlamentes, das Polens Forderung nach Reparationen für Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg bestätigt. Das Gutachten des polnischen Parlamentes müsse nun mit der dazu bestehenden, gegensätzlichen Expertise aus Deutschland „zusammengebracht werden“, so Szczerski. Dies werde nun stattfinden.

Der Staatssekretär betonte außerdem, die Debatte um Reparationen sei „keine Frage deutscher Verbrechen in Polen. Es geht um konkrete Verbrechen an konkreten Menschen in konkreten Situationen“. Dies habe in erster Linie historische, moralische und wertegebundene Dimensionen.

„Lösung der Flüchtlingskrise in Herkunftsländern ansetzen“

Zur Flüchtlingskrise sagte er, die EU müsse eine funktionierende Sicherheitspolitik für ihre Bürger gewährleisten und auf die Rückführung von Flüchtlingen ausgerichtet sein. Auf die Flüchtlingskrise müsse vor allem mit politischen Maßnahmen außerhalb der EU, in den Herkunftsländern reagiert werden.

 

Der Gesprächskreis Polen ist ein Kooperationsprojekt der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP) und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Er fördert seit mehr als 30 Jahren den zumeist vertraulichen Austausch zu aktuellen bilateralen und europäischen Fragen. 

Die Veranstaltung wurde vom Robert Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien der DGAP organisiert.

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