Botschafter a.D. Klaus Scharioth zu Gast beim Kamingespräch
Die wichtigste außenpolitische Veränderung in der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama ist Klaus Scharioth zufolge die Hinwendung zum Multilateralismus. Die Erkenntnis, dass die Amerikaner die Dinge nicht alleine stemmen können, ziehe sich durch die gesamte Politik Obamas. Auch habe er sich von der „War on Terror“-Rhetorik distanziert. Für Obama handele es sich nicht um einen Krieg, sondern um die Bekämpfung von gewaltbereitem Extremismus. Der Präsident sei mit der gezielten Ermordung Osama Bin Ladens ein hohes Risiko eingegangen, dies habe sich jedoch ausgezahlt.
Als „womöglich größten Erfolg“ Obamas bezeichnete Scharioth die US-Außenpolitik hinsichtlich der nuklearen Nichtverbreitung. Hier kristallisiere sich eine grundlegende Abkehr vom außenpolitischen Kurs der Vorgängerregierung von George W. Bush heraus. Einerseits werde es seitens der USA keinen Einsatz von nuklearen Waffen gegen Nicht-Atomwaffen-Mächte geben, die den Atomwaffensperrvertrag anerkennen. Zum anderen würden keine neuen Atomwaffen entwickelt – angesichts der innenpolitischen Widerstände eine „fundamentale Änderung“. Auch bei der Überprüfungskonferenz habe Obama einen gänzlich anderen Kurs eingeschlagen.
Keine neuen Akzente in der Klimapolitik
Im Bereich Klima- und Energiepolitik sei Obama dagegen weniger erfolgreich gewesen, sagte Scharioth, was in erster Linie an innenpolitischen Widerständen gelegen habe, auch aus den eigenen Reihen. Auch auf der internationalen Bühne, etwa bei der Kopenhagener Klimakonferenz, habe Obama keine entscheidenden positiven Akzente setzen können.
Anschließend ging Scharioth auf die Beziehungen der Obama-Regierung zu einzelnen Staaten ein, beginnend mit dem Verhältnis zum Iran. Auch hier sei ein Kurswechsel erkennbar, da versucht worden sei, mit dem Iran gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten, die einen Militäreinsatz ausschließe. In Afghanistan und Pakistan verschiebt sich der amerikanische Akzent unter Obama vom Militärischen hin zum Zivilen, was auch der geplante Truppenabzug für 2014 belege. Im Umgang mit Irak verfolge Obama eine konsequente Linie, die sich grundlegend von der Strategie der Bush-Regierung unterscheide. Der Abzug der Kampftruppen Ende 2011 verdeutliche dies. Trotzdem habe Obama im Nahen Osten kaum greifbare Erfolge zu verzeichnen. Dies liege unter anderem an den „Spielern der Region“ selbst.
Das transatlantische Verhältnis: so gut wie lange nicht mehr
Die Beziehungen zu Russland bezeichnete Scharioth als großen Erfolg für Obama. Er habe ein neues Verhältnis zu Medwedew aufgebaut und alles „auf den Prüfstand gestellt“. Im amerikanisch-chinesischen Verhältnis habe es dagegen kaum Veränderungen gegeben. Scharioth forderte, man müsse Peking verdeutlichen, dass es auch im chinesischen Interesse liegt, die Weltwährung mitzugestalten. Die USA hätten die entscheidende Rolle Chinas in der Weltwirtschaft erkannt und versuchten nun, China innerhalb der G20 in wirtschaftliche Verhandlungen einzubinden.
Scharioth ging auch auf das deutsch-amerikanische Verhältnis in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise ein. Hier gebe es Differenzen, etwa bei der deutschen Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer. In den USA stoße dieser Vorschlag auf Ablehnung. Dennoch hält Scharioth das transatlantische Verhältnis für „so gut wie seit 1989/1990 nicht mehr“. Dies sei eine große Chance für die Bundesregierung, ihren Einfluss geltend zu machen. Bei entscheidenden Themen falle Deutschland eine besondere Bedeutung zu. Scharioth betonte, dass die bestehenden Probleme nur in Zusammenarbeit zwischen USA und Europa gelöst werden könnten.
Botschafter a.D. Dr. Klaus Scharioth
Politischer Direktor und Leiter der Politischen Abteilung,
Auswärtiges Amt (1999-2002); Staatssekretär mit der Zuständigkeit für Sicherheits- und Verteidigungspolitik (2002-2006);
Deutscher Botschafter in den USA (2006 bis August 2011)
Die Moderation des Gesprächs übernahm Paul Freiherr von Maltzahn.