Zusätzlich zu den Umbrüchen in Nordafrika im Jahr 2010/2011 fachten die Gezi-Park-Proteste, die 2013 in der Türkei stattfanden, eine intensive Debatte über Bürgerbeteiligung in Entscheidungsprozessen an; das Konzept des Bürgerseins wurde grundlegend in Frage gestellt. Die Vertreibung der autokratischen Machthaber in Ägypten, Tunesien und Libyen rückte die Rechte und Pflichten der Bürger in den Mittelpunkt ebenso wie die Schwächen bestimmter Konzeptionen und Praktiken des Bürgerseins, etwa in Hinblick auf Frauen oder religiöse Minderheiten. Zum einen haben sich in den Ländern des Arabischen Frühlings die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung verbessert: relativ freie und faire Wahlen mit der Teilnahme vieler neu gegründeter politischer Parteien garantierten die formale politische Partizipation der Bürger. Dennoch ist informelle Beteiligung immer noch relevant, die Anzahl an Demonstrationen und die Bedeutung sozialer Bewegungen und zivilgesellschaftlicher Organisationen bleibt weiterhin hoch. Noch immer sehen sich die Bürger mit Hindernissen zur politischen Beteiligung konfrontiert, insbesondere soziale Gruppen wie arme Gesellschaftsschichten, religiöse und ethnische Minderheiten und junge Leute.
Vor diesem Hintergrund hatte die 20. New Faces-Konferenz des EU-Middle East Forums zum Ziel, Veränderungen von Konzeptionen des Bürgerseins in der Mittelmeerregion, insbesondere in Nordafrika und der Türkei, zu analysieren als auch mögliche zukünftige Trends und Hindernisse politischer Beteiligung zu diskutieren. Dabei reichten die Fragen von der Rekonzeptionalisierung des Bürgerseins und der Bürgerbeteiligung mit Blick auf die Umverteilung von Wohlstand über die Anerkennung ethnischer, demografischer und geschlechtlicher Unterschieden bis hin zu Fragen des Zusammenspiels formeller und informeller Mitwirkungsformen und der Beteiligung in sozialen Bewegungen. Es herrschte Einigkeit darüber, dass Staatsbürgerschaft als multidimensionales Phänomen untersucht werden sollte, um so Diskussionen zu ermöglichen, die ihre Untersuchung als rein gesetzliche Angelegenheit nicht immer erlaubt.
Die Konferenz profitierte dabei sehr von den thematisch breitgefächerten Hintergründen der Teilnehmer, durch die Fragen und Probleme aus verschiedensten Winkeln betrachtet werden konnten und so eine für die Diskussion sehr förderliche Atmosphäre entstand. Zusätzlich regten Vorträge renommierter Experten wie Fuat Keyman (Direktor des Istanbul Policy Center, Sabancı University), Nasar Meer (Co-Direktor des Center for Civil Society and Citizenship, CCSC, Northumbria University) und Emel Kurma (Direktorin der Helsinki Citizens’ Assembly Turkey) die Debatte weiter an und stießen neue Denkprozesse an.