Mark Sedwill, britischer Afghanistan-Beauftragter, über das künftige Engagement am Hindukusch
Während ihrer mittlerweile über zehnjährigen Präsenz in Afghanistan hat sich die NATO auf militärische Aufgaben konzentriert – und darüber „die politische Dimension des Einsatzes vernachlässigt“, sagte Mark Sedwill. Zudem seien viele Fehler des sowjetischen Afghanistan-Feldzugs wiederholt worden.
Nun gelte es, Lehren aus der Entwicklung des Landes nach dem Rückzug der sowjetischen Truppen 1989 zu ziehen. Zwar hatte sich das von den Sowjets unterstützte Regime damals noch mehr als drei Jahre halten können – als Moskau seine Hilfe einstellte, ist es allerdings nach nur drei Monaten untergegangen.
Wichtigstes Signal des jüngsten NATO-Gipfels in Chicago sei daher die Zusage der Bündnispartner, auch nach Abzug der internationalen Kampftruppen 2014 das Land politisch und finanziell zu unterstützen. Dabei müssen die Geberländer einen schwierigen Spagat meistern: Sie müssen den eigenen Wählern einen baldigen Abzug zusichern, den Afghanen jedoch weiteres Engagement in Aussicht stellen. Wichtig sei, die Hilfen künftig zielgerichteter und transparenter zu vergeben. Zu oft habe der unkontrollierte Zustrom an Geldern die afghanische Eigeninitiative gelähmt.
Regionale Kooperation und Staatsaufbau
Um Afghanistan nachhaltig zu stabilisieren, komme es zudem darauf an, die regionale Kooperation auszubauen, mahnte Sedwill: von den Handelsbeziehungen bis hin zu sicherheitspolitischen Abmachungen, darunter auch eine Vereinbarung über gegenseitige Nichteinmischung. Die regionalen Schlüsselländer – Iran und Pakistan – seien sich ihrer Verantwortung durchaus bewusst, zumal afghanische Probleme wie die Drogenwirtschaft, Flüchtlingsströme oder die Aktivitäten der Taliban sich spürbar auch auf ihre innere Sicherheit auswirken.
Eine zentrale Herausforderung bleibt die Existenz der Taliban. Zwar unterstützen nur zehn bis 20 Prozent der afghanischen Bevölkerung diese Bewegung. Diese Zahl würde jedoch wahrscheinlich ausreichen, um eine langandauernde Aufstandsbewegung aufrechtzuerhalten. Mit dem Abzug der internationalen Streitkräfte falle allerdings bald der wichtigste Mobilisierungsgrund der Taliban weg, die sich gerne als Kämpfer gegen eine ausländische Besatzung stilisieren. Das lasse hoffen, dass diese Organisation an Bedeutung verliert – und eröffne vielleicht Chancen auf Verhandlungen mit den Taliban, so Sedwill.
Das beste Mittel, um die Taliban zurückzudrängen, besteht aber wohl darin, die staatlichen Strukturen Afghanistans zu festigen. „Die Taliban werden nicht unausweichlich an die Macht zurückkehren, wenn der Staat robust genug ist, für Sicherheit zu sorgen,“ sagte Sedwill. Bis 2014 müssten die afghanischen Sicherheitskräfte nun beweisen, dass sie die Stabilität im Land gewährleisten können. Der Staatsaufbau könne allerdings nur erfolgreich verlaufen, wenn er durch eine nationale Aussöhnung zwischen Regierung, Opposition und Aufständischen ergänzt werde.