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19. Mai 2023

Schlupflöcher bei Öl-Sanktionen

Vier Maßnahmen könnten Russland weiter schwächen
Ölraffinerie in Wesseling, Deutschland
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Trotz westlicher Sanktionen verdienen russische Ölkonzerne weiter gut. Denn der Preisdeckel der G-7-Länder wird in größerem Umfang umgangen. Es sollte dringend nachgebessert werden. Diese vier Maßnahmen können zu einer deutlichen und schnellen Verbesserung beitragen.

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Russlands brutaler Angriffskrieg auf die Ukraine dauert nun schon fünfzehn Monate an. Das westliche Sanktionsregime hat Putin zwar nicht stoppen können, aber es zeigt Wirkung.

Besonders bedeutend sind die Energie-Sanktionen, die seit Ende des vergangenen Jahres in Kraft sind. Denn Putin und sein Regime konnten im vergangenen Jahr dank hoher Ölpreise und Exportmengen enorme Profite machen, die den Krieg finanzierten.

Nachdem der Westen fast ein Jahr gezögert hat, treffen die Sanktionen den russischen Haushalt mittlerweile empfindlich. Damit das so bleibt, sollten die G-7-Länder konkrete Schritte für mehr Transparenz, schärfere Konsequenzen für Sanktionsverstöße und das Schließen von Schlupflöchern im Finanzsektor umsetzen.

Das EU-Embargo und der G-7-Preisdeckel auf russische Ölexporte sind die komplexesten jemals getätigten Eingriffe in globale Energiemärkte im Rahmen eines wirtschaftlichen Sanktionsregimes. Und die Maßnahmen zeigen die erwünschte Wirkung: Russisches Öl ist im Markt verblieben und entsprechend konnten Preissteigerungen verhindert werden.

Gleichzeitig haben die Sanktionen zu erheblichen Preisabschlägen auf russisches Öl beigetragen, da europäische Kunden im Wesentlichen aus dem Markt verschwunden sind – und dadurch Russlands Exporterlöse und Steuereinnahmen deutlich zurückgegangen sind. Ganz konkret, im ersten Quartal 2023 hat das Land knapp 30 Prozent weniger durch den Export von Rohöl und Ölprodukten eingenommen.

Das wirkt sich auf den russischen Staatshaushalt aus. Für Januar bis April meldet das Finanzministerium einen Rückgang der Öl- und Gaseinnahmen von mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Da gleichzeitig die Ausgaben durch den Krieg in der Ukraine nach oben getrieben werden, wächst das Defizit kontinuierlich – und die Finanzierung wird schwieriger. Trotzdem gibt es Anlass zur Sorge.

Verstöße gegen Ölpreisdeckel erfordern eine Antwort

So hat sich gezeigt, dass der Ölpreisdeckel in größerem Umfang umgangen wird. Insbesondere geht es hier um Exporte aus Kozmino, Russlands wichtigstem Pazifikhafen für Rohöl. Eine Studie der Kyiv School of Economics (KSE) zeigt, dass im ersten Quartal dieses Jahres fast alle Exporte von dort oberhalb des 60 Dollar/Barrel-Deckels verkauft wurden. Gleichzeitig waren Firmen aus den G-7 und der EU an der Hälfte aller Exporte beteiligt.

Das gegenwärtige Sanktionsregime scheint dies nicht verhindern zu können. Die beteiligten Firmen müssen zwar Bescheinigungen und Zusicherungen von ihren Auftraggebern anfordern, dass eine Transaktion unterhalb der Preisgrenze stattfindet. Sie müssen diese aber nicht überprüfen, geschweige denn die Information an Behörden weitergeben.

Ein weiteres Problem ist, dass es russischen Unternehmen zunehmend gelingt, ihre Gewinne aus dem Ölhandel zu steigern. Denn Russland transportiert einen erheblichen Anteil seiner Exporte mittlerweile unter Verwendung eigener Schiffe – oder mithilfe von Reedereien aus Drittstaaten, die möglicherweise geschäftlich mit russischen Ölfirmen verbunden sind.

Und es hat sich gezeigt, dass diese die Kosten für den Transport übertreiben. Damit ist eine Transaktion zwar formal mit dem Preisdeckel vereinbar – der Exportpreis liegt unter 60 Dollar/Barrel – aber letztlich zahlt der Kunde den Weltmarktpreis und die Differenz landet über die Reederei doch in russischen Geldbeuteln.

Es muss also nachgebessert werden. Die folgenden Maßnahmen können zu einer deutlichen und schnellen Verbesserung beitragen – durch mehr Transparenz, schärfere Konsequenzen für das Verletzen von Sanktionen und das Schließen von Schlupflöchern.

Erstens sollten beteiligte G-7/EU-Firmen die Behörden über jede Transaktion innerhalb des Preisdeckelsystems, an der sie beteiligt sind, informieren – sowie über verdächtige Aktivitäten, die sie beobachten. Verträge, aus denen der Verkaufspreis eindeutig hervorgeht, sollten Teil der Meldepflicht werden.

Zweitens sollten weitere russische Banken sanktioniert werden, um so die Kanäle für Transaktionen zu beschränken und eine bessere Überwachung zu ermöglichen. Viele Finanzströme finden inzwischen aber versteckt in Drittstaaten statt. Der Westen sollte deshalb drittens solche Finanzinstitute in Drittländern identifizieren und sanktionieren, wenn sie klar zur Umgehung des Preisdeckels beitragen.

Der Zugang zum westlichen Finanzsystem kann als starker Hebel genutzt werden, um die Energie-Sanktionen umzusetzen. Denn das globale Finanzsystem ist weiterhin westlich dominiert. Westliche Zentralbanken und Bankaufsichten müssen hierbei aber eine größere Rolle spielen und letztlich diese Gewinne wie Geldwäsche aus anderen illegalen Aktivitäten bekämpfen.

Dubiose und intransparente Finanzstandorte werden sich schärferen Finanzsanktionen entgegenstellen. Die großen Ölkäufer Indien und China würden aber durchaus profitieren. Denn durch die schärfere Umsetzung des Preisdeckels steigt ja ihre Marktmacht: Sie können russisches Öl billiger kaufen.

Bibliografische Angaben

Wolff, Guntram, Benjamin Hilgenstock, and Elina Ribakova. “Schlupflöcher bei Öl-Sanktionen .” May 2023.

Dieser Artikel ist erstmal am 19.05.2023 als Gastbeitrag in "Die Welt" erschienen. 

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