Moderate islamische Kräfte stärken

Die Extremismusexpertin Mehreen Farooq über Radikalisierung und wirksame Gegenmaßnahmen

Datum
19 April 2013
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Um herauszufinden, was man Radikalisierungstendenzen in muslimischen Gesellschaften entgegensetzen kann, hat Mehreen Farooq Feldforschung in rund 40 afghanischen und pakistanischen Städten betrieben. Die Extremismusexpertin arbeitet für WORDE (World Organization for Resource Development and Education), eine amerikanische Non-Profit-Organisation, die sich für eine bessere Verständigung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen weltweit einsetzt.

Farooq betont, dass Terror keineswegs eine rein muslimische Angelegenheit ist, auch wenn sich ihre Organisation vorwiegend mit islamistischem Extremismus befasse. Bemerkenswert sei, dass die meisten Opfer islamistisch motivierter Gewalt Muslime sind. Terroristen hätten besonders deren religiöse Stätten und Geistlichen im Visier, da diese für den gesellschaftlichen Zusammenhalt besonders wichtig seien: „Terror zielt darauf ab, sozialen Zusammenhalt zu zerstören.“

Sozioökonomische Basisarbeit

Radikale Islamisten verfolgen unterschiedliche Strategien, um ihr Ziel zu erreichen: Erstens leisten sie sozioökonomische Basisarbeit und kompensieren dadurch oft fehlende staatliche Angebote. Als Beispiel nennt Farooq die Hisbollah, die nicht nur als Partei in Erscheinung tritt und einen bewaffneten Flügel unterhält, sondern eben auch Krankenhäuser und soziale Einrichtungen betreibt.

Zweitens werden moderate Kräfte und religiöse Autoritäten, die für einen toleranten und gewaltfreien Islam eintreten, eingeschüchtert und mundtot gemacht – oder bei Anschlägen getötet. Drittens nutzen extremistische Wortführer soziale und politische Missstände, um radikale Lösungen anzubieten und so Unterstützer zu gewinnen. Viertens verweist Farooq auf das Internet als Ort der Radikalisierung.

Je mehr die moderaten Stimmen verstummen, desto mehr gewinnen radikale Akteure an Boden, ist Farooq überzeugt. Viele islamistische Gruppen hetzen gezielt Religionsgemeinschaften gegeneinander auf. Besonders anfällig sind Gesellschaften, die sich im – naturgemäß instabilen – demokratischen Übergang befinden, wie ihn derzeit einige nordafrikanische Länder durchlaufen. So nutzen beispielsweise die Salafisten in Ägypten ihre neu gewonnenen demokratischen Freiheiten, um eine nicht-demokratische Vision von Religion und Gesellschaft durchzusetzen.

Religiöse Kräfte ins Boot holen

Farooq plädiert für einen Soft-Power-Ansatz, der darauf abzielt, moderate Kräfte in muslimischen Gesellschaften zu stärken und ihnen dabei zu helfen, den sozialen Zusammenhalt zu festigen. „Es ist besonders wichtig, religiöse Kräfte ins Boot zu holen, denn die Mehrheit der Menschen in diesen Ländern ist nun einmal religiös. Nur so kann man sie erreichen.“ Medresen und Moscheen, Prediger und religiöse Wortführer sollten gezielt eingebunden werden, sie seien „soziale Drehkreuze“ in muslimischen Gesellschaften. Nicht hilfreich sei es da, bemerkten einige der Veranstaltungsteilnehmer, dass man im Westen islamische Organisationen allgemein eher skeptisch sehe.

Der radikale Islamismus, merkte ein Teilnehmer abschließend an, sei eine rückwärtsgewandte Ideologie, die sich vor allem aus massiver Unzufriedenheit mit korrupten Regierungseliten und schwacher Staatlichkeit speise. Der beste Weg, Radikalisierungstendenzen vorzubeugen, sei demnach: Transparenz schaffen, gegen Korruption vorgehen, die sozioökonomische Situation verbessern. „Good Governance und Transparenz“, bekräftigte auch Mehreen Farooq, „sind die beste Terrorismusprävention.“

Die Veranstaltung wurde gemeinschaftlich von der DGAP und der Botschaft der Vereinigten Staaten in Berlin organisiert. Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift Internationale Politik, moderierte.

Format

Diskussion
Zielgruppe
Veranstaltung der Gesellschaft
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