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18. Juli 2016

Sicherheit an der Südflanke

Die NATO widmet sich erstmals den Bedrohungen im Süden

Auf ihrem Gipfel in Warschau haben sich die Staats- und Regierungschefs der NATO erstmals ausführlich mit den Bedrohungen im Süden und Südosten der Allianz beschäftigt. Die südlichen Bündnismitglieder, die sich bereits an der Abschreckung und Rückversicherung im Osten der Allianz beteiligen, hatten zu Recht gefordert, dass sich die NATO auch auf die Instabilität im Mittelmeerraum konzentrieren müsse.

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Die nun beschlossenen Maßnahmen unterstreichen den sogenannten 360-Grad-Blick der NATO, der sich nicht nur auf den Osten, sondern auch auf den Süden erstrecken muss. Die Instrumente zur Lagebild-Erstellung sollen ausgebaut und die Sicherheitslage im Süden durch Partnerschaften und Fähigkeitsaufbau verbessert werden. Dabei scheut die NATO aber neue Stabilisierungsmissionen nach dem Vorbild Afghanistans.

Konkret wurden folgende Maßnahmen beschlossen:

  • AWACS-Aufklärungsflugzeuge werden in die Türkei verlegt, um der internationalen Koalition bei der Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staates ein umfassendes Luft-Lagebild zur Verfügung zu stellen. Obwohl die meisten Mitgliedstaaten bereits Teil dieser Koalition sind, ist die NATO selbst noch nicht beigetreten. Dies verdeutlicht die Uneinigkeit unter den Mitgliedern über die Rolle der NATO im Kampf gegen den IS.
  • Die seit 2001 bestehende Mission „Operation Active Endeavour“ wurde in ihrem Mandat von Artikel 5 des NATO-Vertrags (Beistandspflicht) entkoppelt und in eine flexible maritime Sicherheitsmission überführt. In Zukunft wird sie unter dem Namen „Operation Sea Guardian“ (OSG) unter anderem zur Erstellung eines maritimen Lagebilds im Mittelmeer und zum Kapazitätsaufbau in Partnerstaaten beitragen sowie die laufende EU-Operation „EUNAVFOR MED Operation Sophia“ unterstützen. Die OSG wird damit ein zentrales Instrument, um die Kooperation zwischen EU und NATO voranzutreiben.
  • Diese Zusammenarbeit wird unter anderem seit März in der Ägäis umgesetzt, wo der ständige NATO-Marineverband 2 (Standing NATO Maritime Group 2/SNMG 2) zusammen mit Frontex bei der Unterbindung von Menschenschmuggel eingesetzt wird. Nachdem die Türkei zuletzt laut über die Beendigung des Ägäis-Einsatzes nachgedacht hatte, wurde auf dem NATO-Gipfel eine Evaluierung des Einsatzes bis September beschlossen. Während die türkische Regierung ihren Vorschlag mit den stark gesunkenen Schlepperbewegungen in der Ägäis begründet, drängen die europäischen NATO-Staaten auf die Ausweitung des Operationsgebiets und sehen das Geschäftsmodell der Schleuser noch nicht als unterbunden an.
  • Im Südosten wird die NATO ihre Präsenz im Schwarzen Meer ausbauen und die im vergangenen Jahr aufgestellte Multinationale Division Südost in Rumänien stärken. Die NATO-Präsenz und eine Verbesserung der Lagebild-Erstellung sollen vor allem durch zusätzliche maritime und luftgestützte Manöver in der Region erreicht werden. Gerade vor diesem Hintergrund würde es die türkische Regierung bevorzugen, wenn die Einheiten der SNMG 2 für Rückversicherungsmaßnahmen in das Schwarze Meer verlegt würden, um einer steigenden russischen Präsenz in der Region entgegenzuwirken.
  • Die NATO wird irakische Sicherheitskräfte künftig direkt im Land ausbilden und nicht mehr, wie seit April 2016, im Nachbarland Jordanien. Damit kommt das Bündnis einer Bitte der irakischen Regierung nach.

Auch wenn die Bedrohungslage im Süden der NATO diffuser erscheint als im Osten, hat der NATO-Gipfel ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit den südlichen Mitgliedstaaten gesetzt. Ob die beschlossenen Maßnahmen ausreichen, wird sich allerdings erst in den kommenden Monaten zeigen und auch davon abhängen, wie sich die politische und Sicherheitslage in Libyen sowie die Migrationsbewegungen im Mittelmeerraum entwickeln.

Bibliografische Angaben

Feyock, Sebastian. “Sicherheit an der Südflanke.” July 2016.

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