In China hat sich eine Faszination für die Intelligenz vernetzter Geräte entwickelt, die vor allem in der Gestaltung der chinesischen Überwachungsarchitektur deutlich wird. Diese erleichtert die Kontrolle der Bevölkerung maßgeblich und führt zur Entwicklung intelligenter Städte, sogenannter Smart Cities.
Chinesische Beamte haben städtische Umgebungen mit vielen Sensoren ausgestattet und verfügen über eine Kommandozentrale, das sogenannte City Brain, das Gehirn der Stadt. Es aggregiert und analysiert alle Daten in einer Stadt durch künstliche Intelligenz (KI) gestütztes Cloud Computing und stellt sie visuell ansprechend für die Mitarbeiter der Stadtverwaltung dar, die sich im digitalen Cockpit befinden.
Die Vision für das City Brain wurde von Parteiführern, Wissenschaftlern und der Industrie beeinflusst. Präsident Xi Jinping betrachtet das City Brain als Schlüssel, um Städte durch den Einsatz von KI, Big Data und Cloud Computing intelligenter zu machen.
500 Städte in China haben angekündigt, City Brains aufzubauen. China strebt allerdings auch Richtung regionaler und globaler Expansion. Alibabas City Brain wurde bereits nach Kuala Lumpur, Malaysia, exportiert. Liu Feng, eine der Schlüsselpersonen hinter dem City Brain, glaubt, dass sie sich schrittweise über Provinzen und Länder hinaus und schließlich bis zum Jahre 2045 weltweit verbinden werden.
Chinas „Schicksalsgemeinschaft“ hat globale Ambitionen
Das City Brain soll als technologische Unterstützungsstruktur für „die Schicksalsgemeinschaft“, einem zentralen Konzept der chinesischen Außenpolitik, dienen. Sie geht davon aus, dass chinesische Weisheit den Globus modernisieren kann und dass China in einer solchen internationalen Ordnung eine zentrale Rolle spielen sollte. Mit dem City Brain wird die Schicksalsgemeinschaft in eine technologische Schicksalsgemeinschaft umgewandelt.
Viele Städte, die die chinesischen Smart-City-Systeme erwerben, werden die Souveränität über ihre Daten verlieren, da die Systeme aufgrund ihres KI-Einsatzes zu komplex sind, um verstanden zu werden. Darüber hinaus bleiben viele Fragen offen: Wie würde ein Netzwerk von interagierenden City Brains im globalen Maßstab aussehen? Wo würden Entscheidungen getroffen? Wessen Interesse würden die City Brain Netzwerke verfolgen? Wessen technologische Standards und Algorithmen werden übernommen?
Eine Frage, die den meisten der oben genannten Fragen zugrunde liegt, lautet: Welchen Wert haben chinesische Unternehmen, die City Brains im Ausland betreiben, für China? Es könnte beim Spionieren helfen. Je intelligenter die exportierte Überwachungsinfrastruktur wird, desto einfacher wird das Ausspionieren.
In den frühen 2000er-Jahren exportierten sowohl chinesische als auch internationale Unternehmen „dumme“ Überwachungsausrüstung. Überwachungskameras konnten etwa Bilder aufzeichnen, jedoch nicht analysieren. Mit der Zeit hat sich die Ausrüstung weiterentwickelt; heutzutage können exportierte Kameras möglicherweise chinesische Dissidenten durch Gesichtserkennung identifizieren oder Pendlerwege nachverfolgen.
Diese technologischen Fortschritte könnten den chinesischen Behörden bei der Aufspürung und Entführung dieser Personen helfen. Je mehr Einblick die lokalen Behörden haben, desto besser ist das Situationsbewusstsein, das China oder jede andere ausländische Macht hat, wenn es diese Datenströme nutzt. Mit anderen Worten: Je intelligenter die exportierte Überwachungsinfrastruktur ist, desto größer ist Chinas Einfluss in diesen Regionen.
KI-geführte Kriege
Sollten Chinas territoriale Spannungen mit Malaysia oder anderen Ländern der Region jemals zu offenen Feindseligkeiten führen, könnten die kartierten Infrastrukturen und Datenströme von Alibabas City Brain in Kuala Lumpur mittelfristig etwa in die Kriegskarte chinesischer Kampfflugzeuge integriert werden: Für Piloten wäre es möglicherweise einfacher, Fahrzeugkonvois zu erkennen, die vom örtlichen City Brain als wichtig und schützenswert markiert wurden, z. B. Autos von Regierungsbeamten.
Diese Informationen könnten ihnen in einem urbanen Kriegsszenario einen Vorteil verschaffen. Darüber hinaus wäre ein erobertes Gebiet möglicherweise einfacher zu regieren, da chinesische Firmen und Beamte bereits mit den vorhandenen städtischen Verwaltungssystemen vertraut sind.
Im Jahr 2023 sind wir von einem umfassenden Netzwerk an City Brains weit entfernt. Aber politische Entscheidungsträger in Demokratien sollten dennoch den geostrategischen Charakter von chinesischen Smart-City-Projekten im Ausland zur Kenntnis nehmen.
Da die Zukunft der Geopolitik in der Smart City liegt, sollte sich auch das strategische Denken darauf konzentrieren. Demokratien sollten darauf hinarbeiten, Initiativen zu entwickeln, die datenschutzfreundliche, schlüsselfertige Smart-City Lösungen fördern, die im globalen Wettbewerb bestehen können. Dies erfordert eine Ausweitung der Forschung zu Technologien, die die Privatsphäre in Städten schützen können.