Der Veranstaltung ging ein Workshop voraus, in dem die Referentinnen und Referenten unter anderem erarbeiteten, wie die deutsch-französische Annäherung im Ausland wahrgenommen wird. Zu Beginn der Podiumsdiskussion ging Prof. Nicole Colin von der Universität Marseille/Aix-en Provence auf die Lehren ein, die aus diesem Workshop gezogen werden konnten. Sie betonte, wie wichtig es sei, die Diskussion weltweit zu führen. Zentral sei die Frage, ob und inwiefern sich internationale Expertinnen und Experten für aktuelle Konflikte in Friedensprozessen an der deutsch-französischen Methode orientieren können. In diesem Zusammenhang müsse betont werden, dass die deutsch-französischen Beziehungen nicht immer positiv rezipiert würden. Dr. Claire Demesmay hob hervor, dass im Austausch mit Außenstehenden auch das Bewusstsein darüber geschärft werden müsse, was bei der Annäherung Deutschlands und Frankreichs seit 1945 eigentlich alles erreicht worden sei.
Probleme der geschichtlichen Aufarbeitung
Prof. Dong-Ki Lee von der Gangneung-Wonju National University in Südkorea ging im Anschluss auf die Situation zwischen Südkorea und Japan ein. Die deutsch-französischen Beziehungen seien lange als historisch wertvolles Beispiel angesehen worden. Seit etwa zehn Jahren habe sich die Situation allerdings geändert. So werde nun insbesondere die geschichtliche Aufarbeitung Japans als Voraussetzung für die Versöhnung Südkoreas mit Japan hervorgehoben – in Anlehnung an das Beispiel Deutschlands. In Südkorea werde daher die japanische Geschichtspolitik erheblich kritisiert und damit Japan in die Defensive gedrängt. Lee forderte hier ein Umdenken. Es müsse nicht die historische Aufarbeitung vorangstellt werden, die schließlich auch bei Deutschland langsam vorangegangen sei, sondern auf eine Vertiefung der Kontakte und Verbindungen beider Länder gesetzt werden.
Cécile Blaser von der Universität Freiburg/Schweiz berichtete von ihrem Forschungsgebiet, der Südostinitiative auf dem Balkan und deren Jugendbegegnungen. Sie beschäftigte sich mit der Frage, ob sich auch in diesem Fall die deutsch-französischen Beziehungen als exportierbares Modell eignen würden. Die eigentlich wünschenswerte, jedoch staatlich verordnete Geschichtsaufarbeitung bringe einige Schwierigkeiten mit sich, sagte sie. Blaser warf zudem die Frage auf, was Aufarbeitung eigentlich sei und wie man „richtig“ an einen Krieg erinnere.
Hatten die Referentinnen und Referenten vorher über zwischenstaatliche Konflikte geredet, berichtete Dr. Jan Hofmeyr vom Institute for Justice and Reconciliation, Kapstadt, von dem innerstaatlichen Konflikt im Fall Südafrikas und den Problemen bei der Aufarbeitung der Apartheid. In Südafrika gab es zwar die bekannte „Truth and Reconciliation Commission“, allerdings wurde diese nur mit einem sehr limitierten Mandat ausgestattet. So behandelte sie nur Fälle schwerer Menschenrechtsverletzungen zwischen 1960 und 1994. Themen wie wirtschaftliche Entrechtung und intergenerationale Übertragung von Benachteiligungen seien nicht angesprochen worden, erklärte Hofmeyr.
Die Kommission habe sich somit nur mit einer bestimmen Form der Vergangenheit auseinandergesetzt und nicht mit den bis heute andauernden Folgen wie Ungleichheiten und Armut, die insbesondere People of Color betreffen. Stattdessen werde vor allem von den politischen Eliten das Narrativ einer „Regenbogennation“ vorangetrieben – nach dem Motto, die Versöhnung sei bereits „abgehakt“. Die nach 1994 Geborenen, die oft als „Born Free“-Generation bezeichnet werden, wiesen besonders auf diese dauerhaften Missstände hin.
Kultur als Mittel der Verständigung
Lee ging auf das Engagement jüngerer Generationen ein. So sei beispielsweise die koreanische Musikrichtung K-Pop in Japan sehr beliebt und auch Austauschprogramme fänden statt. Nur die Älteren – und konservative Medien – hätten damit oft ein Problem.
Demesmay griff den Punkt von Popkultur und Musik auf – denn dies sei bei der Verständigung ein leichteres Thema als die Vergangenheit. Auch Colin meinte, dass die Kulturvermittlung gestärkt werden müsse. So würden insbesondere zivilgesellschaftliche Akteure einen wichtigen Beitrag leisten, die nicht unbedingt Versöhnung im Kopf hätten, aber aus Interesse oder Gefallen an Musik und Kunst zusammenarbeiteten. Auch das Thema eines gemeinsamen deutsch-französischen Geschichtsbuches wurde besprochen. Das Buch wurde in vielen Ländern positiv aufgenommen und beispielsweise ins Japanische und Koreanische übersetzt.
Auf dem Balkan spiele Kulturvermittlung ebenfalls eine wichtige Rolle – insbesondere bei der jüngeren Generation, sagte Blaser. Sie berichtete aus einem Projekt zur historischen Aufarbeitung, in dem die jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Serbien, Bosnien und Kroatien in ihrer Freizeit gemeinsam ein Hip-Hop-Konzert besuchten.
Nach ihren Inputs beantworteten die Referentinnen und Referenten Fragen aus dem Publikum. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere die Schwierigkeit von Kulturprojekten besprochen und inwieweit Kultur, die schließlich auch Konflikte schaffe, als schlichtendes Element betrachtet werden könne.
Bedeutung von Bildung im Kontext von Versöhnung
Zum Schluss stellte Demesmay die Frage, welche die erste Amtshandlung der Referentinnen und Refernten in der Rolle einer Versöhnungsministerin oder eines Versöhnungsministers wäre. Für Hofmeyr wäre Bildung die oberste Priorität, denn in Südafrika gebe es große Disparitäten, die zu ganz unterschiedlichen Lebenserfahrungen führten. Blaser ergänzte, wie wichtig es auch sei, um seine Rechte zu wissen und darum, wie man für sie einstehen könne. Außerdem müssten sich die Menschen für den Umgang mit Konflikten wappnen. Colin kam zum Thema Kultur zurück und unterstrich, dass auch über die Probleme, die Versöhnungsprozesse begleiten, geredet werden müsse. Im Falle von Deutschland und Frankreich geschehe das beispielsweise zu selten – daher seien insbesondere Geschichten mit positiver Wendung ein wichtiges Beispiel. Lee schloss sich an, denn schließlich gebe es verschiedene Wege der Versöhnung. Es sei allerdings wichtig, dass viele verschiedene Akteure Initiative zeigten.