Policy Brief

06. Apr. 2023

„Zeitenwende“ für die Förderung des Standorts Deutschland

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Alle Bundesregierungen haben die hiesige Wirtschaft seit Mitte der 1990er Jahre dabei unterstützt, weltweit neue Auslandsmärkte zu erschließen. Auch deshalb ist Deutschland wirtschaftlich heute einer der wichtigsten globalen Akteure. Die Förderung ausländischer Direktinvestitionen (FDI) spielte dagegen bisher nur eine Nebenrolle. Das muss sich ändern. Deutschland sollte sich mittels strategischer Außenwirtschaftsförderung stärker für ausländische FDIs einsetzen.

 

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Bisheriges Leitmotiv: Den Weg für die deutsche Wirtschaft in der Welt ebnen

Der frühere Außenminister Klaus Kinkel hat in seiner Amtszeit ab 1993 die Grundlagen deutscher Außenwirtschaftspolitik gelegt, die bis heute wirken. In einer Grundsatzrede in der DGAP im Jahr 1998 sagte er: „Ich habe seit meinem Amtsantritt der Außenwirtschaftsförderung höchste Priorität eingeräumt – über ein Drittel meiner Mitarbeiter arbeitet in diesem Bereich. Die Reaktionen aus der Wirtschaft sind durchweg positiv.  [….]  Jetzt geht es für uns Deutsche darum, in und mit einem friedlich geeinten Europa die Globalisierung zu gestalten“. Entsprechend hat Kinkel 1995 die Außenwirtschaftsreferate in der Wirtschaftsabteilung des Auswärtigen Amtes ausgebaut, aber keine Arbeitseinheit zur Koordinierung der Anwerbung ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland geschaffen.  Diese Grundstruktur der Außenwirtschaft ist im Auswärtigen Amt erstaunlicherweise bis heute in wesentlichen Grundzügen erhalten geblieben. Schon 1995 hat der damalige Wirtschaftsminister Günter Rexrodt im Bundeskabinett klargestellt, dass der Wirtschaftsminister für die Koordinierung der Außenwirtschaftspolitik gemäß der Geschäftsordnung der Bundesregierung zuständig sei und bleibe. Auch diese „freundschaftliche Rivalität“ zwischen den beiden Ministerien ist mit Blick auf die Außenwirtschaftspolitik bis heute erhalten geblieben.

Mit seinen weiteren konkreten Maßnahmen  –  der Mitnahme von Wirtschaftsdelegationen auf Auslandsreisen und der Weisung zur Betreuung von Wirtschaftsdelegationen oder Wirtschaftsvertretern vor Ort durch Botschaften – hat Kinkel die deutsche Außenwirtschaft revolutioniert und das bis dahin statische „Drei-Säulen-Modell“ (ab 1971 Wirtschaftsdienste der Botschaften mit Außenhandelskammern und der Bundesstelle für Außenhandelsinformationen) in den Gastländern bis heute nach außen wirkungsvoll aufgestellt.

Gleichzeitig muss konstatiert werden, dass es bereits in den 1990er Jahren wegen der Fokussierung auf die Auslandsmärkte beispielsweise nicht gelungen ist – im Wettbewerb mit den neuen ost-mitteleuropäischen Standorten – ausländische Konzernzentralen für das neue Osteuropageschäft nach Berlin oder in die neuen Länder zu locken. Noch 2003 berichtet die Deutsche Welle, dass internationale Konzerne „einen Bogen um den Osten des Landes machen“ .

Der von Klaus Kinkel eingeschlagene Weg der Außenwirtschaftsförderung ist von seinen Amtsnachfolgern beibehalten worden, auch weil es keine anderslautenden Forderungen aus Parteien, Verbänden oder der Wissenschaft gab. Konkreter Gradmesser des Erfolgs dieser nach außen gerichteten Außenwirtschaftsförderung sind die Wirtschaftstage im Rahmen der jährlichen Botschafterkonferenzen mit regelmäßig weit über 1.000, hauptsächlich mittelständischen Unternehmen.

Nachgeordnete „GTAI“ vor Herkulesaufgabe: der Investorenanwerbung

Ein wichtiger Spieler kam erst 2009 in der Außenwirtschaftsförderung hinzu: Die Germany Trade & Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH (GTAI), die durch Zusammenführung von Invest in Germany, der Bundesagentur für Außenwirtschaft (BfAI) und der Gesellschaft für Außenhandelsinformationen (GfAI), die dem Bundeswirtschaftsministerium nachgeordnet ist, gegründet wurde. Gesellschaftszweck ist das Marketing für den Wirtschafts-, Investitions- und Technologiestandort Deutschland einschließlich Investoren-Anwerbung, sprich Standortmarketing, sowie die Unterstützung ausländischer Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit auf den deutschen Markt ausdehnen wollen, und außenwirtschaftlich orientierter deutscher Unternehmen bei der Erschließung ausländischer Märkte. Ein Schwerpunkt der gesamten Gesellschaft bildet die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Ländern.

Die GTAI hat sich als nachgeordnete Institution des Bundes die Investitionsförderung zur Aufgabe gemacht und konnte daran mitwirken, die angeworbenen Investitionen zwischen 2010 und 2020 um 55 Prozent zu steigern, von 384 Milliarden Euro auf 594 Milliarden:

 

Die GTAI legt dabei keine veröffentlichten Zahlen zum konkreten Effekt des eigenen Wirkens vor. Die genannte Statistik relativiert sich, wenn man sie mit den Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF) von 2022 vergleicht: Die USA sind demnach wichtigstes Ziel ausländischer Direktinvestitionen. Sie haben im gleichen Zeitraum die Direktinvestitionen in ihrem Land von 2,280 Milliarden Dollar auf weltweit unerreichte 4,471 Milliarden Dollar im Jahr 2020 mehr als verdoppeln können, und 2021 sogar auf 4,977 Milliarden Dollar weiter steigern können.

Zu berücksichtigen ist, dass die GTAI mit folgenden strukturellen Herausforderungen ringt, die von der Bundesregierung weiter verbessert werden sollten:

Laut Gesellschaftsvertrag kümmert sich die GTAI bei der Investorenanwerbung, anders als konkurrierende Investitionsförderungsagenturen aus Partnerländern, nur um Greenfield-Investitionen und nicht um Mergers & Acquisitions (M&A).

Von den etwa 400 Beschäftigten der GTAI ist nur ein Teil in der wichtigen Abteilung Investorenanwerbung in Berlin tätig.

Die Investoren-Anwerber im Ausland sind weltweit nur auf zwölf Büros verteilt: Peking, Chicago, Hongkong, London, Mumbai, New York, San Francisco, Seoul, Shanghai, Sydney, Tokyo und Toronto. Dies heißt, dass wichtige Finanzmetropolen wie Luxemburg, Singapur, Paris oder die Golfregion keine direkten Ansprechpartner der GTAI vor Ort haben. Unverständlich ist, dass der Bund durch drei Repräsentanzen in China weiter Investoren anwerben will, aber kein Büro in einer EU-Hauptstadt unterhält.

Die Investoren-Anwerber der GTAI gehören keiner Botschaft an wie dies beispielsweise bei Kolleginnen und Kollegen aus dem Vereinigten Königreich (Department for International Trade, DIT) oder Luxemburg (Ministerium für Wirtschaft) der Fall ist und die mit diesem Status einfacher hochrangige Gesprächspartnerinnen und -partner in einem Gastland erreichen können.

Die Entsendung einer Beamtin beziehungsweise eines Beamten des Auswärtigen Amtes in die Geschäftsführung der GTAI kann die Abstimmung mit Botschaften noch enger gestalten.

Die GTAI muss dem Bundestag über das Bundeswirtschaftsministerium keine Jahresberichte zu ihrer Tätigkeit vorlegen. Zu den Ergebnissen der Standortförderung gibt es folglich in diesem Rahmen keine Bundestagsdebatten wie bei Jahresberichten der Bundesregierung.

Im Fachbeirat Investoren-Anwerbung stimmt sich die GTAI halbjährlich mit den 16 Wirtschaftsfördergesellschaften der Länder ab, denen ein von der GTAI angeworbenes Projekt für die konkrete Umsetzung vor Ort übergeben werden muss. Hier könnte die Federführung der GTAI helfen, mit einem Projektmanager ein wichtiges Projekt aus einer Hand zu betreuen.

Es sollte ein Konzept hochrangig besetzter und vom Bund organisierter Investoren-Delegationsreisen umgesetzt werden, konkret in Schlüsselbereichen wie etwa Digitalisierung, Green Technology oder Medizinversorgung. Diese sollten mit einem politischen Welcome-Programm in Berlin beginnen und anschließend zu Standorten in den verschiedenen Regionen führen.

Besondere Herausforderung: Standortförderung in den Neuen Bundesländern

Die Entwicklung in den Neuen Ländern zeigt, dass Standortförderung in Deutschland als Priorität der Politik in Deutschland verbessert werden kann. Privatinvestitionen, auch aus dem Ausland, sind wichtige Quelle für notwendiges Wirtschaftswachstum:

In fast allen „Jahresberichten der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit“ in den Jahren zwischen 2010 und 2020 heißt es im Unterkapitel „Internationalisierung“ gleichlautend: „Die ostdeutsche Wirtschaft ist weniger internationalisiert als ihr westdeutsches Pendant“. In diesem Kontext fokussieren die Berichte, „sowohl auf eine Unterstützung des Exportes – insbesondere für KMU – als auch auf die internationale Vermarktung des Investitionsstandortes Ostdeutschlands“.

Aber im Rahmen der Wirtschaftsdaten wird in der Regel nicht über angeworbene ausländische Direktinvestitionen berichtet. Im Jahr 2018 hält erstmalig der Jahresbericht der Bundesregierung konkrete Erfolge bei der Investorenanwerbung fest: 60 Projekte, verbunden mit 1.500 Arbeitsplätzen seien von der GTAI an die Landeswirtschaftsfördergesellschaften übergeben worden.

Erst der Bericht des Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland 2022 nimmt die Bedeutung ausländischer Investoren für die modernen Schlüsseltechnologien zukunftsgerichtet in den Blick: Der Bericht nennt unter anderem die Ansiedlungen von Tesla und Intel bei Magdeburg sowie des Batteriezellwerks CATL bei Erfurt und zieht die richtigen Schlussfolgerungen für die wirtschaftliche Zukunft, nämlich dass solche „Investitionen oder Ansiedlungen ausländischer Unternehmen … Kapital, technisches Know-how, internationale Marktverbindungen, Beschäftigung und Einkommen in die Regionen (bringen), Zulieferer für weitere Investitionen anziehen und stärken mit ihrer Nachfrage direkt auch die regionale Wirtschaftskraft“.

Das bisherige Credo in der deutschen Außenwirtschaft lautete: Handel first!

Anders als die USA, Großbritannien und Frankreich verfügte Deutschland durchgehend in den letzten 20 Jahren über einen großen Leistungsbilanzüberschuss, der insbesondere auf einer positiven Außenhandelsbilanz fußt, die mittlerweile 60 Jahren ununterbrochen besteht. Der Exportüberschuss erntete von Partnern, darunter Frankreich und den USA, immer wieder Kritik. Basis dieses traditionellen deutschen Wirtschaftsmodells ist vor allem das umfassende Netz der Außenhandelskammern (AHKs), die mittlerweile an 140 Standorten in 92 Partnerländern bestehen und – in enger Zusammenarbeit mit den innerdeutschen IHKs – deutsche Exportinteressen nachdrücklich im Ausland vertreten.

Was Deutschland bei der Investitionsanwerbung von Partnern lernen kann

In den USA, Großbritannien und Frankreich sind die Promotion des eigenen Wirtschaftsstandortes und damit verbundene Fortschritte zentrales politisches Thema für Regierungen, Parlamente und Medien. Auch in dieser Legislaturperiode gab es hingegen weder eine „Kleine Anfrage“ im Deutschen Bundestag noch einen Debattenbeitrag im Bundestag. In keinem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2021 der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien findet sich ein Vorschlag zur Standortförderung Deutschland im Ausland.

Auch an den großen Wirtschaftsforschungsinstituten Deutschlands wird zum Thema Standortförderung und den damit verbundenen volkswirtschaftlichen Effekten kaum beziehungsweise nicht geforscht, anders in den USA oder im Vereinigten Königreich.

Folgende Beispiele zeigen, wie sich in den USA, Großbritannien und Frankreich höchste Regierungsstellen dafür einsetzen, ausländische Investoren als Wachstumstreiber ins Land zu holen und direkt anzusprechen.

USA: Die Förderung des Standorts USA ist ein zentrales Thema der Biden-Administration; dazu gehören ein Infrastrukturpaket (1.000 Milliarden Dollar), der Chips and Science Act (280 Milliarden Dollar) und der Inflation Reduction Act (369 Milliarden Dollar). Die Stoßrichtung, die mit den drei Paketen verfolgt wird, genießt überparteilich hohen politischen Stellenwert. Ziel ist die Modernisierung und Attraktivität des Standorts USA sowie die Rückführung und Stärkung heimischer industrieller Produktion. Siemens Gamsea und der Röhrenhersteller EEW sind aufgrund dieser Rahmenbedingungen dabei, Werke in den USA aufzubauen. Delegationen aus US-Staaten reisen unterdessen durch Europa, um mit den Konditionen des Inflation Reduction Acts zu werben.

Die Mittlerorganisation „Select USA“ führt hochrangige Investment Summits durch, unterstützt von den Auslandsvertretungen. Der nächste Summit findet vom 1. bis 4. Mai 2023 in National Harbor statt, wo mehr als 3.000 Teilnehmende erwartet werden. Die US-Botschaft wirbt schon heute mit hochrangigen deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. 2022 soll es im Rahmen der Veranstaltung Investitionszusagen in Höhe von 80 Milliarden Dollar gegeben haben.

Vereinigtes Königreich: Die britische Regierung nutzt ebenfalls Grundsatzreden von Ministerinnen und Ministern sowie hochrangige Events, um für das eigene Land als Investitionsstandort zu werben („beating the drum for Britain“). In 2021 wurde etwa ein Global Investment Summit in Windsor mit Queen Elizabeth II. organisiert, um hochrangige Investoren anzuwerben.

Ein weiteres Erfolgselement ist zudem die Präsenz des Handelsministeriums DIT (entspricht GTAI) in 112 britischen Botschaften weltweit. Der jüngste Erfolg ist der angekündigte Umzug der Krebsforschung des deutschen Biotechnologieunternehmens Biontech nach Cambridge.

Die Konsequenzen dieses intensiven internationalen Wettbewerbs um ausländische Investitionen sind statistisch messbar: In einem aktuellen Ranking der OECD steht Deutschland bei den eingeworbenen Direktinvestitionen an zwölfter Stelle weltweit sowie an vierter Stelle innerhalb der EU, hinter den Niederlanden, Schweden und Belgien.

 

Wo Deutschland heute steht:

In ihrem Aufsatz „Wohin steuert die Weltwirtschaft“ fordern Guntram Wolff und Gabriel Felbermayr ein „strategischeres und ganzheitlicheres Denken“ in der Außenwirtschaftspolitik für Deutschland und Europa. Bei der Umsetzung dieses Ansatzes gilt es, einerseits praktische Lösungen für unterbrochene Lieferketten zu finden oder die in Teilbereichen schon heute notleitende Medikamentenversorgung in Deutschland zu verbessern, indem Investoren aktiv angesprochen werden. Strategisches Ziel bleibt, dass Deutschland und Europa eine „ökologische und digitale Transformation der Wirtschaft“ erreichen. Für den eingeleiteten Prozess weg von einer Volkswirtschaft auf fossiler Energiebasis hin zu einer CO2-freien bis 2050 sollte Deutschland als Vorbild für einen funktionierenden Umbau dienen. In diesem Kontext seien, wie es in der Rede heißt, Schlüsselprojekte von Bedeutung, insbesondere im Bereich Nachhaltigkeit wie Halbleiter, Batterietechnik, Wasserstoff und Elektromobilität „made in Germany“. Ein mehr an qualifizierten ausländischen Firmen wird auch die Zahl dringend benötigter ausländischer Fachkräfte in Deutschland erhöhen.

Staatliche geförderte Investoren-Anwerbung sollte kurzfristig notwendige sowie strategische Ziele umsetzen. Der geltende Koalitionsvertrag umschreibt die wirtschaftspolitischen Ziele der Bundesregierung, macht jedoch keine Angaben zur Umsetzung der Standortförderung. Auch gibt es zu dieser kein Konzeptpapier der vorherigen oder aktuellen Bundesregierung. Kritische Studien zum Wirtschaftsstandort Deutschland, etwa vom Leibniz-Zentrum für Wirtschaftsforschung (ZEW), der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) oder der Wirtschafts- und Steuerprüfungsgesellschaft EY machen ebenso wenig konkrete Vorschläge zur Anwerbung von ausländischen Direktinvestitionen. Eine politische Diskussion zu wirkungsvollen Strategien für die Zukunft der Standortförderung Deutschland in einem europäischen Kontext ist somit von entscheidender Bedeutung. Marcel Fratzscher, Ökonom an der Humboldt-Universität zu Berlin und Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), fasste jüngst die geeigneten Rahmenbedingungen für mehr Privatinvestitionen als deutsche und europäische Antwort auf den US-IRA wie folgt zusammen: „Dazu gehören eine gute Infrastruktur, eine exzellente öffentliche Forschungslandschaft, Fachkräfte, weniger Bürokratie und Regulierung und eine Vollendung des europäischen Binnenmarkts für Dienstleistungen …“.

Nach aktuellen Angaben der GTAI verfügt Deutschland heute über ein breit gefächertes Portfolio ausländischer Investoren. Mit Ausnahme Chinas kommen die wichtigsten von ihnen aus  demokratischen Ländern. Es fällt auf, dass Investoren aus EU-Ländern, unseren engsten politischen Verbündeten und wichtigsten Handelspartnern, jedoch – unter den ersten 10 – nur schwach vertreten sind. In einer wettbewerbsorientierten Welt sollte das vorrangige Interesse Deutschlands darin bestehen, enge Cluster einer nachhaltigen Kooperation mit seinen europäischen Nachbarn zu bilden. Auch fällt auf, dass sich kein demokratischer asiatischer Staat sowie des „globalen Südens“ und auch kein Golfstaat (die VAE sind beispielsweise der einzige „strategische Partner Deutschlands in der arabischen Welt“) unter den wichtigen Direktinvestoren befindet):    

Auch die aktuelle Liste der angeworbenen Investitionsprojekte nach Sektoren entspricht noch nicht den Notwendigkeiten der vor Deutschland stehenden technologischen Herausforderungen (siehe Grafik 4).

 

Handlungsempfehlungen für eine „Zeitenwende“ bei der Förderung des Standorts Deutschland

Angesichts der hier beschriebenen und in den letzten Jahrzehnten mangelnden Strategien zur Förderung des Wirtschaftsstandorts Deutschland sowie ausländischer Direktinvestitionen im Land sollte die Bundesregierung im Sinne einer „Zeitenwende“ in diesem Bereich folgende Maßnahmen ergreifen:

Strategisch-politische Ebene:

Standortförderung kann politisch nur durch einen jährlichen Bericht der Bundesregierung, der dem Deutschen Bundestag vorgelegt wird, deutlich an Fahrt gewinnen. Ein abgestimmter Bericht der Bundesregierung führt zu politischen Debatten und medialer Aufmerksamkeit.

Um politische Zeichen zu setzen, können der Bundeskanzler oder Bundesministerinnen und -minister im Kontext von Auslandsreisen eine ausgewählte hochrangige Wirtschaftsdelegation aus dem Gastland nach Berlin auf der Rückreise mitnehmen. Dies würde dem Thema zu mehr Sichtbarkeit verhelfen. Die GTAI kann Anschlussbesuche in den einzelnen Bundesländern organisieren. Am Ende eines solchen Investitionsprozesses sollten die Bundesministerinnen und -minister bei der Grundsteinlegung für eine Investition öffentlichkeitswirksam präsent sein.

Es bedarf einer bzw. eines Beauftragten der Bundesregierung zur Koordinierung der Investoren-Anwerbung und des konzeptionellen Vorgehens.

Die im Koalitionsvertrag angekündigte „Stärkung der GTAI“ sollte umgesetzt werden

Eine vergleichende Studie über die Zusammenarbeit zwischen Agenturen und Ministerien erfolgreicher Partnerländer bei der Investorenanwerbung kann Best-Practice-Erkenntnisse bringen.

Arbeitsebene:

Das Vorgehen der Bundesregierung sollte zweiteilig sein: Für Schlüsselländer (G 20) gilt es, eine individuelle Investitionsstrategie zu entwickeln und anschließend mit hochrangiger Präsenz vor Ort für mehr Kooperation zu werben; später sollten potenzielle Investoren einzeln oder in Gruppen mit abgestimmtem Themenprogrammen zwischen Bund und Ländern nach Deutschland eingeladen werden.

Zudem sollten zielgerichtete Werbeveranstaltungen von GTAI und Botschaften gemeinsam vor Ort zu zentralen Themen im Kontext von Nachhaltigkeit und Resilienz durchgeführt werden: Bisher gab es solche beispielsetzenden Events nur zum Tag der Deutschen Einheit in Washington und Seoul.

Auf einer Botschafterkonferenz sollte es in dieser Legislaturperiode erstmals auf dem Wirtschaftstag eine Werbeveranstaltung zur Standortförderung Deutschland geben, um auch in Berlin der Priorität eines solches Projektes Nachdruck zu verleihen. Bisher konnte sich die GTAI auf dem Wirtschaftstag nur mit einem Stand präsentieren.

 

Der vorliegende Policy Brief basiert unter anderem auf Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Wirtschaftsabteilung des Auswärtigen Amtes, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie den Wirtschaftsdiensten verschiedener deutscher Botschaften und mit der GTAI. Die Inhalte der Gespräche sind in anonymisierter Form in die Studie eingeflossen und liegen dem Verfasser vor. Abschluss der Recherche war Ende Januar 2023.

 

Bibliografische Angaben

von Schoepff, Nikolai. “„Zeitenwende“ für die Förderung des Standorts Deutschland.” April 2023.

DGAP Policy Brief Nr. 6, April 2023, 9 S.

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