Mehr Demokratie für die EU

Nötig ist ein Wandel der politischen Kultur. Vortrag und Diskussion in der DGAP

Datum
10 Februar 2014
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

Share

In ihrem Vortrag erklärte Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen, dass sie eine erneute Vertragsrevision derzeit für kein realistisches politisches Ziel halte. Dazu gebe es in den Mitgliedsstaaten keine Unterstützung. Sie betonte jedoch, dass die EU auch ohne Vertragsänderungen, Konvent und Ratifizierungsverfahren demokratischer und transparenter werden könne. „Das kann durch einen Wandel in der politischen Kultur der europäischen Institutionen gelingen“, sagte Schwall-Düren.

Die Ministerin plädierte dafür, die in der EU etablierte Praxis des Aushandelns von Kompromissen unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf den Prüfstand zu stellen. Stattdessen brauche man ein „politisiertes, offenes Beratungs- und Entscheidungsverfahren“. Hierzu sagte sie: „Ich kenne natürlich die grundsätzlichen Einwände der Verteidiger des herkömmlichen Verhandlungsregimes dagegen. Aber schon im 19. Jahrhundert hat die monarchische Exekutive den Demokraten entgegengehalten, ihre Forderungen nach Öffentlichkeit gefährdeten die Entscheidungseffizienz und Problemlösungsfähigkeit. Heute können diese Belange in einem demokratischen System nur begrenzte Ausnahmen von der Regel der Öffentlichkeit rechtfertigen.“

Für Josef Janning, Mercator Fellow des Alfred von Oppenheim-Zentrum für Europäische Zukunftsfragen der DGAP, liegt eine wesentliche Herausforderung der europäischen Demokratie darin, wie ein supranationales Parlament stellvertretend für 500 Millionen europäische Bürger sprechen kann. Das Europäische Parlament müsse weiter an seinem Selbstverständnis als Repräsentanz einer so heterogenen Bürgerschaft arbeiten, gab Janning zu bedenken. Er betonte, dass die EU auf Dauer ein starkes und tatsächlich repräsentatives Europäisches Parlament benötige.

[[image:24953?220x124]]

Axel Schäfer, Mitglied des Deutschen Bundestages und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion für Fragen der EU, sagte, dass die Erfolge des Friedensprojekts Europa durch die gegenwärtige Krise in den Hintergrund gedrängt worden seien. „Die Politik muss es sich noch stärker zur Aufgabe machen, diese Erfolge klarer zu benennen und zu wiederholen“, so Schäfer. Auf dem Weg zu mehr Demokratie in der EU sei es außerdem wichtig, die Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und den 28 nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten zu stärken. Er schlug vor, zu Beginn eines jeden Jahres Delegationen aller Parlamente für eine Woche zusammenkommen zu lassen.  Über Ländergrenzen hinweg könnten sie dann als Fraktionen ihrer Parteifamilien über die künftige Gestaltung der EU diskutieren.

Arndt Freiherr Freytag von Loringhoven, Beauftragter für Grundsatzfragen der Europäischen Union des Auswärtigen Amts, betonte, ein entscheidendes Problem für die europäische Demokratie stelle der Vertrauensverlust vor allem junger Menschen in die EU dar. Als einen wichtigen Schritt, um deren Vertrauen wiederzugewinnen, nannte er die stärkere Politisierung, wie sie beispielsweise durch die Aufstellung europaweiter Spitzenkandidaten durch die europäischen Parteien angestrebt werde. Auf lange Sicht bedürfe es jedoch einer Änderung der europäischen Verträge, um die bestehende Architektur der EU zu reparieren.

Franziska Brantner, Mitglied des Deutschen Bundestages und 2009-2013 Abgeordnete des Europäischen Parlaments, schlug vor, mehr Transparenz durch gemeinsame parlamentarische Versammlungen zwischen sämtlichen Ausschüssen der nationalen Parlamente und denen des europäischen Parlaments herzustellen. Außerdem unterstrich sie die Bedeutung europäischer politischer Bildung. So könne eine „Elefantenrunde mit allen europäischen Spitzenkandidaten im Vorfeld der Europawahlen zu mehr europäischer Öffentlichkeit beitragen“, so Brantner.

Die Diskussion wurde von Almut Möller, Programmleiterin des Alfred von Oppenheim-Zentrums für europäische Zukunftsfragen der DGAP, moderiert. Die Referenten folgten einer Einladung des Alfred von Oppenheim-Zentrums für Europäische Zukunftsfragen der DGAP und der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund.