Forum ‚Einheit Europa‘ diskutiert Erfolge und Misserfolge der Östlichen Partnerschaft
Darüber diskutierten sechzehn Nachwuchskräfte aus Ländern beiderseits der EU-Ostgrenze auf der Konferenz des Forums ‚Einheit Europa‘, die vom 1. bis 4. Dezember 2011 in Warschau stattfand. Die Belarus-Referentin des polnischen Außenministeriums, Anna Kozłowska, wies zu Beginn darauf hin, dass Belarus für eine nachhaltige Modernisierung die Unterstützung der EU brauche. Während seiner EU-Ratspräsidentschaft habe sich Polen stark für das Nachbarland und dessen Zivilgesellschaft eingesetzt.
Doch in welcher Verfassung ist die belarussische Zivilgesellschaft? Drei Experten aus dem Land wiesen auf die Bedeutung der starken Reglementierung und Indoktrinierung des Bildungssystems hin. Professor Anatoli Mikhailov, Rektor der Europäischen Humanistischen Universität in Vilnius, warnte, die EU und Deutschland dürften nicht davon ausgehen, dass Zusammenarbeit automatisch zu Fortschritten führt. Maryna Rakhlei, Journalistin und frühere Lehrerin, illustrierte die unterschiedlichen Wertvorstellungen zwischen der EU und Belarus: Kollektive Sicherheit habe in Belarus stets Vorrang vor persönlicher Freiheit, Pluralismus werde als negatives Konzept verstanden. Sergej Laboda vom unabhängigen Bildungszentrum POST in Minsk ergänzte, dass eigenständiges Denken und Handeln in Belarus bestraft werden könne. Daher engagierten sich nur wenige; Nichtregierungsorganisationen existierten in einer Parallelwelt und erreichten nur eine Minderheit in der Bevölkerung.
Nicht der Kampf um politische Freiheit, sondern um das wirtschaftliche Überleben steht für die belarussische Bevölkerung allerdings zur Zeit im Vordergrund, denn seit 2011 steckt das Land in einer schweren Wirtschaftskrise mit galoppierender Inflation. Aksana Yerafeyeva von der Belarussischen Staatlichen Universität betonte, dass über die Hälfte der Unternehmen unrentabel seien und nur aufgrund staatlicher Unterstützung überleben. Im Gegensatz zur EU unterstütze Russland jedoch massiv die belarussische Wirtschaft – ohne ein Modernisierungsprogramm zu verlangen. Dadurch kaufe sich die russische Führung die Loyalität der Lukaschenko-Regierung. Die Unterstützung aus Moskau konterkariere die Reformbemühungen der EU, so Daniel Krutzinna von der UNITER Investment Company in Minsk. Auch die derzeitige Privatisierungswelle habe nicht zum Ziel, die Wirtschaft nachhaltig zu modernisieren. Es gehe lediglich darum, kurzfristig Finanzmittel zu erhalten.
Abschließend ging es darum, wie die EU-Belarus-Beziehungen wirkungsvoller gestaltet werden können. Dabei müsse sich die EU bewusst machen, dass es dem Lukaschenko-Regime vor allem um Machterhalt geht. Damit handele dieses nach einer grundsätzlich anderen Logik als die EU; das blendete die EU-Politik allzu oft aus. Brüssel dürfe sich von der Minsker Regierung nicht die Spielregeln diktieren lassen. Die EU-Politik solle gegenüber dem autokratischen Regime aber kreative Ansätze verfolgen, um zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit zu kommen. Dazu gehöre insbesondere die Förderung des Austauschs auf Ebene der Bürger.
Das „Forum ,Einheit Europa’ – Gemeinsame Wege in eine EUropäische Zukunft?!“ ist ein von der VolkswagenStiftung gefördertes Projekt. Es bringt seit 2007 Nachwuchsführungskräfte aus elf Ländern beiderseits der EU-Ostgrenze in einem interdisziplinären Forum zusammen. Daraus entstand 2009 die Publikation „Partner, Nachbarn, Konkurrenten. Dynamik und Wandel an den Grenzen Osteuropas“ (Herausgeber Weitzel, C./Blomberg, F./Fahrun, H./Kocot, R./Płóciennik, S., erschienen im Nomos-Verlag). Das Forum wird koordiniert und wissenschaftlich betreut durch das Zentrum für Mittel- und Osteuropa der Robert Bosch Stiftung der DGAP.