Chancen und Herausforderungen der Eurasischen Wirtschaftsintegration

Datum
04 Dezember 2014
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
Hotel Adlon Kempinski, Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Cord Meier-Klodt, Beauftragter des Auswärtigen Amtes für Osteuropa, Kaukasus und Zentralasien, unterstrich einleitend, dass die Eurasische Wirtschaftsunion zum 1. Januar 2015 als ein neues Subjekt des internationalen Rechts in Kraft treten werde. Der Eurasischen Wirtschaftskommission werde somit eine wichtige Bedeutung als einer supranationalen Institution zugeschrieben. Allerdings stelle sich die Frage, ob die institutionellen Fortschritte der EAWU auch konfliktmindernd zwischen EU und EAWU wirken könnten. Die europäische Außenpolitik habe zurzeit einen dreiteiligen Ansatz: erstens, politischer Druck und Sanktionen; zweitens, die Unterstützung der Nachbarländer und Partner der EU, um diese krisenfester zu machen; und drittens, trilaterale Gespräche um die DCFTA („Deep and Comprehensive Free Trade Area“). Die EU-Assoziierung mit den Ländern der Östlichen Partnerschaft sei als eine gegenseitige und gewinnbringende Politik gedacht; es sei bedauerlich, dass Russland eine andere Wahrnehmung dieser Politik habe. Wenn in der EAWU politischer Wille und Verständnis dazu vorhanden wären, dass eine Kooperation der beiden Zollunionen im gegenseitigen Interesse wäre, würde auch eine vernünftige Lösung gefunden.

Kasachstan als Stabilitätsanker in der Region

Dr. Bulat Sultanov, Vorsitzender der Vereinigung der zentralasiatischen Experten, sprach die Energiesicherheit und die allgemeine Sicherheit in der Region an. Als Kasachstan im Jahr 2010 den OSZE-Vorsitz innehatte, wurde die Schaffung eines gemeinsamen Raums der eurasischen Sicherheit vereinbart; dies spiele für Kasachstan immer noch eine große Rolle. Für Kasachstan sei es dennoch wichtig, eine ausgeglichene Außenpolitik zu betreiben, die nicht nur die EAWU, sondern auch die Beziehungen zur EU, den USA, China und den anderen Staaten in Zentralasien vorsehe. Somit könnte Kasachstan in Europa viel mehr durch seine zentrale Bedeutung für andere Großmächte wie etwa China gesehen werden, und nicht nur als ein Staat an der Peripherie europäischer Interessen.

Cord Meier-Klodt nannte Kasachstan zudem einen „Stabilitätsanker in der Region“. Das umfassende Partnerschaft- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Kasachstan spiele hierbei eine große Rolle. Auch die Zentralasien-Strategie der EU solle im nächsten Jahr unter der lettischen EU-Ratspräsidentschaft erneuert werden. Die Veränderung der außenpolitischen und wirtschaftlichen Situation würde in der Überprüfung der Strategie eine große Rolle spielen. Die ÖP und EAWU könnten als eine Art Vermittlungsplattform agieren.

Von einem Zweck- zu einem Zwangsbündnis?

Die Herausgeberin der Zentralasien-Analyse der Universität Bremen, Dr. Beate Eschment, konzentrierte sich auf die Bedeutung der EAWU für Kasachstan und argumentierte, dass trotz der Ankündigung, eine reine Wirtschaftsunion aufbauen zu wollen, die politische Dimension der EAWU immer deutlicher werde. Sie fragte, ob sich aus einem Zweckbündnis nicht bereits ein Zwangsbündnis entwickelt habe. Die Ukrainekrise habe auch das Verhältnis zwischen Russland und Kasachstan verändert: So suche Russland nach Verbündeten und wolle diese auch politisch an sich binden. Das widerspreche einer ausgeglichenen Außenpolitik Kasachstans. Es bestehe die Gefahr, dass die EAWU zum einzigen Ansprechpartner für internationale Organisationen und Partner Kasachstans werde. Positiv wäre zu bewerten, dass Kasachstan angesichts der Lage in der Ukraine versuche, seine politische Unabhängigkeit zu bewahren. Somit wäre es eine Aufgabe der EU, Kasachstan zu signalisieren, dass das Land immer noch politische Bedeutung besäße. Problematisch sah Eschment, dass die Führung in Kasachstan langfristig eine nationalistisch geprägte Politik betreiben könnte.

Wachsende Bedeutung der Sicherheitspolitik in Eurasien

Laut DAAD Senior Policy Fellow Dr. Elkhan Nuriyev zeigt die EAWU den Stil russischer Realpolitik und einer protektionistischen Integration. Nuriyev schloss nicht aus, dass auch die Sicherheitspolitik eine wachsende Rolle für die Integration spielen würde. Schon jetzt bekämen die neuen und potenziellen Mitglieder der EAWU viele Vorteile sicherheitspolitischer Natur: im Fall Armeniens die Absicherung für Bergkarabach; im Fall Kirgisistans Sicherheit nach dem Abzug der ISAF-Truppen aus Afghanistan. Nuriyev betonte, dass die EU ihre Politik und ihre Projekte mit den GUS-Ländern, insbesondere ihre Energiepolitik überdenken müsse. Außerdem sollten Moskau und Brüssel an einem gemeinsamen Sicherheitsmodell arbeiten, denn die Sicherheit werde solange nicht gewährleistet, solange beide Akteure sich voneinander abschotteten. Der kasachische Botschafter Bolat Nussupov sagte hingegen, dass es für die Fragen der Sicherheitspolitik bereits eine funktionierende Institution auf dem GUS-Gebiet gebe, nämlich die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit. Es werde keine Erweiterung der Eurasischen Wirtschaftsunion auf Sicherheitsfragen geben. In der Diskussion wurde deutlich, dass die Rolle Russlands in der Region Kern der Debatte ist. Doch Russlands Absichten und Chancen in der Region bleiben unklar.

Liberalisierung des Handels zur Steigerung der Attraktivität der EAWU

Aus der Perspektive Kasachstans sei, so Dr. Ricardo Giucci, Geschäftsführer bei Berlin Economics, eine regionale wirtschaftliche Integration wichtig: 20 Prozent der Importe kommen aus Russland, 8 Prozent der kasachischen Exporte gehen nach Russland. Jedoch sei nicht jede Integration per se erfolgreich. Die bisherige Zollunion weise einen hohen protektionistischen Charakter auf, die Zölle seien mit 9 Prozent sehr hoch. Problematisch sah Giucci den wachsenden politischen Einfluss auf die Handelsströme. Zwischen der EU und der Zollunion sollte ein gegenseitiges Interesse an der Kooperation bestehen, denn „die EU exportiert Güter wie Maschinen nach Kasachstan und Russland. Wenn diese Länder Handelsliberalisierung erleben, kann mehr verkauft werden. Doch auch von der russischen und kasachischen Seite besteht ein großes Interesse an Modernisierung“. Die Schlussfolgerung laute für Kasachstan, je erfolgreicher die EAWU den Handel mit der EU liberalisieren könnte, desto attraktiver würde sie. Also sollte sich Kasachstan für die Liberalisierung des Handels innerhalb der EAWU stärker einsetzen.

Konstruktive Zusammenarbeit durch Bildung von vertrauenswürdigen Institutionen

Dr. Stefan Meister, Programmleiter Osteuropa und Zentralasien im Robert Bosch-Zentrum der DGAP, verwies abermals auf die Politisierung der EAWU: Die Frage laute hierbei, wie die EU darauf reagieren kann und sollte. Frederic Schwandt, Koordinator für die ÖP und Politikprozesse beim Europäischen Auswärtigen Dienst betonte, dass es für die EU notwendig sei, dass die Vereinbarungen des Minsker Protokolls vom 26. August 2014 eingehalten werden und den ÖP-Partnern freie Entscheidungen hinsichtlich ihrer Außenpolitik garantiert werden sollten. Die EU sei bereit, mehrere Szenarien in der Zusammenarbeit durchzuspielen: Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen, Freihandelsabkommen Plus, beziehungsweise Verhandlungen über den gemeinsamen integrierten Markt mit vier Freiheiten. Hierfür müssten jedoch „die souveränen Entscheidungen der ÖP-Partner respektiert werden“, so Schwandt. Dabei gehe es nicht nur um das EU-Regelwerk, sondern auch um die Institutionen, die erst Vertrauen gewinnen sollten. Die Zusammenarbeit würde einen kontinuierlichen Reformprozess verlangen: „Es braucht zunächst einen Dialog, um Missverständnisse auszuräumen und Chancen auszuloten“, so der EAD-Vertreter.

Aus der Sicht Kasachstans, vertreten durch Saule Seitimbetova, Direktorin der Abteilung für Eurasische Integration am Ministerium für auswärtige Angelegenheiten Kasachstans, könnten EU und EAWU wie folgt zusammenarbeiten: erstens auf Grundlage eines Memorandums mit einer politischen Willensäußerung zur Zusammenarbeit; der Zweck bestünde im Informationsaustausch und in der Wirtschaftszusammenarbeit. Solche rechtliche Rahmen habe die EAWU mit China, MERCOSUR und anderen internationalen Organisationen entwickelt. Zweitens könnte ein nichtpräferenzielles Handelsabkommen abgeschlossen werden, zur Bildung besserer Rahmenbedingungen in Bereichen wie Zollabfertigung und Transport. Und drittens könnten die beiden Unionen über ein Freihandelsabkommen verhandeln, wie die EAWU es auch mit Lichtenstein, der Schweiz und Australien verhandele.

Die kompromisslose Haltung der EU gegenüber der EAWU wurde in der Diskussion kritisiert. Der EAD-Vertreter hob in der Frage nach der Kompatibilität von EU und EAWU die Bedeutung der internationalen Regeln hervor: Die EU, als eine supranationale Institution basierend auf Rechtsstaatlichkeit, versuche mit einem anderen System zu kooperieren, in welchem die Entscheidungen auf höchster politischer Ebene getroffen würden. Somit wäre es schwierig, machtpolitische Fragen kooperativ zu beantworten.

Der DGAP-Forschungsdirektor Prof. Dr. Eberhard Sandschneider moderierte die Diskussion. Der 2012 gegründete Berliner Eurasische Klub sieht sich als eine interaktive Plattform für die Diskussion politischer Fragen zwischen Kasachstan, den GUS-Ländern, Deutschland, der EU und anderen internationalen Organisationen.

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