Wer ist Irans neuer Präsident Hassan Rohani?
Die Iraner haben Rohani als einen Reformer gewählt. Er lässt sich als liberaler Konservativer bezeichnen. Seit vielen Jahren ist er bereits Präsident des Center for Strategic Research in Teheran, das dem früheren Präsidenten Rafsandschani untersteht; dieser gilt heute ebenfalls als liberaler Konservativer.
Rohani ist Jurist und hat in Großbritannien promoviert. Seine Weltoffenheit unterscheidet ihn von seinem Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad, der ein sehr verschlossenes, aus westlicher Sicht schwer verständliches Weltbild hatte – und sich immer wieder mit der Staatengemeinschaft anlegte.
Rohani dagegen ist kein Provokateur, er sucht konstruktiv nach Lösungen. Als iranischer Verhandlungsführer bei den internationalen Nuklearverhandlungen bewies er eine beachtliche Flexibilität – und hat dennoch beharrlich seine Ziele verfolgt. Ich habe ihn damals persönlich kennen und schätzen gelernt.
Wie abhängig ist Rohani von dem geistlichen Führer des Irans, Ayatollah Seyed Ali Musavi Khamenei?
Der Revolutionsführer hat in allem das letzte Wort. Aber er lässt dem Präsidenten gewisse Freiräume. Innerhalb dieses Rahmens kann Rohani eigene Akzente setzen. Außenpolitisch ist sein Spielraum nicht allzu groß. In der Wirtschaftpolitik aber hat er mehr oder weniger freie Hand. Man kann nur hoffen, dass er die populistische Politik seines Vorgängers hinter sich lässt. So versuchte Ahmadinedschad beispielsweise bei Reisen durch die Provinz sich die Gunst des Volkes mit Geldversprechen zu erwerben.
Rohani wird sich mit dem Revolutionsführer in politischen Grundsatzfragen nicht anlegen. Er will auch nicht die bestehende Ordnung infrage stellen. Aber er wird aktiv die Grenzen des Systems testen. Mohammed Khatami, der erste Reformpräsident des Iran, hat immer sehr schnell die Segel gestrichen, wenn er auf Widerstand stieß. Rohani ist aus anderem Holz geschnitzt, er wird mehr Beharrlichkeit zeigen.
Der kommende Präsident will eine tolerantere Politik als sein Vorgänger betreiben. So hat er angekündigt, auf die Jugend zuzugehen und die Rechte der Frauen zu stärken. Er wurde denn auch von vielen Jugendlichen, vor allem der städtischen Jugend, gewählt. Er hat zudem die reformorientierten Wähler auf sich vereinigen können. Die beiden früheren Präsidenten Rafsandschani und Khatami hatten zu seiner Wahl aufgerufen. Und schließlich konnte Rohani anders als seine Mitbewerber vor allem die potenziellen Nichtwähler mobilisieren und so von der hohen Wahlbeteiligung profitieren.
Sollte es zu einer Art Arbeitsteilung zwischen dem auf Lebenszeit eingesetzten, konservativen Religionsführer und dem mehr reformorientierten Präsidenten kommen, würde dies letztlich das politische System des Iran stabilisieren. Für den Revolutionsführer war bereits die hohe Wahlbeteiligung ein Gradmesser für die Legitimität des Systems.
Welche außenpolitischen Akzente wird Rohani setzen?
Von der Staatsideologie werden ihm natürlich enge Grenzen gezogen. Vor allem wenn es um Israel geht, oder um das Selbstverständnis Irans als Regionalmacht. Die anti-israelische Ideologie ist systemimmanent. Rohani kann sie im Grundsatz nicht ändern. Jedoch wird man von ihm nicht die aggressive anti-israelische Rhetorik seines Vorgängers zu hören bekommen. Rohani wird einen gemäßigteren Ton anschlagen und eine viel behutsamere Politik betreiben. Ich gehe von einer vorsichtigen außenpolitischen Kursbegradigung aus.
Für den Iran von existenzieller Bedeutung ist das Verhältnis zum Libanon und zu Syrien. Das schiitische Regime pflegt historisch enge Verbindungen zu seinen Glaubensgenossen im Südlibanon. Teheran wird zudem alles daran setzen, die guten Beziehungen zu Syrien aufrecht zu erhalten und seinen Einfluss auf das Land zu sichern – auch wenn der dortige Präsident Assad sich nicht an der Macht halten kann. Iran hat daher Interesse, an der geplanten Syrien-Konferenz teilzunehmen – fraglich ist allerdings, ob die USA und Saudi-Arabien dies zulassen werden.
Was bedeutet der Personalwechsel für die internationalen Nukleargespräche?
Der künftige Präsident Hassan Rohani war zu Beginn der internationalen Verhandlungen über das iranische Nukleardossier, von 2003 bis 2005, Leiter der iranischen Delegation. Ich habe damals als einer der drei Botschafter des sogenannten E3-Formats (bestehend aus den EU-Ländern Deutschland, Frankreich und Großbritannien) an den Verhandlungen teilgenommen. Rohani hat stets eine sehr flexible Haltung an den Tag gelegt und war sichtlich bemüht, zu einer Lösung zu kommen – was ihm später von seinem Nachfolger Laridschani und Präsident Ahmadinedschad vorgeworfen wurde.
Heute, zehn Jahre später, noch über einen Ausstieg Irans aus der Urananreicherung zu reden, erscheint mir nicht realistisch. Damals steckte die Anreicherung noch in den Anfängen, mit ganz wenigen Zentrifugen. Heute dagegen ist das Nuklearprogramm viel weiter fortgeschritten, 6000 bis 8000 Zentrifugen sind mittlerweile in Betrieb. Iran wird daher auf dem Recht bestehen, wie alle anderen Staaten auch Uran anreichern zu dürfen.
Auf der Tagesordnung aber bleibt die Frage, welche objektiven Garantien Teheran geben kann, dass es seine nuklearen Fähigkeiten nicht militärisch nutzt. An den Verhandlungszielen wird sich also künftig nicht viel ändern. Aber ich erwarte seitens des Irans eine wesentlich flexiblere Verhandlungsführung.
Wie soll Deutschland sich jetzt verhalten?
Es war richtig, dass die Bundesregierung die Wahl Rohanis begrüßt und damit auch gewisse Erwartungen verknüpft hat. Bis zur Amtseinführung des neuen Präsidenten sollten wir uns nun zurückhalten. Nicht nur mit Äußerungen. Wir sollten auch keine weitere Sanktionen beschließen, wie es in Amerika diskutiert wird. Es wäre auch nicht richtig, dem Motto „keep all your options open“ zu folgen, wie es die USA verstehen. Das schließt ja die Möglichkeit eines Militärschlags ein. Wir sollten uns dagegen in den Beziehungen zu Iran alle Optionen in dem Sinne offen halten, dass wir die Aussichten für einen Neuanfang nicht durch eigene negative Signale verderben.
Paul Freiherr von Maltzahn ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Von 2003 bis 2006 war er deutscher Botschafter im Iran.