Sichtweisen aus Europa und Kasachstan
In seiner einleitenden Rede betonte Ydyryssow die wesentliche Bedeutung der Entwicklung gemeinsamer kasachisch-europäischer Ansätze für die Stabilisierung und den Wiederaufbau Afghanistans. Er plädierte für eine offene regionale und internationale Politik gegenüber dem Land. Kasachstan beteilige sich aktiv an der Bewältigung der Sicherheitsprobleme in der Region, innerhalb der Organisation des Vertrags über die kollektive Sicherheit, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, des Istanbul-Prozesses und anderer internationaler Organisationen; Kasachstan habe mehrere Infrastrukturprojekte entwickelt, um Straßen, Brücken und Krankenhäuser in Afghanistan zu bauen und fördere eine Vielzahl technischer, humanitärer und pädagogischer Projekte. „Wir wollen mit gutem Beispiel zeigen, dass jeder in die Zukunft Afghanistans investieren kann“, so Ydyryssow.
Auch Luis Felipe Fernández de la Peña, Generaldirektor der Abteilung Europa und Zentralasien im Europäischen Auswärtigen Dienst, unterstrich die Bemühungen Kasachstans für die Lösung des Problems, das Afghanistan für Zentralasien darstellt. Ihm zufolge sollten jedoch gemeinsame Maßnahmen der Europäischen Union und der zentralasiatischen Länder effektiver koordiniert werden, um eine langfristige Stabilisierung in Afghanistan zu verwirklichen und regionale Spannungen zu vermeiden.
Wirtschaftliche und soziale Entwicklung als Schlüssel zur Stabilität
Steffen Elgersma, NATO-Referent für Aserbaidschan, Armenien, Kirgisistan und Turkmenistan, erläuterte, dass mit dem ISAF-Abzug nicht zwangsläufig ein Verlust an Stabilität in Afghanistan einhergehen müsse, da die afghanische Armee schon jetzt den größten Teil der Operationen selbst durchführe und sich bewährt habe. Die NATO stelle vor allem weiteres Training, Finanzierung und politische Partnerschaft in Aussicht, spiele jedoch in der Region Zentralasien nicht die Hauptrolle. Sie könne zwar im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden („Partnership for Peace“) tiefergehende Kooperation anbieten, diese müsse aber von den zentralasiatischen Staaten auch stärker angenommen werden.
Nicht die militärische, sondern vielmehr eine erweiterte wirtschaftliche Kooperation stellt laut Bulat Sultanov, Vorsitzender des Forums zentralasiatischer Experten, eine Chance für die Entwicklung der Region dar. So sei vor allem Kasachstan eine Brücke zwischen dem asiatisch-pazifischen und dem europäischen Teil Eurasiens. Sultanov bezog sich auf die Schaffung einer neuen Seidenstraße, die sich durch ihre positiven wirtschaftlichen Effekte auch auf das Sicherheitsumfeld vorteilhaft auswirken könnte: „Staaten die miteinander handeln, führen weitaus seltener Krieg, als welche, die es nicht tun“. Allerdings brachte er die Sorge zum Ausdruck, dass es nach dem ISAF-Abzug zu negativen Entwicklungen in Afghanistan kommen könnte, welche wiederum Zentralasien durch die Infiltrierung durch Islamisten und den Drogenschmuggel destabilisieren könnten; die Sicherheit der Region sollte durch das strategische Dreieck Moskau, Peking, Teheran bestimmt werden.
Luba von Hauff, Associate Fellow der DGAP, konzentrierte sich auf innenpolitische und gesellschaftliche Fragen in den zentralasiatischen Staaten: deren staatliche Strukturen seien noch sehr schwach ausgebildet und anfällig für Elitenkonflikte und soziale Auseinandersetzungen. Um Abhilfe zu schaffen, gäbe es zwar Kooperation mit der EU, diese werde jedoch von den Regimen oftmals als Gefahr für die eigene Existenz wahrgenommen. Zudem sagte von Hauff, die EU habe zu hohe Erwartungen an die zentralasiatischen Partner und sollte die bereits getanen Schritte stärker anerkennen.
Drogenhandel ist kein regionales, sondern ein globales Problem
„Kasachstan hat seine Anstrengungen gegen den Drogenschmuggel, aber auch gegen Konsum verstärkt“, so Zhanat Bitenov, stellvertretender Vorsitzende der Anti-Drogen-Abteilung des kasachischen Innenministeriums, zu weichen Sicherheitsrisiken. Allerdings müsse man bedenken, dass Kasachstan eine sehr exponierte Lage in der Region habe, die es zum Haupttransitkorridor für den Großteil des Handels nach Russland mache. Neue Strategien seien entwickelt worden, die 2013 zu einer Beschlagnahmung von 750 Kilogramm illegaler Rauschmittel geführt hätten. In die Diskussion um den Drogenschmuggel brachte Bulat Sultanov das Argument ein, dass die Weiterverarbeitung in Afghanistan von Opium zu Heroin ohne bestimmte chemische Vorläufersubstanzen nicht möglich sei. Der Westen rede aber nicht darüber, dass diese Substanzen ausschließlich im Westen produziert und nach Afghanistan geschmuggelt würden und beweise damit Doppelmoral.
Auswirkung der Ukrainekrise auf die Sicherheit in der Region
Problematisch sieht Askar Nursha vom Institut für Weltwirtschaft und Politik die Abwendung der USA von der Region; dies zwänge die zentralasiatischen Staaten geradezu, sich für die Lösung ihrer Probleme an Russland und China zu wenden. In diesem Kontext wirke die Ukrainekrise sehr verstörend, da sie zeige, dass internationales Recht nicht mehr eingehalten werde. Der Europaabgeordnete Gabrielius Landsbergis, stellvertretender Vorsitzender der Zentralasiendelegation des EU-Parlaments, hingegen sagte, internationales Recht sei intakt, es werde lediglich von einem Staat fortwährend gebrochen. Seiner Meinung nach sollten die zentralasiatischen Staaten die Gelegenheit nutzen, um näher an die EU zu rücken. Hierfür sollte die Zentralasienstrategie der EU als ein wichtiger Kooperationsrahmen erneuert werden.
Dr. Stefan Meister, Leiter des Programms Osteuropa und Zentralasien der DGAP, moderierte die Diskussion. Der im Jahr 2012 gegründete Berliner Eurasische Klub sieht sich als eine interaktive Plattform für die Diskussion politischer Fragen zwischen Kasachstan, den GUS-Ländern, Deutschland, der EU und anderen internationalen Organisationen.