Eine Revolution ist noch keine Demokratie

15. EUMEF-Sommerschule zum Thema „Democracy and Security Revisited - Transformations in Egypt and Tunisia and EU Re-(Dis-)Orientation“

Datum
11 - 21 Juli 2011
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Die Leidenschaft und der Kampfgeist der Ägypter und Tunesier, die an den Umwälzungen in ihren Heimatländern beteiligt waren, seien „inspirierend“, findet Adam Nuhi, ein britischer Jurist. Was er bei der DGAP-Sommerschule über die derzeitige Situation in den beiden Ländern erfahren habe, habe ihm die Augen geöffnet: „Der Staub hat sich noch lange nicht gelegt – und er wird vor allem weiterhin aufgewirbelt.“

Was die Anderen denken

Für Sondos El-Faramawy, Beraterin bei der Kairoer Dependance der Boston Consulting Group, war die unterschiedliche Sichtweise der „Anderen“ auf das Geschehen der wichtigste Aspekt der Sommerschule. Bevor sie nach Berlin kam, wusste sie kaum etwas darüber, wie der Westen die arabischen Revolutionen wahrnimmt, von Websites und Erzählungen von Freunden abgesehen, die aus dem Ausland nach Ägypten heimgekehrt waren. Zwar seien die Diskussionen manchmal auch „schockierend“. Doch der ehrliche Austausch, findet El-Famarawy, könne viele Stereotype und Vorurteile durchbrechen.

Viele der nordafrikanischen Sommerschulteilnehmer ergriffen die einmalige Chance, die Haltung des Westens zum Arabischen Frühling zu verändern. Sally Zohney, die als Menschenrechtsaktivistin an der Organisation der Proteste in Ägypten intensiv beteiligt war, glaubt, die größte Veränderung bisher sei ein Mentalitätswechsel. Früher hätten die Ägypter stets erwartet, dass sich Europa in irgendeiner Weise einmischt. „Doch danach fragen wir jetzt nicht mehr.“ Der Kampf um Demokratie gehe weiter, und es sei klar, dass die Ägypter darin eine Vorreiterrolle annehmen müssten.

„Das Schwierigste steht uns noch bevor“

Syrine Ayadi, die sechs Monate in der Rechtsabteilung des Büros des tunesischen Ministerpräsidenten Ben Ali gearbeitet hatte, ermöglichte einen Insider-Blick auf einige der noch ungelösten strukturellen Probleme ihres Landes. Früher wie heute seien die Verwaltungsbehörden von strikten Hierarchien und unkritischem Gehorsam geprägt. „In diesem Bereich hat sich nichts getan. Doch die Mentalität muss sich ändern.“ Zwar sind Ayadi zufolge viele Menschen glücklich, dass Ben Ali im Januar aus dem Land vertrieben wurde. Doch Tunesien befinde sich immer noch in einer politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich prekären Lage. „Das Schwierigste steht uns noch bevor.“

Somaia Metwalli El Sayed, wissenschaftliche Hilfskraft an der Fakultät für Wirtschaft und Politik an der Universität Kairo, ist zurückhaltend, was die Effekte der Sommerschule angeht. Sie weiß, dass solche Fortbildungen allein die Probleme des arabischen Frühlings nicht lösen können. Trotzdem sieht sie eine positive Wirkung: „Ich glaube, wenn sich Dinge verändern, wenn sich Dinge verbessern, für mich und meine Studenten, dann ist das erst einmal ausreichend.“ Die notwendigen institutionellen Veränderungen bedürften  mehr Zeit und größerer Anstrengungen. El Sayed ist vorsichtig optimistisch: “Wir müssen über die Gegenwart hinausdenken.“

Grundstein für einen Dialog

Nach zehn Tagen voller intensiver Diskussionen, Experten-Vorträgen und Debatten waren die Teilnehmer immer noch voller Energie. Ihr Austausch könnte der Grundstein eines umfassenderen interkulturellen Dialogs sein, auch über die Sommerschule hinaus. Die nordafrikanischen Teilnehmer haben etwas über den Blick des Westens auf die Demokratisierungs- und Transformationsprozesse in ihrer Heimat erfahren. Die westlichen Teilnehmer mussten einige ihrer vorgefestigten Ansichten über den Arabischen Frühling revidieren.

Bei aller Begeisterung war jedoch auch allen Teilnehmern klar: Die neue politische Ordnung ist noch nicht gefestigt, und vor den Menschen liegt noch ein weiter Weg. „Eine Revolution“, fasste Syrine Ayadi treffend zusammen, „ist noch keine Demokratie.“

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