Memo

14. Juli 2023

Verteidigungshaushalt 2024

Das Budget steigt – und reicht doch nicht aus
Entwurf Haushalt 2024
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Die Ampelkoalition hat Anfang Juli ihren Entwurf zum Bundeshaushalt 2024 vorgelegt. Vorausgegangen war dem ein monatelanges Ringen um einen Kompromiss zwischen der Begrenzung der Neuverschuldung auf der einen und den vielfältigen Budgetwünschen der einzelnen Ministerien auf der anderen Seite. Doch auch wenn das Verteidigungsbudget angehoben wurde, ist die Decke noch zu kurz.

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Zuerst die gute Nachricht rund um den Entwurf zum Bundeshaushalt 2024: Der Verteidigungsetat soll angehoben werden. Boris Pistorius stünden damit im nächsten Jahr 1,7 Milliarden Euro mehr und somit 51,8 Milliarden zur Verfügung. Zusammen mit dem Sondervermögen und Anteilen aus anderen Ministerien bedeutet das unter anderem, dass die Bundesregierung ihr Versprechen an die NATO, zwei Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben, 2024 glaubwürdig vertreten will. Das finanzielle Polster dazu ist jedenfalls grob da und würde wahrscheinlich auch für die Jahre 2025 und 2026 reichen.

Der NATO-Gipfel vom 11. bis 12. Juli in Vilnius hat das Zwei-Prozent-Ziel in der Abschlusserklärung nun als untere Grenze, nicht mehr nur als aspiratorisches Ziel für besonders sparsame Allianzmitglieder festgelegt. Zwar mag man anmerken, dass dieses Input-Kriterium wenig über den Output an militärischen Fähigkeiten aussagt. Und dennoch: Die Symbolkraft des Ziels bleibt ungebrochen und hat durch den Gipfelbeschluss in Litauen noch weiter zugenommen. Deutschlands Verlässlichkeit als Partner fürseine Alliierten wird deshalb weiterhin auch daran gemessen werden, ob es dieses Ziel erreicht.

Insgesamt reichen jedoch auch die deutschen Verteidigungsausgaben für 2024 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2027 nicht aus. Es sind mehr Investitionen notwendig, um die der NATO zugesagten militärischen Fähigkeiten tatsächlich in den nächsten Jahren bereitstellen zu können. Und auch wenn das im Rahmen der „Zeitenwende“-Politik beschlossene Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zunächst so wirkte, als hätte es Abhilfe geschaffen, ist damit das Problem einer nachhaltigen Finanzierung nicht gelöst.

Klaffende Lücke in den Verteidigungsausgaben

Die in den deutschen Verteidigungsausgaben noch klaffende Lücke für 2024 kann wie folgt verstanden werden: Die angekündigten Einzelbeiträge aus Verteidigungshaushalt (51,8 Mrd. EUR), Sondervermögen (19,2 Mrd. EUR) und Anteilen aus anderen Haushalten (ca. 7 Mrd. EUR) entsprechen insgesamt rund 78 Milliarden Euro. Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO wird in 2024 aber circa 85 Milliarden als Verteidigungsausgaben erfordern. Schlimmer noch wird die zukünftige Lücke sein, denn nach bisheriger Planung werden die Gesamtverteidigungsausgaben nach 2026 massiv abfallen, sobald das Sondervermögen aufgebraucht ist und der reguläre Verteidigungshaushalt konstant bleibt.

Damit steckt die Regierung gleich in mehrfacher Hinsicht in der Zwickmühle. Um schnell Ergebnisse zu zeigen, wird momentan ausgegeben, was ausgegeben werden kann. Das ist zum Vorteil kurzfristiger Einsatzbereitschaft, geht aber zu Lasten einer langfristigen Modernisierung der Bundeswehr. Während der Verteidigungshaushalt, wenn auch nur gering, angewachsen ist, sieht das Bild bei zivilen Fähigkeiten der gesellschaftlichen Resilienz noch schlechter aus. Mittel für den Katastrophenschutz, etwa vertreten durch das Technische Hilfswerk (THW), der fundamental für das in der „Nationalen Sicherheitsstrategie“ ausgelobte Ziel der „integrierten Sicherheit“ ist, bleiben bestenfalls konstant und verlieren damit effektiv Kaufkraft.

Ein genauerer Blick auf die geplanten Ausgaben im regulären Verteidigungshaushalt (Einzelplan 14) und das Sondervermögen Bundeswehr in 2024 zeigt diese leichte Prioritätenverschiebung: weniger Fähigkeitserhalt durch die Modernisierung von Gerät, so wie es das Sondervermögen 2022 primär vorsah, und mehr Steigerung der Einsatzbereitschaft durch höhere Ausgaben für Materialerhalt im Verteidigungshaushalt und zum Beispiel die Beschaffung von Munition mit Geld aus dem Sondervermögen. Mit der Steigerung des Haushaltspostens für die Ertüchtigung von Partnern (Einzelplan 60), vor allem der Ukraine, verschieben sich die Ausgaben auch in diese Richtung.

 

 

Diese Entwicklung hat positive und negative Aspekte zugleich: Positiv ist, dass sich die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr dadurch stärker entwickeln kann und Probleme wie eine zu geringe Munitionsbevorratung angegangen werden. Das verbessert auch das öffentliche Bild einer einsatzbereiten Bundeswehr und kann so positive Effekte zum Beispiel bei der Rekrutierung entwickeln. Ein politisch gutes Signal ist auch, dass die kleineren Beschaffungen wahrscheinlich schneller zu Vertragsreife und Mittelabfluss führen und die Bundesregierung damit nach außen das Erreichen des 2-Prozent-Ziels der NATO glaubhafter vertreten kann. Negativ ist allerdings, dass damit nun Projekte im Sondervermögen landen, die dort eigentlich nicht hingehören. Dabei geht es nicht nur um die Philosophie –diese Projekte verschlingen das Geld, das eigentlich für die überjährigen und sehr kostspieligen Projekte gedacht war. Diese konnten in der Vergangenheit aus dem normalen Haushalt nicht finanziert werden.

 

 

Drei zusätzliche Risiken im aktuellen Entwurf

Erstens droht mit dem erneuten Einfrieren des Verteidigungsetats bei 52 Milliarden Euro weiterhin, dass die Betriebskosten der Bundeswehr den normalen Rüstungshaushalt im Haushalt weiter auffressen. Ein Problem, das sich sogar noch früher einstellen könnte, da der Anteil der Betriebskosten schon für 2024 deutlich angehoben wurde. Damit könnte bereits 2025 Rüstung nicht mehr aus dem normalen Etat finanziert werden. Rüstungsausgaben kämen dann vollständig aus dem Sondervermögen. Dieses jedoch endet im Jahr 2027 und noch ist keine Auffangmaßnahme für die dann weiterhin notwendigen Rüstungsinvestitionen in Sicht. Eine nachhaltige Finanzierung langfristiger Rüstungsanstrengungen sieht anders aus, will man nicht im Jahr 2027 mit einem absurden Finanzierungsloch von 30 Milliarden vor das Parlament treten.

Zweitens ergibt sich aus dieser Prioritätensetzung ein großes Risiko für die Rüstung der nächsten Jahre. Viele Projekte werden offensichtlich begonnen, ohne, dass ihre Finanzierung gesichert oder auch nur ins Auge gefasst ist. Angesichts der Volumina, die in Zukunft gebraucht werden, wäre es wichtig, die Lösungen bereits jetzt offen zu thematisieren, ohne, dass das Parlament Zusagen machen muss. Die Optionen in dieser Lagesind offensichtlich: Entweder wird der reguläre Verteidigungshaushalt erhöht oder ab 2026 ein Sondervermögen II beschlossen. Derzeit entsteht der Eindruck, dass der Bundestag mit diesen Anzahlungen für viele neue Projekte unter Druck gesetzt werden soll, dann auch die Fertigstellung zu übernehmen –quasi als Sachzwang, weil man nun schon investiert hätte.Bei Nichterreichen höherer Ausgaben würde die Bundeswehr Gefahr laufen, Projekte nicht wie geplant umsetzen zu können und in ein paar Jahren noch dysfunktionaler zu sein als heute. Hinzu kommen bereits jetzt Kostenexplosionen wie bei den Flottendienstbooten und Entwicklungsrisiken mit potenziellen Folgekosten wie beim CH-47 Transporthubschrauber. Solche Beschaffungen drohen mit ihren Kostensteigerungen andere notwendige Projekte zu verdrängen. Diese Risiken sollten in Zukunft transparent kommuniziert werden. Beim Transporthubschrauber bricht man zudem mit der Logik des „Von der Stange“-Kaufens eines marktverfügbaren Produktes und geht mit besonderen Ausrüstungswünschen am Gerät zurück zu einer Bundeswehr-speziellen Lösung.

Drittens wird der Haushaltsentwurf dem in der Nationalen Sicherheitsstrategie formulierten Anspruch der „integrierten Sicherheit“ nicht gerecht, da nicht-militärische Anteile an Sicherheit und Resilienz, wie etwa das Technische Hilfswerk (THW) oder das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, nur mit stark eingeschränkten Mitteln ausgestattet werden. Sowohl die Naturkatastrophen der letzten Jahre als auch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigen jedoch den gesellschaftlichen und sicherheitspolitischen Mehrwert resilienter ziviler Infrastruktur. Wer bei größtenteils von ehrenamtlichen Helfern betriebenen Organisation wie dem THW die Betriebsmittel kürzt muss sich später nicht wundern, wenn diese ohne Übungsbetrieb weniger fähig sind oder schlicht die Lust am Engagement verlieren und damit gar nicht mehr zu Verfügung stehen.

Fazit: Momentan ist die finanzielle Decke zu kurz, um alle Aufgaben abdecken zu können, die die Bundesregierung im Bereich Sicherheit und Verteidigung plant und bereits gegenüber Partnern kommuniziert hat. Deutschland kommt nicht um mehr Nachhaltigkeit und eine dauerhafte Erhöhung bei den Ausgaben für Verteidigung und gesellschaftliche Resilienz umhin.

Dies kann entweder die Anhebung des regulären Verteidigungshaushaltes (bzw. Inneres mit Blick auf Resilienz) bedeuten –zu Lasten anderer Haushaltsposten –oder ein neues Sondervermögen. Die Investitionslücken in vielen Sicherheitsbereichen zeigen, dass vor dem Hintergrund einer sicherheitspolitischen Dekade eine Sonderabgabe für Sicherheit in allen Lebensbereichen –nicht nur militärisch, sondern etwa auch für Klimaschutz oder Cybersicherheit –in Erwägung gezogen werden sollte.

Bibliografische Angaben

Mölling, Christian, and Torben Schütz. “Verteidigungshaushalt 2024.” DGAP Memo 2 (2023). German Council on Foreign Relations. July 2023. https://doi.org/10.60823/DGAP-23-39086-de.

Dieses DGAP-Memo wurde am 14. Juli 2023 veröffentlicht. 

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