Kommentar

12. Dez. 2012

Geprüfte Sicherheit

Auf Handelsschiffen wird bewaffnetes Schutzpersonal eingesetzt – doch internationale Qualitätskontrollen fehlen

Im Kampf gegen die Piraterie setzen deutsche Handelsschiffe immer häufiger auf private Sicherheitsfirmen. Um den schwarzen Schafen der Branche beizukommen, hat der Bundestag nun ein neues Prüfverfahren beschlossen – und einen entscheidenden Fehler gemacht: Das Verfahren ist auf die nationale Ebene beschränkt. Stattdessen sollte die Bundesregierung auf einen internationalen Ansatz und ein einheitliches Zertifikat für privates Sicherheitspersonal hinwirken.

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Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Sicherheitsunternehmen künftig ein nationales Zulassungsverfahren durchlaufen, bevor sie deutsche Handelsschiffe vor Piratenangriffen schützen dürfen. Dieser Ansatz ist aus zwei Gründen falsch: Erstens gibt eine unternehmensbezogene Prüfung keinen Aufschluss über Qualität des eingesetzten Sicherheitspersonals. Zweitens fährt ein Großteil der deutschen Handelsflotte unter ausländischer Flagge zur See und unterliegt deshalb nicht den geplanten Gesetzesänderungen. Um hohe Sicherheitsstandards auf allen Handelsschiffen zu gewährleisten und eine weitere Eskalation am Horn von Afrika zu vermeiden, braucht es ein einheitliches internationales Zertifikat für private Sicherheitskräfte.

Mehr Sicherheitskräfte, weniger Angriffe

Während sich der Golf von Guinea und das Südchinesische Meer zu neuen Piraterie-Hotspots entwickeln, geht die Zahl der Piratenangriffe am Horn von Afrika seit Jahresbeginn zurück. Dazu dürfte neben der EU-Militäroperation ATALANTA auch der zunehmende Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen wesentlich beitragen. Bisher ist kein Schiff erfolgreich gekapert worden, auf dem Sicherheitspersonal eingesetzt war. Eine lückenlose Überwachung der Arbeit bewaffneter Sicherheitskräfte auf hoher See ist aber aufgrund fehlender Kontrollinstanzen nicht möglich. Wie häufig es zu Gefechten mit Piraten kommt, ist deshalb unklar. Allerdings mehren sich Berichte über die steigende Aggressivität der Piraten und über Schusswechsel mit Sicherheitsteams, bei denen Angreifer verletzt oder getötet wurden.

Nachdem sich die Bundesregierung gegen den Einsatz von Polizei und Bundeswehr auf deutschen Handelsschiffen ausgesprochen hat, folgt nun eine Änderung der Gewerbeordnung, auf deren Grundlage Sicherheitsunternehmen für die Bewachung ziviler Handelsschiffe zugelassen werden. Im Kern geht es um die Frage, weshalb es in einem so heiklen Bereich, in dem es um Leben und Tod geht, keine umfassende Prüfung des eingesetzten Personals gibt. Sowohl Industrievertreter als auch Kritiker privater Sicherheitsteams sind der Meinung, dass die Gründung eines Sicherheitsunternehmens in Deutschland zu einfach ist. Sie befürworten ein Zulassungsverfahren mit strikten Qualifikationskontrollen für das Sicherheitspersonal. Die etablierten Unternehmen wollen in der Branche ein Qualitätssiegel etablieren, das sie vor unseriöser Konkurrenz schützt. Die Kritiker befürchten, dass schlecht ausgebildetes Personal zu einer Eskalation der Gewalt am Horn von Afrika führt. Beiden geht die nun verabschiedete Gesetzesänderung nicht weit genug.

Keine Personalprüfung

Das Zulassungsverfahren sieht eine unternehmensbasierten Prüfung vor, in der ausschließlich die betriebliche Organisation sowie die internen Verfahrensabläufe der Sicherheitsfirmen unter die Lupe genommen werden – etwa die Umsetzung von Aufzeichnungs- und Anzeigepflichten. Eine Eignungsprüfung des Personals ist nicht vorgesehen. Die auf zwei Jahre befristete Zulassung soll durch das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei erteilt werden.

Man kann davon ausgehen, dass sich das BAFA vor allem mit der Prüfung und Zulassung ausländischer Sicherheitsfirmen wird befassen müssen. Bisher gibt es nur wenige deutsche Unternehmen, die den physischen Schutz von Schiffen anbieten können. Einem guten Dutzend deutscher Unternehmen steht eine Vielzahl internationaler, meist britischer Anbieter mit jahrelanger Erfahrung gegenüber. Da mag es für die Behörden verlockend erscheinen, nur deren Geschäftsführung zu prüfen. Internationales Personal zur Eignungsprüfung nach Deutschland zu bestellen, würde einen deutlich höheren Aufwand bedeuten.

Liberalere Regelungen

Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass ausländische Sicherheitsdienstleister künftig für das BAFA-Siegel abrüsten. Denn eines wird sich nicht ändern: Die deutschen waffenrechtlichen Bestimmungen werden auch für den Anti-Piraterie-Einsatz nicht aufgeweicht. Vollautomatische und sogenannte Kriegswaffen werden den Schutzteams nach deutschem Recht auch in Zukunft verwehrt bleiben. Obwohl das deutsche Recht auch jetzt schon erlaubt, Schiffe durch bewaffnetes Personal schützen zu lassen, flaggen viele Reedereien ihre Schiffe aus; unter ausländischer Flagge profitieren sie von liberaleren Regelungen und können robuster ausgerüstetes Personal anheuern. Unwahrscheinlich, dass diese Reedereien künftig auf deutsche Unternehmen zurückgreifen werden.

Das nun geplante Zulassungsverfahren wird nur Einsätze und Schiffspassagen unter deutscher Flagge betreffen. Die Bundesregierung sollte stattdessen auf einen internationalen Ansatz zur Zulassung privater Sicherheitsdienstleister hinwirken. Ein internationales Zertifizierungsverfahren fordern auch die Übergangsrichtlinien der International Maritime Organisation (IMO), auf die sich die Bundesregierung in ihrem Gesetzesentwurf bezieht. Die Harmonisierung nationaler Zertifikate und Standards würde den Arbeitsaufwand verringern und ein international anerkanntes Qualitätssiegel schaffen. Bislang handhaben die jeweiligen Flaggenstaaten den Einsatz bewaffneter Kräfte noch unterschiedlich: Während US-Gesetze die Registrierung von Waffen und Sicherheitsteams unter amerikanischer Flagge vorschreiben, werden diese unter zyprischer Flagge geduldet und im Falle Panamas sogar weitgehend ohne Regulierung erlaubt.

Eskalation durch schießwütige Schutzteams

Der jetzt beschlossene nationale Ansatz ist falsch, solange eine Zulassung lediglich auf Basis guter Unternehmensführung erteilt und die Tauglichkeit des Personals nur auf dem Papier geprüft wird. Der Internationale Verhaltenskodex für Private Sicherheitsdienstleister enthält eine Reihe von Auflagen für Sicherheitsunternehmen, an denen sich auch das deutsche Zulassungsverfahren orientieren sollte. Dazu gehören eine personenbezogene Prüfung, die das Handhaben bestimmter Waffen und die Regeln zur Anwendung von Gewalt abfragt, ebenso wie der Nachweis grundlegender nautischer Kenntnisse oder eine Zertifizierung als Ship Security Officer (SSO).

Solange Staaten ihre Militär- und Polizeikräfte überwiegend zum Schutz von Schiffen des World Food Programme bereitstellen, müssen Reedereien auf private Sicherheitsfirmen zurückgreifen. Um sicherzustellen, dass diese Firmen verlässlich arbeiten und vorgegebene Qualitätsstandards einhalten, braucht es aber ein international abgestimmtes personenbezogenes Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren. Andernfalls wird es auch weiterhin Fälle geben, in denen zwielichtige und schießwütige Schutzteams zur Eskalation der Gewalt am Horn von Afrika beitragen.

Bibliografische Angaben

Feyock, Sebastian. “Geprüfte Sicherheit.” December 2012.

DGAPstandpunkt 5, 12. Dezember 2012, 3 S.

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