In den USA ist die Zuwanderung der größten Immigrantengruppe, der Mexikaner, merklich zurückgegangen. Das geht zum einen auf die verschärfte Grenzüberwachung zurück, liegt zum anderen auch an den mangelnden Arbeitsperspektiven in den USA. Solange die US-Wirtschaft wächst und Arbeitskräfte gesucht werden, bleiben die Türen für Einwanderer etwas weiter offen. Gerät das Wirtschaftswachstum aber ins Stocken, werden wieder chauvinistische Argumente laut, obwohl mit nachlassender Wirtschaftsleistung ohnehin der Zustrom sinkt, weil sich viele keine Arbeitsplätze mehr versprechen.
Dennoch ist die Frage, ob mehr Einwanderer ins Land gelassen werden und Menschen, die sich bereits illegal im Lande aufhalten, eingebürgert und mit sozialpolitischen Maßnahmen unterstützt werden sollten, politisch brisant geworden. Denn die Veränderung der amerikanischen Bevölkerungsstruktur und des sozialen Status der mittlerweile größten Minderheit in den USA würde sich noch stärker auf die Wählerstruktur auswirken: Die hispanischen Wähler werden demografisch bedingt immer wichtiger, zumal besonders viele in Bundesstaaten wie New Mexiko, Arizona, Nevada, Florida oder Colorado leben, die für Wahlsiege ausschlaggebend sind.
Bereits bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2012 lag Mitt Romney bei den weißen Wählern enorme 20 Prozentpunkte vor Barack Obama. Trotzdem konnte der amtierende Präsident seine Wiederwahl mit den Stimmen der ethnischen Minderheiten, der hispanischen und afroamerikanischen Wähler, sichern. Die Zahl der wahlberechtigten Latinos wird sich 2016 im Vergleich zur Wahl 2012 um ein weiteres Fünftel auf etwa 28 Millionen erhöhen. Doch weiterhin versuchen erzkonservative Republikaner, die an den idyllischen Verhältnissen der „guten alten Zeit“ festhalten, die Veränderung der Bevölkerungs- und damit Wählerstruktur aufzuhalten oder sie ignorieren diese. Wenn es nach den meisten Präsidentschaftskandidaten der Republikaner ginge, sollte sogar jenen Amerikanern, die ihre Staatsbürgerschaft dank ihrer Geburt im Land der Freien erlangt haben, ihr von der Verfassung garantiertes Geburtsrecht wieder entzogen werden. Sogar der Gouverneur von Louisiana, Bobby Jindal, Sohn indischer Immigranten, der seine Staatsbürgerschaft seiner Geburt in den USA verdankt, will das Geburtsrecht abschaffen und die „Illegalen“ ausweisen. Donald Trumps Erfolg in den Umfragen hat weitere Kandidaten – etwa Rick Santorum, Rand Paul, Ben Carson, Chris Christie und Lindsey Graham – mit Blick auf die Vorwahlen bewogen, ihre in einigen Fällen liberale Position in der Einwanderungsfrage zu überdenken und seiner rassistischen Linie zu folgen.
Mit seinen gezielten Provokationen – er bezeichnete Einwanderer pauschal als „Vergewaltiger und Verbrecher“ – und Versprechungen, als Präsident „eine große Mauer“ an der amerikanisch-mexikanischen Grenze zu bauen, versucht Trump, im Chor anderer Mitstreiter wie Senator Ted Cruz, dem Favoriten der Tea-Party-Bewegung, dem vermeintlichen Favoriten Jeb Bush den Rang abzulaufen.
Denn der jüngste Sohn der Bush-Dynastie ist mit einer Mexikanerin verheiratet und versteht es, Latinos in ihrer Muttersprache anzusprechen. Er hat sich in der Einwanderungsfrage auf eine liberale Gangart festgelegt, indem er illegale Einwanderung nicht als kriminell verurteilte, sondern als „Akt der Liebe“ bezeichnete. Sollte Jeb Bush seinen politisch riskanten Kurs im republikanischen Vorwahlkampf überstehen, hat er im Hauptwahlkampf gute Karten. Sollten Bush oder Marco Rubio, ein Sohn kubanischer Einwanderer, in den republikanischen Vorwahlen scheitern, hätte hingegen Hillary Clinton die große Chance, ebenso wie Obama, die Stimmen der Latinos für sich zu gewinnen und ins Weiße Haus einzuziehen.